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Piranha

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (34): Der Piranha

Es war kein schöner Tod für die schöne Karin Dor.

Der Bösewicht Blofeld hatte die Gefahr kurz zuvor mit einem Satz angekündigt: „Piranhas können einen Menschen in 30 Sekunden bis auf die Knochen abnagen.“ Wenig spätere ließ er die Schauspielerin, rote Haare, rotes Kleid, in ein Bassin plumpsen, sie schrie noch einmal panisch auf, wurde nach unten gezogen und verstummte. Wasser schäumte, spritzte, wurde glatt – die Raubfische hatten ihre Schuldigkeit getan.

Die Szene spielt in „Man lebt nur zweimal“, einem Bond-Film mit Sean Connery. Und sie spielt mit einer Legende: Piranhas als gefräßige Monster, als blutrünstige Killer, als Schrecken des Menschen. Der Hai hat diese Rolle fürs Meer, der Piranha fürs Süßwasser. Merkwürdig nur, in Fernsehdokumentationen über das Leben am Amazonas, der Heimat vieler Arten dieses Sägesalmlers, sieht man Kinder im Fluss plantschen, Frauen waten darin, um Kleidung zu waschen oder Geschirr zu spülen. Und? Keine Angst vor Piranhas. Angriffe auf Menschen sind selten. Den schlechten Ruf haben wohl weiße Entdecker in die Welt gesetzt, angefangen von den Conquistadoren bis zu Reisenden wie Alexander von Humboldt.

Vielleicht schauen Piranhas deshalb so beleidigt drein: der starke Unterbiss gibt ihnen die Aura ständigen Missmuts.

Im Aquarium des Zoos teilen sie sich ein Becken mit anderen Raubfischen Südamerikas, Wolfssalmler, Kammbarsch, Gabelbart. Die heimische Landschaft simulieren Bromelien, Monstera und Philodendron. Gut 20 Piranhas schwimmen herum, von drei verschiedenen Arten: Roter (wegen der Färbung des Bauches), Gelber und Schwarzer Piranha. Obwohl, der eine Schwarze, da muss Revierleiter Marco Hasselmann lachen, der versteckt sich und ist nie zu sehen. Deshalb hat er ihn schon gar nicht auf die Erklärtafel für Besucher geschrieben. Würde schließlich nur Enttäuschung produzieren.

Während der Fütterung sind die Piranhas leicht auszumachen. Alle anderen Fische schlucken die ins Wasser geworfenen Plötzen, Brassen und Rotfedern am Stück. Piranhas dagegen beißen blitzschnell mit ihren scharfen Zähnen zu und drehen ein Stück Fleisch aus dem Körper ihrer Beute. So wie ein Kerngehäuseausstecher beim Apfel.

Jetzt aber endlich das Positive. Ja, sie sind (von der brummeligen Visage abgesehen) wunderschön. Der Körper ein dunkles platingrau und wie mit feinen Diamantsplittern bestäubt. Ja, sie sind überaus nützlich für das Ökosystem der von ihnen bewohnten Flüsse Südamerikas. Piranhas jagen die kranken, die schwachen Tiere, sie fressen auch Aas und verhindern damit Fäulnis und das Entstehen gefährlicher Keime; Experten sprechen von „Gesundheitspolizei“. Ja, sie selbst sind – wegen ihrer Polizeitätigkeit – pumperlgesund mit einem topstabilen Immunsystem, und Marco Hasselmann im Aquarium staunt immer wieder: Selbst tiefe Wunden heilen bei einem Piranha enorm schnell, sogar wenn durch einen kannibalistischen Biss ein ganzes Stück Fleisch fehlt, wächst es zügig wieder nach.

Es soll ja nicht verschwiegen werden, dass Piranhas im Schwarm jagen und „im Fressrausch“ (Hasselmann) mit ihren scharfen Zähnen mal einen Kumpel erwischen können.

PIRANHA IM AQUARIUM

Lebenserwartung:  etwa 25 Jahre

Fütterungszeiten:  Mo und Do ab 13:30 Uhr

Interessanter Nachbar: Paku (im Becken daneben), ein vegetarischer Sägesalmler

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