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Gehörnter Riese: Der Kaffernbüffel.

© Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (58): Der Kaffernbüffel

Ein Name als Politikum: Wie der Kaffernbüffel von seinem Schicksal so gar nichts ahnt.

Von Julia Prosinger

Ach Arno, sei froh, dass du nichts ahnst. Davon, dass du, wiederkäuend, rotzversprühend, ein-bisschen-strenger-als-Rind-riechend, mit Hörnern, die sich wie kraftvolle Locken von deiner Stirn hinabstürzen, ein politischer Skandal beim Tierparkbesuch bist. Weil du einen Namen trägst, der nicht sein darf.

Nein nein, Arno darfst du schon heißen. Auch deine vier Ehefrauen, Luanda, Kigali, Lani und Kiara, deine babyflaumigen Kinder Ameena, Lewa und Kirundu haben schöne Namen aus eurer Heimat Ostafrika. Aber, alter schwarzer Arno, du bist ein Kaffernbüffel.

Und Kaffer kommt vom arabischen „kafir“ für „Ungläubiger“, wurde zur Bezeichnung für die nicht islamisierten Schwarzen im Süden Afrikas, schließlich von den Weißen in Zeiten der Kolonialisierung als Schimpfwort verwendet. In Südafrika und Namibia ist der Begriff heute per Gesetz verboten.

Wo nur bleibt der Aufstand, Arno? Der Rassismen in Kinderbüchern haben sich doch auch so viele angenommen. Ungerührt streicheln Kinder in den Zoos dieser Welt Mohrenmakis (Affen), fürchten Mohrenkaimane (Alligatoren), sehen Mohrenfaltern und Mohrenlerchen beim Fliegen zu. Niemals haben Aktivisten vor Arnos Gehege demonstriert, niemals nachts sein Namensschild umgesprüht. Musst du, 16 Jahre alter Kaffernbüffel, ein Leben lang rassistisch heißen?

Dabei bist du, heumampfender, fast haarloser Arno, doch einer der Big Five – der Tiere, die es bei einer Safari zu erspähen gilt. Manchmal sieht man deine tonnenschweren Verwandten in Herden von Tausend durch die Grassavanne ziehen, Seit’ an Seit’ mit eleganten Zebras und anmutigen Gnus. Sieht, wie deine Onkel mit ihren mächtigen Schädeln die Rangordnung ausfechten. Du bist, sagt Säugetierkurator Christian Kern, gar eines der gefährlichsten Wesen des Tierparks.

Nur deine Frauen sind noch fürchtenswerter: Mütter beschützen ihre Kälber, die ganze zwei Jahre eng bei ihnen aufwachsen, nicht nur bei Angriffen. Sie gehen auch präventiv auf jeden vermeintlichen Eindringling los. Mit Horn und Kampfgewicht machen Kaffernbüffel jeden Löwen platt, deshalb sind Parasiten ihre wahren Feinde. In freier Wildbahn säumt ihre Wirbelsäule oft eine Familie Madenhacker, die sich von den Zecken in der Haut der Paarhufer ernähren. Der Mensch jagt Arnos Verwandte für Fleisch und Horn.

In Schweden, wo sie immer alles richtig machen, hat die Ornithologische Gesellschaft kürzlich zehn Vogelarten umbenannt. Ziganerfageln (Zigeunervögel) heißen jetzt Hoatzin, Negerfinken „Negrita“. Die Hottentottenente wird nur noch im Deutschen so bezeichnet. Und – aufgemerkt – der „Kaffernsegler“ hört nun auf den charmanten Namen Weißbürzensegler.

Im Fall des Kaffernbüffels würde die Sache allerdings kompliziert. Nach den Regeln der ICZN, zuständig für zoologische Nomenklatur, also dafür, dass jedes Tier einen eigenen wissenschaftlichen Namen erhält, kann er nicht neu benannt werden. Denn das Kaffer steckt schon in seinem lateinischen Namen „syncerus caffer“, das ist nicht mehr rückgängig zu machen. Armer Arno.

KAFFERNBÜFFEL IM TIERPARK

Lebenserwartung:  bis 30 Jahre

Seltenheit: in Deutschland hält die schweren Huftiere außer Berlin nur Nürnberg

Interessante Nachbarn: Zwergflamingos, Husarenaffen

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