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Skandinavien: Sechs Tote nach Amoklauf in Finnland

Ein Kosovo-Flüchtling ermordet seine Ex-Freundin und vier ihrer Kollegen. In Finnland entbrennt eine heftige Debatte um Einwanderer.

Der dritte Amoklauf in gut zwei Jahren hat Finnland am letzten Tag des Jahres 2009 erschüttert. Ein 43-jähriger Mann hat in einem Einkaufszentrum in Espoo vier Menschen erschossen, zuvor hatte er seine Ex-Freundin getötet und sich schließlich selbst erschossen. Sämtliche Neujahrsfeiern in der zweitgrößten finnischen Stadt, der Firmenzentrale von Nokia, nicht weit von der Hauptstadt Helsinki wurden abgesagt. Staatspräsidentin Tarja Halonen sagte kurz vor ihrer Neujahrsansprache: „Es ist traurig und abscheuerregend das so etwas wieder passiert – und etwas dagegen zu tun, ist eine Herausforderung.“

Der Täter ist ein 1990 aus dem Kosovo nach Finnland geflüchteter Waffennarr, der offenbar die Trennung von seiner langjährigen finnischen Lebensgefährtin nicht verkraftet hat. „Zwei Kopfschüsse. Als ob einer nicht gereicht hätte“, sagte der 29-jährige Acke Wenelius ohne es makaber zu meinen. Er redete von dem Verkäufer in der Elektronikabteilung im Großmarkt Prisma. Ibrahim Shkupolli war am Donnerstag mit seiner Waffe in das volle Einkaufszentrum marschiert. Er hatte eigentlich Hausverbot und kam gerade aus der Wohnung seiner ehemaligen Freundin, die er dort ermordet hatte. „Sehr brutal“, heißt es aus Polizeikreisen. Dann fuhr er zu ihrem Arbeitsplatz. Innerhalb von nur sechs Minuten erschoss er vier Angestellte des Ladens. „Die Leute waren erst mal wie gelähmt als es plötzlich knallte. Ein Verkäufer sackte zusammen. Dann brach Panik aus“, berichtete ein Augenzeuge später. Das Wachpersonal habe nicht gewusst, dass der Mann nach gewaltsamen Auseinandersetzungen mit seiner Ex-Freundin, die ihn verlassen hatte, ein gerichtlich angeordnetes Hausverbot gehabt habe, gab der Chef des Einkaufszentrums Matti Karlsson am Freitag zu. Das Betretungsverbot galt auch für die Wohnung der Verkäuferin und ihr Sommerhäuschen.

Shkupolli verließ die Ladenpassage völlig ungehindert, fuhr in die eigene Wohnung und beging dort Selbstmord. Am Neujahrstag vermutete die Polizei, dass er die Opfer, Arbeitskollegen seiner Ex-Freundin, kannte und zuvor ausgewählt hatte. Das vermutete Motiv: „krankhafte Eifersucht“.

Während nach den beiden von jungen Finnen begangenen Amokläufen an Schulen im September 2008 (elf Tote) und Ende 2007 (neun Tote) vor allem die lockeren Waffengesetze im traditionellen Jagdland Finnland kritisiert wurden, steht am Tag nach diesem jüngsten Amoklauf die ausländische Herkunft des Täters im Zentrum. Ein kaum zu erwartender Ausländerhass, entlädt sich im Internet: „Die Einwanderungspolitik ist eine Katastrophe!“, „Schickt die alle heim!“, „Wir brauchen die Todesstrafe!“ waren einige der Kommentare. In Finnland leben nur wenige Ausländer. Das Land hat im europäischen Vergleich stets sehr wenige Aufenthaltsgenehmigungen, auch für Kriegsflüchtlinge, erteilt. Innenministerin Anne Holmlund kommentierte die Debatte lediglich mit der Bemerkung, sie wolle nicht jetzt schon Schlüsse aus der ethnischen Herkunft des Täters ziehen. „Das ist eine Frage, die wir prüfen müssen, ohne Hetzstimmung, wenn die akute Krise vorüber ist“, sagte sie.

Im Unterschied zu den vorhergehenden Amokläufern, hatte der 43-jährige keine Lizenz für seine Waffe und deshalb ist das weiterhin beliebte, lockere Waffengesetz im Land für viele in diesem Fall kein Thema am Neujahrstag, obwohl Innenministerin Holmlund betonte, dass die große Anzahl gesetzlich zugelassener Waffen recht einfach und „viel zu oft in der Hand von Kriminellen gerät“. Ob sie mit dieser Äußerung unfreiwillig auch einen Teil der Vergangenheit des Täters aus den polizeilichen Ermittlungen preisgegeben hat, ist unklar. Ministerpräsident Matti Vanhanen sprach sich für eine Verschärfung der Waffengesetze aus.

Ein Finne kommentierte das Geschehen im Internet so: „Dass der Mann so gut mit seiner Schusswaffe umgehen konnte und so viele Menschen in kurzer Zeit tötet, zeigt doch eher wie gut er sich unseren finnischen Sitten und Bräuchen angepasst hat in den 20 Jahren. Leider.“

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