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Toller Typ: der Milchuhu.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (74): Der Milchuhu

Ein majestätisch verknautschtes Gesicht: Diese Eule ist die Dragqueen der afrikanischen Nächte.

Milch? Na ja, vielleicht wenn man Milch mit Honig verrührt und drei Wochen stehen lässt ... Wer bei dem Namen Milchuhu an ein strahlend weißes Tier denkt, dürfte sich jedenfalls wundern, wenn er zum ersten Mal in die Voliere im Tierpark schaut.

Fleckig grau sitzen die beiden Vögel in ihrem achteckigen Käfig. Jedes Tier auf einem eigenen Ast, die Augen auf Halbmast, den Kiefer an die Brust gezogen. Auf den ersten Blick wirkt das majestätisch, aber auf den zweiten sorgt das verknautschte Gesicht zusammen mit den hellrosa Augenlidern dann doch für einen reichlich ulkigen Eindruck. Ein bisschen, als hätte sich Helge Schneider für eine Rolle als Transvestit in „Ein Käfig voller Narren“ verkleidet.

Wer Männchen und wer Weibchen ist, lässt sich dann auch wirklich nicht auf Anhieb erkennen. So ähnlich ist sich das Vogelpaar. „Die Weibchen sind im Vergleich allerdings etwas größer“, erklärt Martin Kaiser, der Vogelkurator, und räumt dann mit einem großen Irrtum auf.

Dass Eulen – der Uhu ist wie das Käuzchen eine Unterart – gut hören können, ist bekannt. Aber die Büschel, die oben auf dem Kopf sitzen und wie Ohren aussehen, sind gar keine. „Das ist nur Schmuck“, sagt er.

Die echten, schlitzförmigen Ohren säßen links und rechts am Gesicht, verborgen unter dem Gefieder, das weich ist wie Samt, was einen fast geräuschlosen Flug möglich macht. Großer Vorteil beim Jagen von Mäusen, Ratten oder Küken, die die Tiere auch im Tierpark bekommen – allerdings nicht zum Jagen, sondern bereits tot in den Käfig gelegt. Lebende Tiere zu verfüttern, ist verboten.

Bei Sammlern beliebt

Das ist verständlich, hat aber natürlich Auswirkungen auf den Kalorienhaushalt, und deswegen ist für die Milchuhus an zwei bis drei Tagen in der Woche eine Fastenkur angeordnet. Zu dick sollen die Vögel, die zwischen 50 und 65 Zentimeter groß sind und bis zu drei Kilo wiegen, nicht werden. Die Flügelspannweite erreicht bis zu beeindruckende zwei Meter.

Der aus Afrika stammende Milchuhu ist recht selten und deshalb nicht nur beim Publikum beliebt, sondern auch bei Sammlern. Auf dem Schwarzmarkt kann ein Tier mehrere tausend Euro kosten. 2006 verschwand dann auch gleich mal ein Paar aus dem Tierpark, erzählt Kaiser.

Einbrecher knackten die Voliere und fingen die Tiere ein. Ein paar Wochen später wurden sie gefasst. Ein Züchter aus Belgien hatte sie beauftragt, kam heraus, die Tiere waren allerdings weg.

So wie der Uhu in Europa überhaupt mal. Da das Tier als Unglücksvogel galt, der den Jägern darüber hinaus auch noch kleine Jagdtiere wegschnappt, war er in Europa zeitweise fast ausgerottet.

Drehen bis zu 270 Grad

Hoppala. Was ist jetzt? Plötzlich wacht der kleinere der beiden Milchuhus auf. Die Augen fixieren streng einen Hund, der mit seinem Herrchen am Käfig vorbeispaziert. Langsam folgt der Vogelkopf, der sich bis zu 270 Grad drehen lässt, dem Vierbeiner. So viel Beweglichkeit muss sein bei ansonsten starren Augen. Dann ist der Hund weg, und der Uhu sitzt wieder wie festgeklebt auf seinem Ast.

Ob diese Eigenheit den Hersteller des gleichnamigen Leimes zum Namen für sein Produkt inspirierte, ist nicht überliefert. Möglich wäre es.

MILCHUHU IM TIERPARK

Lebenserwartung:  bis zu 60 Jahre

Gelege:  38–39 Tage dauert die Brutzeit.

Interessanter Nachbar: Falkland-Karakara, Harpyie, Schneeziege

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