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Tritt auch mal schmerzhaft zu: das Rote Riesenkänguru.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (67): Rotes Riesenkänguru

Von wegen süße Wiesenhüpfer. Die Kängurus können schon mal ordentlich Schläge verteilen und opfern im Notfall ihren Nachwuchs.

Dies ist nicht die Geschichte des angeblich so schnuckeligen Wallaby- Kängurus Monti, das gerade im Tierpark der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, das von Hand aufgezogen und deshalb vielleicht so populär wird wie damals Knut, bloß hoffentlich länger lebt. Nein, dies ist die Geschichte der viel imposanteren, ja einzig wahren Känguru-Art, des größten lebenden Beuteltiers – des Roten Riesenkängurus. Und das findet man in Berlin nur im Zoo.

Besser gesagt: auf dem Erweiterungsgelände des Zoos jenseits der Lichtensteinbrücke ganz im Nordosten, wo die Besucher vor allem hinkommen, wenn sie sich verlaufen oder eben Rote Riesenkängurus sehen möchten. Wegen der Pampashasen oder der japanischen Waldziegenantilope ja wohl eher nicht, das gibt selbst Reviertierpfleger Christian Möller zu, der das gesamte Areal betreut.

Acht Rote Riesen leben derzeit im Gehege, bald wird einer gehen müssen, das männliche, noch namenlose Jungtier nämlich, sobald Alphamann Sydney realisiert, dass da ein geschlechtsreifer Konkurrent herangewachsen ist. Das mit dem Realisieren kann allerdings dauern, sagt Möller. Manchmal begatte das junge Männchen bereits wochenlang Weibchen, bis das Alphatier begreife, was Sache ist. Zu den Klügsten gehören die Kängurus definitiv nicht.

Sydney erkennt man von Weitem. Während die anderen Tiere die Wiese abgrasen, liegt er lässig in der Mitte, die extralangen Hinterläufe weit von sich gestreckt, den muskulösen Oberkörper auf den Ellenbogen des angewinkelten Vorderarms gestützt. Sieht aus wie der hinterletzte Provinzproll, der am Badesee den Mädels zuzwinkert.

Diese Muskeln nimmt man besser ernst, sagt Christian Möller. Vor Jahren war ein Kollege unvorsichtig und vergaß, ein Zwischengatter zu schließen. Er wurde meterweit durch die Luft getreten, krachte in den Metallzaun.

Rote Riesen können drei Meter hoch und sagenhafte 15 Meter weit springen. Die Gräben und Zäune ihres Geheges nähmen sie mit Leichtigkeit, allein: Sie tun es nicht, weil sie nicht wissen, was sich dahinter verbirgt. Kängurus sind nicht nur muskulös, sondern auch ängstlich.

Und sehr fertil. Ein Weibchen kann drei Junge gleichzeitig haben. Eines im Beutel, ein schon draußen rumhüpfendes plus eines im Embryonalstadium, das bereits aus knapp 90 Zellen besteht und sich so lange nicht weiterentwickelt, bis das Geschwister im Beutel diesen verlässt. Dorthin muss es nach der Geburt allerdings allein finden. Die sechs Zentimeter von Scheidenausgang bis Beuteleingang klettert es am Fell entlang. Nach allem, was man weiß, folgt es dem Geruch. Fällt das Neugeborene zwischendurch herunter, hilft die Mutter nicht, sondern gebärt bald das nächste. Eine Menge Jungtiere geht auf diesem Weg verloren, sagt Möller.

Mit der Mutterliebe ist es bei Kängurus ohnehin nicht so weit her. In freier Wildbahn wenden die Weibchen, wenn sie von Dingos verfolgt werden, eine ziemlich erfolgreiche Taktik an. Während des Weghüpfens greifen sie in den Sack und ziehen ihr Kleines raus, das werfen sie dem Räuber als Ablenkung zum Fraß vor und verduften.

ROTES RIESENKÄNGURU IM ZOO

Lebenserwartung:  24 Jahre

Fütterungszeiten:  abends, um es in den Stall zu locken

Interessanter Nachbar: Przewalski-Pferd, Japanische Serau

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