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Rothunde im Berliner Tierpark. Ohne Familie geht bei diesen Wildhunden nichts.

© imago/Olaf Wagner

Berliner Schnauzen: Vergesst Neukölln! Das ist Berlins härtester Familienclan

Einen schlechten Ruf haben sie schon, seit sie das erste Mal Medienaufmerksamkeit bekamen. Dabei sind Lady Cool und ihre Gang eine ganz normale Familie.

Berlins härtester Familienclan hat sein Revier gleich hinter dem Hyänengehege. Dort liegt die Hood von Lady Cool und ihrer sechs Jungs, und wäre die nicht von einem fast drei Meter hohen Zaun umgeben, würde der ganze Tierpark zur No-Go-Area werden.

Dabei wirkt diese Großfamilie auf den ersten Blick nicht gefährlich. Mit weniger als einem halben Meter Schulterhöhe und dem rotbraunen Pelz, der am Bauch weiß wird, ähneln sie zu groß geratenen Füchsen. Doch sie sind Rothunde – und sie mit Füchsen zu verwechseln, wäre ein Fehler.

Einen schlechten Ruf haben die Rothunde schon, seit sie das erste Mal Medienaufmerksamkeit bekamen: Auf einem Gemälde von 1807 jagt eine Meute einen Tiger. Eine Welle aus Rostfell und Zähnen schlägt an den Hintern der Großkatze, und wollte man ihren Blick interpretieren, müsste man sagen: Die weiß, dass es gleich aus ist. Alte Dame von Wald-Gang überfallen.

Bis sie 1972 geschützt wurden, war in Indien auf Rothunde ein Kopfgeld ausgesetzt. 25 Rupien gab es für jedes getötete Tier, bis so viele Kadaver abgegeben wurden, dass man die Belohnung auf 20 Rupien verringerte. Als „Rote Teufel“, „Dschungelteufel“ oder „Teufelshunde“ sollen sie verschrien gewesen sein.

Sozialer als Wölfe

Könnte man Alphaweibchen Lady Cool fragen, sie würde das alles bestreiten. Erstens, würde sie sagen, kämen sie gar nicht aus Indien, seien keine Dekkan-Rothunde, sondern Kiangsi-Rothunde aus China, und zweitens seien diese Anschuldigungen nichts als schlimme Vorurteile. Sie und ihre Jungs, würde sie sagen, seien eine ganz normale Familie.

Ohne Familie geht bei diesen Wildhunden tatsächlich nichts. „Ein Rothund allein“, sagt Kurator Florian Sicks, „ist eigentlich kein Rothund.“ Alles im Leben der Tiere dreht sich ums Rudel, und manche sagen sogar, dass sie sozialer als Wölfe sind, weil die Rudel weniger starr strukturiert sind. Dominante Rothunde müssen andere nicht dominieren, um respektiert zu werden.

Wenn man dem Rudel so zusieht, wie es in dem Teich in der Mitte ihres Geheges badet, wie die Jungtiere einander über Baumstümpfe jagen und fast bis an die Kante des Zauns springen, man könnte sie fast für kuschlig halten. Die Besucher am Rand des Geheges strecken ihre Hände an den Zaun, versuchen so, die Hunde dazu zu bringen, Kunststücke zu machen.

Das Recht des Stärkeren? Egal!

Doch es hat schon seinen Grund, warum die Tierpfleger nie ins Gehege gehen, wenn die Hunde drin sind. Das Familienleben der Rothunde beschränkt sich nicht nur aufs Kindererziehen und Schnauzenlecken. Auch bei der Jagd gilt das alte Berliner Sprichwort: „Bildet Banden!“

Rothunde sind Hetzjäger. Mit lauten, spitzen Schreien laufen sie – „KaKaKaKaa“ – ihrer Beute hinterher und verfolgen diese bis zur Erschöpfung. Im Team können sie so Tiere erlegen, die ihre eigene Körpergröße übersteigen. Das Recht des Stärkeren ist den Rothunden egal. Das Rudel überrennt seine Beute einfach. Für einen Kehlenbiss sind ihre Kiefer zu klein, die Hunde töten durch Ausweiden.

Und obwohl kein Fall bekannt ist, in dem Rothunde, wie auf dem Gemälde von 1807, einen Tiger töten, suchen große Raubkatzen oft das Weite, wenn eine dieser Banden auftaucht.

ROTHUND IM TIERPARK

Lebenserwartung:  15 Jahre

Interessanter Nachbar: Honigdachs

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