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Knuddlig: das Meerschweinchen.

© Illustration: Andree Volkmann

Berliner Schnauzen (87): Das Meerschwein

So vielseitig einsetzbar: Die kleinen Nager sind Haustier, Röntgengerät und Lebensmittel in einem.

Das Meerschweinchen als Haustier – ein Missverständnis. Das Flauschknäul soll überall mit hin, in den Kindergarten, auf die Schaukel, ins Bett. Begeistert stopft das Kind den kleinen Flitzer mit Salat und Gurke voll und wundert sich, dass der plötzlich so quengelig in der Ecke liegt. Zu viel Saftfutter verträgt es nicht, „ein Meerschwein kann innerhalb weniger Stunden an Blähungen krepieren“, sagt Kurator und Tierarzt André Schüle. Er kümmert sich neben allerlei großen Tieren auch um den „Tierkinderzoo“.

Hier können die kleinen Besucher Ziegen, Schafe und Ponys streicheln. Die Meerschweinchen, ein Highlight im Kinderzoo, sind mit Gittern geschützt. Zu oft hat der Fuchs sie enthauptet, die Krähe ihnen den Schädel gespalten. Wie kann man sie nur töten, diese braun-weiß gefleckten Quieker, die weder Hamster noch Ferkel sind? Ihren Namen tragen sie, weil sie grunzen wie Schweine und über den Atlantischen Ozean nach Europa kamen.

Zu Hause, in Südamerika, landen sie auf dem Grill: Ihr Fleisch ist billiges Protein für die Bauern, eine Delikatesse in Restaurants und für das Hochzeitsmahl ein Muss. Peru ist Marktführer in der Massenzucht der Cuys, Riesenmeerschweine, aus denen die kleineren Hausmeerschweinchen gezüchtet wurden.

Den französischen Seefahrern boten sie Nahrung, die Holländer haben sie domestiziert. Doch Haustiere waren sie schon um 5000 v. Chr. und gehören so zu den ältesten der Welt. Die Inka opferten sie ihrem Sonnengott Inti, für Medizinmänner war das Tier ein Röntgengerät. Der Heiler hielt es in den Händen und führte es über den Körper des Kranken. Danach schlitzte er es auf. Es hieß, die Organe des Meerschweins würden die Infektion des Menschen annehmen.

Ständig wachsende Zähne

Wird es nicht durch einen Medizinmann getötet, stirbt das Meerschwein häufig an fiesen Gebilden im Mund, da seine Zähne pausenlos wachsen. Können sie sich nicht abreiben, verhaken sie sich über der Zunge oder stechen aus dem Kiefer in die Backen. Zum Ärger vieler Eltern knabbern die Nager in der Wohnung deshalb Tische und Sofas an.

Sonst futtern sie Heu und Kräuter und die eigenen Köddel. Genauso wie Flusspferde sind Meerschweine Koprophagen, sie fressen ihren Kot oder den eines gesunden anderen Tieres, um so Bakterien aufzunehmen, die ihr Darm nicht selbst entwickelt.

Kein Kuschler

Allein macht das Haustier wenig Freude. Es kuschelt nicht gern, springt vom Arm, quiekt und rennt herum wie ein Verrückter. In Gesellschaft fühlt es sich wohl. Wilde Meerschweine leben in Sippen, das Männchen baut sich einen Harem auf. Ein Nachwuchsparadies: Es begattet viele Weibchen mit kurzem Zyklus. Ein bis sechs Junge werfen diese nach etwa zehn Wochen. Schon bald flüchten die Kleinen aus dem Nest, die Männchen wandern ab. Sonst beißt der Stärkere das Schwächere manchmal tot.

Hausmeerschweinchen vertragen sich auch mit mehreren Männchen, solange sie sich in Pappkartons oder Nester zurückziehen können. Wenn sich zu Hause keiner kümmert, nehmen sich Tierliebhaber wie die „Meeri-Nanny“, im Internet buchbar, der Vergessenen an. Und die Armen im Zoo? Dort haben die 14 Quieker derzeit richtig Spaß.

MEERSCHWEINCHEN IM ZOO

Lebenserwartung:  2 bis 4 Jahre

Besonderheit: Im Sommer bekommen sie eine Meerschweinstadt im Kinderzoo.

Interessanter Nachbar: Zwergesel

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