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Panorama: Skid Row – Straße der Hölle

Kliniken in Los Angeles setzen hilflose Patienten im Freien aus, wenn sie obdachlos sind

Auf der Skid Row in Los Angeles hausen bis zu 10 000 Obdachlose im Freien, in Zelten und in provisorischen Unterkünften aus Kartons und Plastikplanen. Das Schicksal eines querschnittsgelähmten Mannes löste jetzt einen Schrei der Empörung aus. Nur mit einem Krankenhauskittel bekleidet, eine Plastiktüte mit ein paar mageren Habseligkeiten zwischen den Zähnen, und einem defekten Kolostomie-Beutel für einen künstlichen Darmausgang schleppte sich der Mann auf dem Bürgersteig dahin. Ein Krankenhaus hatte ihn in dem heruntergekommenen Viertel ausgesetzt, wie Augenzeugen berichteten.Die Klinikfahrerin, empört darüber, dass er im Wagen seine Notdurft verrichtet habe, hätte teilnahmslos zugesehen, wie sich der Gelähmte abmühte. Der 41-Jährige wäre beim „Aussteigen“ fast von dem Wagen überrollt worden, hätte er seine Beine nicht noch rechtzeitig mit den Händen auf den Bürgersteig gehoben. Eine zufällig vorbeikommende Streife nahm sich des Mannes an und rief einen Rettungswagen.

Im Jahr 2000 wurden die ersten Vorwürfe und Anklagen gegen private Hospitäler in der Stadt der Engel erhoben. Sie sollen auf diese Weise Obdachlose abschieben, in der Hoffnung, dass sich Obdachlosenmissionen ihrer annehmen. Mehr als zehn Fälle sind aktenkundig. Darunter eine 63-jährige Frau, die geistig verwirrt, nur mit Krankenhauskittel und Socken bekleidet, umherirrte. Gegen das Kaiser-Permanente-Bellflower-Krankenhaus, das sie dorthinschaffte, wurde erst kürzlich wegen grober Fahrlässigkeit Anklage erhoben.

Skid Row umfasst rund 50 Häuserblocks nahe Downtown Los Angeles. Das Viertel, umgeben von den Glaspalästen in Bunker Hill, ist ein Beispiel für die extremen Gegensätze. Während Millionenvillen die Hügel von Beverly Hills zieren und auf dem Rodeo Drive Handtaschen mehr kosten als der Monatsverdienst eines Arbeiters, finden hier die Obdachlosen trotz allen Elends eine Art Gemeinschaft. Viele krank, alkohol- und drogensüchtig, leben hier seit Jahren, betreut von zahlreichen Hilfsorganisationen. Doch „Dantes Inferno“, wie das Viertel einmal ein Polizeichef beschrieb, ist unter Druck – vom Immobilienboom der vergangenen Jahre. Hochhäuser mit Apartments für mehr als eine halbe Million Dollar schossen in der Umgebung aus dem Boden, und deren Bewohner wollen ihre Umgebung nicht mit Obdachlosen teilen.

Wer auf der Straße schläft oder uriniert, läuft immer öfter Gefahr, im Gefängnis zu landen. Eine Krankheit, ein Unfall oder Arbeitslosigkeit genügen oft, dass sich eine Mittelklassefamilie auf der Straße wiederfindet. In Los Angeles müssen Familien 70 000 Dollar im Jahr verdienen, um über die Runden zu kommen.

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