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Ein Überlebenskünstler: das Trampeltier.

© Illustration: Andree Volkmannl

Berliner Schnauzen (72): Das Trampeltier

Sie haben ledrige Füße, die im Sand einsinken. Ihr eleganter Gang erinnert an Heidi Klum. Trotzdem leiden Trampeltiere unter einem schlechten Image.

Der Mann fehlt, wo ist der Mann? An diesem Vormittag tummeln sich auf der Wiese des Tierparks nur sechs Stuten und ein Jungtier, geboren im März; dazu einige Pfleger, die mit Rechen und Schubkarren Kot einsammeln und zwischendurch eine der knienden Damen kräftig am Hals kraulen.

Der Mann ist weggesperrt. Sicherheitsgründe, solange sich Mitarbeiter hier zu schaffen machen – die Brunft macht den alten Knaben aggressiv. Roy, geschätzt auf mindestens 25 Jahre, ist für ein Trampeltier langsam im Greisenalter, aber immer noch lendenstark.

Wäre ein zweiter Kerl im weitläufigen Gehege, die beiden würden sich beißen bis zum bitteren Ende des einen, denn Trampeltiere pflegen den Harem als Gesellschaftsmodell. Und Fliehen vor dem Stärkeren geht ja nur in freier Wildbahn.

Die zauberhafteste Formulierung über diese Tiere findet sich auf der Webseite des Frankfurter Zoos: „Die Familie der Kamele gehört innerhalb der Ordnung der Paarhufer zur Unterordnung der Schwielensohler.“

Kleiner Tipp: Diesen Satz laut vor sich hinsprechen, und es entflammt eine große Liebe zum: Schwielensohler! Breite, ledrige Füße haben die, wodurch sie nicht im weichen Sand einsinken.

Nun aber gleich mal grundsätzlich geklärt, wie das mit den Höckern ist. Also: ein Höcker auf Kamel = Dromedar (arabischer Raum), zwei Höcker = Trampeltier (asiatischer Raum).

Im Tierpark gehört die südliche Wiese den Dromedaren, die nördliche den Trampeltieren, ein gut getarnter Graben trennt die beiden.

Käme es nämlich zu sexuellen Ausschweifungen, würde ein Tulu geboren, ein Kamel von kräftigem Wuchs (vom Trampeltier) und einem sehr großen Höcker (vom Dromedar). Will in Zoos keiner haben.

Das Image des Trampeltiers ist eh schon nicht das beste. „Du Trampel“ ist das Synonym zu „Elefant im Porzellanladen“. Wie ungerecht! Denn der größte Paarhufer der Welt setzt seine Füße Heidi-Klum-artig-graziös auf den Boden, auch in unwegsamem Gelände sind die Schwielensohler absolut trittsicher.

Sicher, die Beine wirken arg dünn zum mächtigen Leib, der Hals ist gebogen wie der Syphon eines Waschbeckens, der Unterkiefer schiebt beim Zermalmen des Grases waagerecht hin und her, was ziemlich täppisch aussieht.

Und doch ist Camelus ferus f. bactrianus ein Wunder der Evolution: Bei Sandsturm schließt es die Nasenlöcher und legt die langen Wimpern über die Augen; bei stacheligem Geäst zupft es mit gespaltener Lippe einzelne Blätter ab; und wenn es lange nichts getrunken hat, schlürft es im Handumdrehn mehr als hundert Liter Wasser weg.

Noch so ein Imageding: Während das Pferd als edles Reittier gilt, wird vielen auf Kamelen speiübel. Karl May schrieb, man könne dabei „die Seekrankheit kennenlernen, auch ohne einen Tropfen Salzwasser gesehen zu haben“.

Liegt am Passgang. Die Schwielensohler bewegen im Wechsel die linken und die rechten Beine nach vorn, sie schwanken und gelten als „Wüstenschiffe“.

Bleibt ein großer Mythos, den der Kurator Christian Kern, 34, ausräumen will. In den Höckern wird nicht Wasser gelagert, sondern Fett. Und wenn ein Höcker schlapp herunterhängt, ist er nicht leer, er leidet an Bindegewebsschwäche. Dieses Problem kennen Menschen an gewissen Stellen auch. TRAMPELTIER IM TIERPARK

Lebenserwartung:  etwa 25 Jahre

Fütterung:  im Freien gegen 10 und 17 Uhr

Interessanter Nachbar: Sekretär

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