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Rothschild-Giraffe

© promo

Berliner Schnauzen (10): Die Rothschild-Giraffe

Sie sind Mimosen und besitzen die längsten Zungen aller Landbewohner.

Von Julia Prosinger

Sie sind nicht einverstanden mit diesem Wetter, wie auf High Heels staksen sie durch die Pfützen.

Giraffen sind Mimosen. Steht eine Schippe schief, trauen sie sich nicht in den Stall zurück. Auf Umzüge oder neue Mitbewohner reagieren sie mit Schlafstörungen. Das hat Säugetierkurator Florian Sicks für seine Doktorarbeit untersucht. Eine Giraffenwitwe beispielsweise konnte nach dem Tod ihres Mannes ganze drei Wochen nicht richtig schlafen, lebensgefährlich.

Drei Wochen kein Tiefschlaf, keine REM-Phase, in der sie träumen. Bei Giraffen besonders einfach abzulesen: Dann falten sie ihren riesigen Körper wie ein Klapprad auf dem Boden zusammen, legen sich den Hals wie einen Schal um ihren Rumpf, betten den Kopf auf ihrem Hintern. Jetzt wären sie angreifbar, um sich aufzurappeln bräuchten sie einige Sekunden zu lang. Deshalb dösen sie meistens im Stehen. Feinde sehen sie mit ihren guten Augen von Weitem und galoppieren los. Antilopen und Zebras folgen blind. Die Giraffe ist das Frühwarnsystem der afrikanischen Savanne.

Überhaupt ist sie das Tier der Superlative und allgegenwärtig. Die Postbank wirbt mit ihr, es gibt ein Berliner Giraffencafé, ein New Yorker Giraffenhotel und Salzstreuer in Giraffenform. Kinder verwechseln sie nie, selbst zoologisch Unbewanderte erkennen sie. 50 Zentimeter ist allein ihre blaue Zunge lang, die längste Zunge eines Landbewohners. Damit vertreibt sie Fliegen und pflückt stachelige Akazienblätter von den Baumkronen. Das Giraffenherz ist das größte eines Landsäugetiers. Zwölf Kilo kann es wiegen, schließlich muss es das Blut bis auf 5,50 Meter hinaufpumpen. Ihre Babys gebiert sie aus zwei Metern Höhe.

Die Tierpark-Perlen sind Rothschild-Giraffen, die größte der neun Unterarten und vom Aussterben bedroht. In freier Wildbahn gibt es nur noch etwa 750 von ihnen, nur eine einzige Population lebt unumzäunt in einem ugandischen Nationalpark. In europäischen Zoos sind es dagegen 350 Exemplare, fast alle miteinander verwandt. Immer wieder sterben Giraffenjunge an den Folgen von Inzucht. Anfang des Jahres töteten Ärzte im Kopenhagener Zoo deshalb ihren 18 Monate alten, völlig gesunden Giraffenbullen Marius und verfütterten ihn – vor den Augen der Zoobesucher und unter lautem Protest von Tierschützern – an die Löwen.

Wegen ihres großen Herzens und guten Überblicks steht die Giraffe in der Psychologie für gewaltfreie Kommunikation. Ihr Name leitet sich vom Arabischen „serafe“, lieblich, ab. Dabei können sich Giraffen durchaus wehren. Mit ihren langen Beinen können sie Löwen tödlich treffen. Vor kurzem hat eine Giraffe in einem holländischen Zoo einem Nashorn das Schulterblatt zertrümmert. Rivalisierende Bullen pendeln mit den Hälsen gegeneinander, schleudern ihre Köpfe wie Lassos aufeinander zu und können sich dabei sogar umbringen.

Auf die Rufe der Tierpflegerin, nun endlich rein ins Trockene zu kommen, reagieren die acht Giraffen im Regen nicht. Ihr Gehirn ist nämlich, ausnahmsweise, nicht das größte. Julia Prosinger



ROTHSCHILD-GIRAFFE IM TIERPARK

Lebenserwartung:  25 Jahre

Jungtiere: Vor zwei Wochen wurde Giraffenmädchen Bine geboren

Interessanter Nachbar:  Nacktmull

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