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Hat alle Jubeljahre Lust auf Sex: der Hornrabe.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (52): Der Hornrabe

Wenn das Männchen dem Weibchen ein Stück Blatt reicht, ist das pure Leidenschaft. Über einen Vogel, der scheu und manchmal ungeschickt ist.

Von Julia Prosinger

Nähern Sie sich der Volière am Schweinehaus ganz vorsichtig! Atmen Sie nicht, treten Sie ja auf kein Stöckchen, rascheln Sie bloß nicht mit den Regenjacken. Kinder lassen Sie am besten daheim. Andernfalls werden Sie ihn niemals sehen. Der Südliche Hornrabe ist scheu. So scheu wie sonst nur der Nördliche Hornrabe. Dazu später mehr.

Bei Schmuddelwetter können Sie gleich wieder umdrehen. Da liegt der bis zu sechs Kilo schwere Rabe drinnen im warmen Stroh, stopft Mäuse, Insekten und Obst in sich hinein und blinzelt mit den langen Wimpern, die aus Federn sind. Bei gutem Wetter können Sie vielleicht beobachten, wie er kurz den Specht macht: auf Holz klopft, um das Revier zu markieren. Vielleicht sehen Sie auch, wie der Hornrabenmann – zu erkennen am prunkvollen karminroten Kehlsack – der Hornrabenfrau – die mit dem tiefblauen Fleck am Hals – zur Balz ein Stück Maus oder ein Blättchen reicht. Mit besonders viel Glück hören Sie die beiden dumpf rufen: „Hoo Hoo Hoo-Ho“. Schallt an windstillen Tagen fünf Kilometer weit, klingt manchmal nach Löwe.

Von Kenia bis Angola bis Südafrika gelten die großen Vögel als heilig, weil sie Schlangen und Heuschrecken vertilgen. Im Zoo aber sind sie die reinste Fehlbesetzung. Erst letztes Jahr hat das unerfahrene Südliche Hornrabenpaar sein erstes Ei zertrampelt: Hornraben, auch Kaffernraben genannt, brüten kooperativ. In freier Natur leben sie in Gruppen, jedem Paar assistieren bei Nestbau – in Höhlen von Affenbrotbäumen –, Eiablage und Aufzucht mindestens zwei weitere Vögel. Oft schließen sich Hornrabenfamilien Zebra- und Antilopengruppen an, bei denen häufig Nahrung abfällt, oder sie unternehmen ausgedehnte Wanderungen und picken mit dem Aufsatz am Schnabel, dem Horn, Früchte auf. Manchmal ist eine ganze Familie beim Erlegen einer einzigen Schlange beteiligt. Selten fliegen die Wandervögel auch.

Klar, dass die Hornraben Öffentlichkeit meiden, sie bergen zwei dunkle Geheimnisse. Erstens: Sie sind die ärgsten Darwinisten. Der Kampf ums Überleben beginnt – sofort. Wenn die Hornrabenhenne Eier legt, meist zwei, dann ist das zweite Reserve. Es lebt nur für den Fall, dass das ältere Geschwisterküken hopsgeht, sonst stirbt es an Untergewicht. Da will man doch lieber gar nicht geboren sein! Hornrabenrettungsinitiativen nehmen den Tieren deshalb das zweite Ei weg und brüten es unter der Lampe aus. Und als sei dies nicht schon ineffizient genug, haben die monogamen Hornraben, zweites Geheimnis, nur alle neun Jahre mal Lust aufeinander. Aussterben vorprogrammiert. Immerhin behalten sie das Küken dann auch bis zu neun Jahre bei sich. Hornraben sind Glucken.

Apropos dunkles Geheimnis: Im Antilopenhaus beherbergt der Berliner Zoo auch die Nördlichen Hornraben (die sind nicht ganz so rot im Gesicht, und das Horn auf dem Schnabel schaut aus wie abgesägt). Monatelang lebte dort ein scheues Paar friedlich beisammen, nun hat der Hahn seine Henne erlegt. Möglicherweise wollte er die Neunjahresfrist verkürzen, oder sie hatte als ehemalige Handaufzucht Probleme, seine zaghaften Avancen hornrabengerecht zu erwidern. Sie starb an den Folgen eines massiven Schädeltraumas.

HORNRABEN IM ZOO

Lebenserwartung:  40–60 Jahre

Fütterungszeiten: vormittags

Interessanter Nachbar: Schneeeule, Brasilianischer Sperlingskauz, Antilope

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