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Skyguide-Prozess: Staatsanwalt: Flugsicherung ist schuldig

Die Mitarbeiter haben versucht der Verantwortung zu entgehen und beschuldigten den Fluglotsen. Doch der Staatsanwalt bekräftigt: Fehler der Schweizer Flugsicherung Skyguide haben das schwere Flugzeugunglück von Überlingen verursacht.

Bülach - Staatsanwalt Bernhard Hecht sagte im Strafprozess vor dem Bezirksgericht im schweizerischen Bülach bei Zürich: "Ausschlaggebend war ein Klima von Sorglosigkeit und mangelndem Risikobewusstsein." Auf der Anklagebank sitzen acht Skyguide-Mitarbeiter wegen fahrlässiger Tötung. Beim Zusammenstoß einer Tupolew-Passagiermaschine und einer Fracht-Boeing des Kurierdienstes DHL am 1. Juli 2002 waren bei Überlingen am Bodensee alle 71 Insassen ums Leben gekommen. Unter ihnen waren 49 Kinder und Jugendliche aus der russischen Teilrepublik Baschkirien.

Hecht beantragte Freiheitsstrafen zwischen 6 und 15 Monaten für zwei Jahre auf Bewährung, ersatzweise Geldbußen bis zu 54.000 Franken (rund 30.000 Euro). Er lastete den Skyguide-Angestellten "eine ganze Reihe von Pflichtwidrigkeiten, Unterlassungen, Kommunikationsmängeln und Missverständnissen" auf allen Stufen der Firmenhierarchie an. Die Angeklagten hatten eine Mitschuld bestritten. Verantwortlich machten sie allein den Fluglotsen, der in der Unglücksnacht Dienst tat und später von einem Hinterbliebenen erstochen wurde. Nach Ansicht des Staatsanwalts war dieser zwar "überlastet und krass überfordert", doch sei das vor allem die Schuld der Vorgesetzten. Sie hätten vorschriftswidrig den nächtlichen Einmann-Betrieb zugelassen, während der zweite Lotse Pause machte. "Bei einer Zweierbesetzung wäre die Kollision mit ziemlicher Sicherheit vermieden worden", sagte Hecht.

Schlampige Art von Kommunikation

Außerdem habe wegen technischer Arbeiten das Hauptradar nur eingeschränkt funktioniert, der Notbetrieb der Telefonanlage gar nicht. Doch darüber haben die Vorgesetzten die Fluglotsen in einer "schlampigen Art der Kommunikation" nur bruchstückhaft informiert, führte die Anklage weiter aus. Aber auch die Fluglotsen hätten es versäumt, sich kundig zu machen. Um die Tragödie zu verdeutlichen, ließ Hecht die Aufzeichnungen des Funkverkehrs in den letzten Sekunden vor der Kollision einspielen. Keine Fehler stellte er bei der Besatzung der Tupolew fest, die nicht dem bordeigenen Kollisionswarnsystem, sondern den gegenteiligen Befehlen des Lotsen gefolgt war.

Hinterbliebenen-Vertreter betonten vor Gericht, dass die Familien keine Rache, sondern Aufklärung über die Unglücksursache und eine Bestrafung der Schuldigen wollten. Sie kritisierten vor Gericht, dass ihnen die Verteidigung das Rederecht im Prozess verwehren will, da sie als Angehörige der Opfer angeblich keine direkten Ansprüche auf Entschädigung hätten. "Es geht nicht um Geld oder Vergeltung", betonten sie. Ein anderer bemängelte, dass Trauer und Emotionen vor Gericht keinen Platz haben sollen. Eine kleine Angehörigen-Gruppe hatte bereits am Vortag vor dem Gericht mit Fotos der toten Kinder gegen Skyguide demonstriert.

An diesem Freitag beginnen die Plädoyers der acht Verteidiger. Ein Termin für die Urteilsverkündung ist nicht bekannt. (tso/dpa)

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