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Stonehenge

© dpa

Sommersonnenwende: Kampf ums Bohnenfeld

In ganz Nordeuropa wird heute die kürzeste Nacht des Jahres gefeiert. Mit Feuern sollen böse Dämonen, Geister und Krankheiten vertrieben werden.

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Die Sonne kommt an ihren entscheidenden Punkt. Heute Abend um genau 20 Uhr 06 erlebt der Sommer 2007 seinen Höhepunkt. Zumindest aus astronomischer Sicht. Die Sonne wird dann ihren höchsten Stand über der Nordhalbkugel der Erde erreichen, womit der 21. Juni der längste Tag im Jahr ist. Rund 16 Stunden und 45 Minuten scheint die Sonne auf die nördliche Halbkugel. Ab morgen werden die Tage dann wieder kürzer. Die Sommersonnenwende markiert auch den kalendarischen Sommerbeginn. Meteorologisch startete der Sommer aber bereits am 1. Juni. Somit ist die Sonnenwende eher mitten im Sommer, weshalb der Tag auch als Mittsommer bezeichnet wird.

Gerade in Zeiten des Klimawandels verliert die Sommersonnenwende ein wenig an Bedeutung, nicht aber als wichtiges Fest in der nordischen, germanischen, keltischen sowie slawischen und baltischen Kultur. Mit Feuern sollen böse Dämonen, Geister und Krankheiten vertrieben werden. Die Mittsommernacht ist eigentlich ein heidnisches Volksfest, das aber im Zuge der Christianisierung von der Kirche adaptiert wurde. Die Festlichkeiten wurden drei Tage nach hinten verlegt, um somit an die Geburt von Johannes dem Täufer zu erinnern, weshalb die katholische Kirche heute noch am 24. Juni den Johannistag mit großem Johannisfeuer feiert. Diese Tradition hält vor allem im Süden Deutschlands an, während im Norden eher die Sommersonnenwende begangen wird.

Schwerpunkt der Feiern in Deutschland ist der Teutoburger Wald. Seit vielen Jahrhunderten ziehen vor allem die Externsteine die Menschen zur Mittsommernacht, wie der 21. Juni auch heißt, an. Esoteriker, Alt-Hippies und junges Publikum, das einfach Party machen will, pilgert zu den 13 Sandsteinfelsen, die bis zu 40 Meter in den Himmel ragen. Allerdings wird die Sommersonnenwende nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr so ausgiebig gefeiert, weil die Nazis das Fest für ihre Zwecke nutzten. Auch im Berliner Olympiastadion gab es immer wieder Naziaufmärsche zur Sonnenwende.

In England sind die Feiern dagegen Kult. Vor allem in Stonehenge, dem prähistorischen Steinzirkel in der südenglischen Grafschaft Wiltshire, feiern neue Heiden, alte Hippies, erlebnishungrige Städter, Touristen sowie Jugendliche aus den umliegenden Dörfern zweimal im Jahr Sonnenwende. Sie versammeln sich in der Nacht zum 21. Juni zwischen den Steinen und warten auf den Sonnenaufgang. Das ist allerdings erst seit dem Jahr 2000 wieder erlaubt. 1985 hatte es einen Massenansturm auf die 5000 Jahre alte Kultstätte gegeben, den die Polizei mit Gewalt unterband. Die Keilerei zwischen Hippies und Sicherheitskräften ging als „Battle of the Beanfield“ in die moderne britische Folklore ein. Fortan waren Sonnwendfeiern in Stonehenge verboten. „Die Regierung nutzte die Chance, um gegen eine Bewegung vorzugehen, die immer stärker wurde“, sagt der Publizist Andy Worthington, der ein Buch über die Auseinandersetzung geschrieben hat, die ihren Namen wegen eines nahe liegenden Bohnenfelds bekam. Parallel zur deutschen Ökologie- und Friedensbewegung protestierten in Großbritannien Zehntausende mit Friedenscamps gegen Aufrüstung und die Stationierung amerikanischer Raketen. Stonehenge übe als „prä-christliches und prä-kapitalistisches Symbol“ eine besondere Faszination auf diese Menschen aus, sagt Andy Worthington.

In Schweden sind die „Midsommar“ (Mittsommer)-Feierlichkeiten weniger politisch. Sie gelten nach Weihnachten als wichtigstes Fest im Jahr. Schließlich wird nach langem und dunklem Winter das Licht und das Aufblühen der Natur gefeiert. Zumindest im Norden des Königreiches geht die Sonne am längsten Tag im Jahr gar nicht mehr unter. Am Mittsommerabend wird für gewöhnlich die liebevoll mit Blumen und Blättern dekorierte Mittsommerstange aufgestellt. Sie ähnelt dem deutschen Maibaum. Zu Volksliedern wird um sie herumgetanzt und gesungen. Die Mädchen stecken sich selbst gemachte Blumenkränze ins Haar. Gegessen wird Hering, eingelegt in Essig, Zucker, Zwiebeln und Gewürzen, und dazu gibt es die ersten jungen Kartoffeln. Reichlich Bier und Schnaps runden das ganze Mahl ab. Einer alten Tradition gemäß, sammeln in dieser Nacht die unverheirateten jungen Schwedinnen sieben verschiedene Blumen, die sie unter ihr Kopfkissen legen. In der Nacht sollen sie dann von ihrem zukünftigen Ehemann träumen.

Einen Wehrmutstropfen für alle, die die lange Nacht genießen wollen, gibt es: Der Sommerbeginn fällt zumindest in Deutschland kalt und verregnet aus.

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