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Vor allem Kinder profitieren von der Aktion.

© dpa

Solidaritätsaktion in Italien: Nimm eins, zahle zwei

Immer mehr Eisdielen in Italien beteiligen sich an einer Solidaritätsaktion für bedürftige Kinder.

Der zugkräftige Werbeklassiker „Nimm zwei, zahle eins” funktioniert derzeit in rund 150 italienischen Eisdielen von Turin bis zum sizilianischen Enna genau anders herum: „Nimm eins, zahle zwei“. Diese wenig marktwirtschaftliche Aktion hat sich der Verband Salvemamme ausgedacht, der Müttern in allerlei Alltagsnöten hilft. Bedürftigen Kindern – und manchmal auch Alten – soll in diesem heißen Krisensommer ein erfrischendes Eis zukommen, das vorher ein großherziger Kunde mitbezahlt hat. „Gelato sospeso“ (etwa: überhängendes Eis) nennt sich die Solidaritätsaktion. Eisdielen, die sich beteiligen, haben an ihrem Eingang ein entsprechendes Flugblatt von Salvemamme.

Kunden, die bei ihrem Einkauf fremden Kindern eine Freude machen wollen, finden auf den Theken ein Glas für ihre Münzen. Einige beklagen, dass den armen Kindern Obst besser täte als Eis. Doch Grazia Passeri, die Vorsitzende des Mütter-Hilfsvereins, sagt, Obst, Gemüse und anderes Gesunde verteile man an 365 Tagen im Jahr, jetzt gehe es darum, den Kindern „ein Lächeln zu entlocken, Vertrauen einzupflanzen und Solidarität zu zeigen“. Salvemamme hat die kleine Aktion für Bedürftige nicht ganz neu erfunden, sondern lediglich einer alten Praxis eine kindgerechte Variante hinzugefügt.

Es ist nicht ganz klar, wann und wie der „Caffè sospeso“ entstanden ist. Aber unbestritten ist, wo damit begonnen wurde, beim Barbesuch einen Kaffee zu trinken und einen weiteren mitzubezahlen: In Neapel. Manche meinen ganz genau zu wissen, dass die zentrale Traditionsbar Gambrinus der Ort des Geschehens war. Die Solidaritätsgeste des „Caffè sospeso“ wurde in der Hafenstadt unter dem Vesuv in der sozialen Notlage während des Zweiten Weltkriegs und danach praktiziert. Seit einigen Jahren ist das Prozedere wiederbelebt und aufs ganze Land ausgeweitet worden. Die Liste der Bars, in denen man für jemanden Bedürftigen an der Kasse eine kleine Spende hinterlassen kann, ist schon lang und sie wird immer länger.

Die Idee hat es längst in etlichen andere Länder wie zum Beispiel Spanien, Brasilien, Schweden und Kanada geschafft. In Einzelfällen wurde das Modell, für einen bedürftigen Unbekannten mitzubezahlen, auch auf Buchhandlungen oder auf Pizzerien ausgeweitet. Aber nirgendwo ist die Beteiligung so schnell gewachsen wie beim „Gelato sospeso“. Und da es auch nördlich der Alpen viele italienische Eisdielen gibt, stehen wahrscheinlich auch dort bald Geldsammelgläser auf den Theken.

Roman Arens

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