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Skelette Kassel

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Skelett-Funde in Kassel: "Die Fragezeichen werden stündlich größer"

Mitten in der Kasseler Innenstadt wurden mehr als 50 menschliche Skelette in einer Baugrube entdeckt. Besonders mysteriös ist, dass einige der Knochen schwarz gefärbt sind. Handelt es sich um Tote aus dem Zweiten Weltkrieg?

Von Barbara Munker, dpa

Die Skelettfunde in der Kasseler Innenstadt geben immer mehr Rätsel auf. Bis heute haben Experten der Spurensicherung die Überreste von inzwischen mehr als 50 Menschen in der Baugrube am Rande der Kasseler Universität gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass das noch nicht alle Gebeine auf dem Areal sind. Die Knochen liegen auf fünf Gräberfelder verteilt. Rätselhaft ist nach wie vor, warum einige Skelette parallel neben einander liegen, andere wiederum auf einem Haufen. Ungeklärt ist auch das Alter der Gebeine. Eine genaue Altersbestimmung könne noch Wochen dauern.

Besonders mysteriös ist, dass einige der Knochen schwarz gefärbt sind. Fast alle Skelette haben einen hellbraunen Ton, zwei sind jedoch dunkel. Einige dieser Knochen sind sogar tiefschwarz und haben einen leichten Glanz. Für die Polizisten ist die Verfärbung rätselhaft. Möglicherweise hat eine eingesickerte Flüssigkeit die Knochen verfärbt. Das Gelände war in den vergangenen Jahrzehnten der Parkplatz eines Autohofs. Dennoch weiß niemand, was die Gebeine so färben konnte und warum zwar zwei komplett, aber keine anderen Skelette betroffen sind.

Allgemeine Ratlosigkeit

Heute ratterten auf dem abgesperrten Gelände die Presslufthämmer. Mit schwerem Gerät soll eine dicke Fundamentschicht beseitigt werden. Unter und vermutlich auch in dem Beton stecken weitere Knochen. Das Fundament könnte die Theorie, dass es sich um Tote des Zweiten Weltkriegs handelt, zu Fall bringen. Denn der nach dem Krieg angelegte Parkplatz brauchte kein Fundament, vorher dort stehende Gebäude allerdings schon. Die Gebäude des Rüstungskonzerns Henschel sollen aber schon 1928 gebaut worden sein - Knochen von Opfern des Bombenkriegs oder Zwangsarbeitern könnten folglich nicht unter dem Fundament liegen.

"Die Fragezeichen werden täglich, ja stündlich größer", sagt der Regionalhistoriker Christian Bruno von Klobuczynski. Er vermutet zwar, dass die Gebeine zwischen 1914 und 1945 in den Kasseler Boden kamen. "Aber es gibt eine ganze Reihe schlüssiger Theorien. Jede hat aber mindestens einen Haken, der sie wieder ausschließt." Der Wissenschaftler, der mit der Polizei zusammenarbeitet, erkennt derzeit nur "allgemeine Ratlosigkeit".

Wurden auch Frauen begraben?

Interessant ist die Frage, ob sich auch Knochen von Frauen finden. Denn auffallend ist das vollständige Gebiss in vielen der oft zertrümmerten Schädel. Für die Experten ein Zeichen, dass es sich um junge Menschen handelt, also zum Beispiel um Soldaten. Liegen in der Grube auch Frauenknochen, wäre aber auch diese Theorie vom Tisch.

Die Ausgrabungen werden nach Angaben der Polizei noch Wochen dauern. Ein provisorisches Zelt soll die Gebeine und auch die etwa 20 Polizisten vor Regen schützen. Trotz des Wetters stehen ständig etwa ein Dutzend Schaulustige am Zaun vor der Grube, manche fachsimpelnd, die meisten schweigend. Selbst ein paar Blumen und ein Grablicht haben die Kasseler aufgestellt. Darüber ein einfacher Zettel in einer Klarsichthülle gegen den Regen: "Mögen die Menschen, die hier ausgegraben werden, ein würdiges Begräbnis bekommen und dann in Frieden ruhen."

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