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Winzig, plüschig, gemein: Rüsselspringer.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (53): Der Kurzohr- Rüsselspringer

Sie werden höchstens 15 Zentimeter lang, können aber ruppig gegenüber ihrem Partner werden. Rüsselspringer kennen kein Pardon.

Der Rüssel zuckt auf und ab, wittert aufmerksam. Die Schnurrbarthaare tasten. Frau Kurzohrrüsselspringer niest. Dann prescht sie los, krallt sich das Heimchen, das ahnungslos unter dem Stein hervorkriecht. Als Allesfresser bevorzugt sie Insekten, stöbert Ameisen auf, Termiten, Würmer. Den bunten Salatteller verweigert der plüschige Winzling heute, knabbert nur am Stück Rindfleisch. Zusammengekauert sitzt das Weibchen neben ihrem Futternapf, schiebt die winzigen Füße dicht zusammen und macht sich kugelrund. „Wie filigran und wohlgeformt, gleich einem runden Hamster mit Schwänzchen“, schwärmt Tierpfleger René Viete.

Ihren Partner hat Frau Rüsselspringer geliebt, Kinder mit ihm gezeugt: zwei kleine Nestflüchter. Bei der Geburt wogen sie schlanke neun Gramm. In einem Monat vervierfachten sie sich, maßen am Ende zehn bis 15 Zentimeter, vom Kopf bis zum Rumpfende. Die „Kurzohren“ gehören damit zu den kleinsten ihrer Familie. Unter den Säugetieren bilden Rüsselspringer eine eigene Ordnung.

Nach sechs Wochen ist der Nachwuchs geschlechtsreif. Spätestens dann leidet das Verhältnis zu den Eltern. Die Kleinen ziehen aus. Tierpfleger René Viete muss höllisch aufpassen, sagt er. Leicht können die zarten Streichholzbeine des Rüsselspringers brechen, wenn er die Tiere fangen muss, um das Geschlecht zu bestimmen oder sie in andere Tierparks auszuquartieren. Dünn wie ein Strohhalm sind die hinteren Gliedmaßen, fast doppelt so lang wie die vorderen.

Kaum waren die Kinder aus dem Haus, erlosch die Liebe der Eltern – zumindest von ihrer Seite. Herr Rüsselspringer ging ihr auf die Nerven. Sie wurde streitlustig, schlug ihr Raubtiergebiss in sein zartes Bein. Autsch. Doch am Ende war seine Todesursache nicht die entzündete Wunde am Gelenk, sondern das Alter und zu viel Stress. Dass Frau Rüsselspringer heute Witwe ist, weiß sie nicht. Sie ist ohnehin lieber allein und nur zur Paarungszeit auf Partnersuche.

Die Langnase gähnt unter ihrer Heizsonne. Ob sie von der Heimat Namibia, dem südlichen Botswana und dem westlichen Südafrika träumt? Rüsselspringer huschen schon seit über 30 Millionen Jahren durch die Wüsten. Da sie sich während dieser Zeit kaum verändert haben, gelten sie als „lebende Fossilien“. Die Knirpse mit Knopfaugen und Mini-Ohren sind flink, der Name irreführend. Statt zu springen, rennen sie leichtfüßig über den Boden und erreichen dabei Geschwindigkeiten bis zu 20 Kilometer pro Stunde. Hindernisse? Aus dem Weg! Mit freigeräumten „Schnellstraßen“ verbinden sie die perfekte Sandbadestelle und ihr Jagdgebiet mit ihrem selbst gegrabenen Bau – Notausgänge und Fluchtwege inklusive.

Laut DNS-Analysen haben die zarten Fellkugeln einen gemeinsamen Ursprung mit Seekühen, Erdferkeln und Elefanten. Tatsächlich sollen sie mit den berüsselten Dickhäutern näher verwandt sein als mit der optisch ähnlichen Spitzmaus. Immerhin im Tierpark sind sie Nachbarn mit den Rüsseltieren. Ihre gläserne Vitrine liegt direkt hinter dem Elefantenhaus. Und Verwandtschaft hin oder her: Bekannt sind Kurzohrrüsselspringer auch unter einem anderen Namen – Elefantenspitzmaus.

KURZOHRRÜSSELSPRINGER IM TIERPARK

Lebenserwartung:  1–3 Jahre

Fütterungszeiten:  täglich gegen 10 Uhr

Interessanter Nachbar: Kreta-Stachelmaus, Levante-Wühlmaus, Tamandua

Isabel Stettin

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