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© MAXPPP

Silvester: Französisches Feuerwerk

Im Nachbarland Frankreich brennen in jeder Silvesternacht Autos. Die Debatte darüber erinnert an die in Berlin.

Einen ganzen Tag verbrachte Frankreichs Innenminister Brice Hortefeux damit, die Franzosen zu beschwichtigen. Die Neujahrsnacht sei „ruhig“ verlaufen, verkündete der konservative Minister am 1. Januar, größere Zwischenfälle seien ausgeblieben. Er lobte die 45000 Polizisten und Gendarmen, die dem Land einen ungestörten Silvesterabend hatten ermöglichen sollen. Brennende Autos erwähnte er mit keinem Wort.

Dabei waren auch in dieser Nacht wieder Autos angezündet worden. Das berichteten die Bewohner sensibler Viertel der Hauptstadt und einiger ihrer Vororte sowie von großen Städten wie Straßburg, Lyon, Toulouse und Nantes. Erst am Abend bequemte sich auch der Innenminister zu bestätigen, dass in der Neujahrsnacht 1.137 Autos in Flammen aufgegangen waren. Dieser Zahl wusste er noch Positives abzugewinnen. Es waren nämlich genau zehn Fahrzeuge weniger als im Vorjahr. 2008 waren 1.147 Autos abgefackelt worden – so viele wie noch nie. „Die zunehmende Tendenz brennender Autos ist massiv umgekehrt worden“, interpretierte Hortefeux die Fakten. Die sozialistische Opposition rechnete anders. Es seien diesmal so viele Ordnungshüter wie nie in einer Neujahrsnacht mobilisiert worden, 549 Personen wurden festgenommen, und dennoch gab es kaum Besserung.

Die Debatte erinnert an diejenige, die in Berlin geführt wird. Wie viele Beamte sind notwendig, um die Zündler zu stoppen? Sind sie mit mehr Beamten überhaupt zu stoppen? Doch das Phänomen ist nicht nur in der Größenordnung ein anderes – in Berlin brannten 2009 rund 200 Fahrzeuge. Auch die Brandstifter sind in Frankreich andere. Wenn auch über die Ursachen debattiert wird – linke Autonome gehören in Paris und anderen Städten nicht zu den Silvesterzündlern.

Seit 1997 Jugendliche in einem als sozial problematisch geltenden Vorort von Straßburg erstmals in einer Neujahrsnacht Autos anzündeten, haben Politiker und Soziologen jedes Jahr erneut Gelegenheit gehabt, nach den Gründen für diese seltsame Art von Feuerwerk zu forschen. Dabei ist das Phänomen nicht allein auf das Jahresende beschränkt. Bei den Unruhen im Herbst 2005, als Jugendliche in der Pariser Banlieue auf die Straße gingen, weil zwei Altersgenossen auf der Flucht vor der Polizei gestorben waren, wurden Tausende von Autos angezündet. Insgesamt wird die Zahl der brennenden Fahrzeuge auf mehrere Tausend jährlich geschätzt. Genaue Angaben halten die Behörden zurück, um keine Nachahmungseffekte zu erzeugen. Nicht in jedem Fall sei sozialer Protest benachteiligter junger Migranten in den Vorstädten als Motiv anzunehmen. Autobesitzer nutzten das Ritual, um sich auf diese Weise von ihren Rostlauben zu trennen und Schadensersatz zu kassieren.

Innenminister Hortefeux glaubt noch ein anderes Motiv zu erkennen. Es gebe eine Art Wettbewerb zwischen Jugendlichen aus verschiedenen Vorstädten, wer die meisten Autos anzünde. Eine Lösung hat er indes nicht anzubieten. Vielleicht hilft ein Blick nach Straßburg. Dort haben sich Mütter in der Neujahrsnacht zusammengetan, um ihre Kinder vom Autoanzünden abzuhalten. Die Zahl der brennenden Autos ging dort von 70 auf 50 zurück.

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