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Die französische Moderatorin Nathalie Licard weiß, warum Deutsch unsexy klingt.

© promo

Deutsch für Franzosen: Es ’at geprickölt: Nathalie Licard über ein Leben mit Accent

Ihre Stimme verzauberte Millionen Deutsche – allen voran ’Arald Schmidt. Jetzt fordert die Französin einen Deklination-Freischein für alle Ausländer.

Von Julia Prosinger

Deutsch habe ich in der ’Arald-Schmidt-Show gelernt. Ich war 30 Jahre alt, eigentlich zum Zusammenbauen von Tischen und Stühlen mit ein paar Studenten eingestellt, bevor die Show überhaupt losging. Alors, dann haben der Produktionschef von Brainpool, die Autoren und ich uns so gut verstanden, dass ich bleiben durfte. Und als ’Arald auftauchte, wollte er dieser armen, hilflosen Französin mit ihren 20 Wörtern Deutsch sofort helfen.

Ich war damals nach meinem Studium – ein bisschen französische Literatur und Sozialmanagement – für einen Mann nach Deutschland gekommen. Ich würde nicht sagen der Liebe wegen, man muss nicht immer so übertreiben. Heute gebe ich ihm die ganze Schuld für den erbärmlichen Zustand meiner Deutschkenntnisse. Er hat mich nie korrigiert, auch nicht, wenn ich mal wieder Scheibe und Scheide verwechselte. Weil er, wie alle, meinen Accent so très charmant fand. Für Unterricht hatte ich nur wenig Geld.

Ich habe keinerlei musikalisches Gehör, als Kind schon war ich beim Klavierspielen eine internationale Katastrophe. Ein ähnlich ungeeigneter Klient war ich für ein Leben in Deutschland. Für mich war es deshalb ein inneres „Wetten, dass ..?“. Schaffe ich es, hier in Deutschland zu existieren?

Der Status Immigrant hat mir sofort gefallen. Plötzlich war ich nicht mehr eine von vielen Französinnen, sondern DIE Französin. Was ich erfahren habe, war positiver Rassismus. Penetranter positiver Rassismus. Toller penetranter positiver Rassismus. Ihr Deutschen assoziiert mit meinem Klang Savoir-vivre, Urlaub, leben wie Gott in Frankreich, la révolution, culture und natürlich – ihr glaubt, wir seien alle fantastische Liebhaberinnen.

Günther Jooohhch, das hätte ich verstanden

Wenn ich in Deutschland auf andere Franzosen treffe, sind die oft sehr erstaunt: Du sprichst ja wirklich so! Irgendwann habe ich kapiert, dass das, was alle für meinen starken französischen Accent halten, ein südwestfranzösischer ist. Wir in meiner Heimatstadt Dax sagen nicht „du lait“, also „dü lähh“, wie die Pariser, sondern „dü leeeh“. Das habe ich ins Deutsche importiert. Ich sage wirklich nach 25 Jahren in Deutschland noch immer Frooh statt Frau.

Einmal ist mir etwas Peinliches passiert. Die Kollegen von der ’Arald-Schmidt-Show haben mich ausgerechnet an den Empfang gesetzt. Ich glaube, sie fanden es lustig, dass ich zunächst nur Bahnhof verstanden und die Anrufer immer nach Gefühl weiterverbunden habe. Dann rief plötzlich ein Günther Jauch an und wollte doch tatsächlich fünf Tickets noch für denselben Abend. Ob er allen Ernstes denke, das ginge so einfach, fragte ich den fremden Anrufer empört.

Irgendwann vernahm ich das Wort „Gast“, und da dämmerte es mir: Das war der Mann, der am selben Abend in der Sendung zu sehen sein würde. Warum hat er es nicht gleich gesagt?! Günther Jooohhch, das hätte ich verstanden. Meine Kollegen am Nebentisch sind vor Lachen schier zusammengebrochen. Er fragte sich, ob wir ihn verarscht hätten.

Walk, work, wer soll da den Unterschied heraushören?

Stellen Sie sich vor, auch ich habe mit dem Accent von anderen zu kämpfen! Im Moment arbeite ich bei einem deutsch-französischen Projekt, wir produzieren eine Comedy-Serie, mehr darf ich dazu noch nicht sagen. Die Franzosen sprechen mit so viel Leidenschaft, dass die Deutschen kaum ein Wort dazwischenbekommen. Die Deutschen hingegen sagen wenig, aber wenn, dann sehr bestimmt. Was sind wir nur alles für Karikaturen!

Die Treffen laufen auf Englisch ab. Wenn die Franzosen sprechen, verstehe ich alles, wenn die deutschen Autoren reden, kann ich folgen, aber wenn die Engländerin redet, verstehe ich kein Wort. Ihr Accent ist für mich die Hölle! Und wenn ich etwas sage, lachen sich alle nur kaputt, dabei hatte ich, zu meiner Schande, Englisch als erste Fremdsprache in der Schule.

Entgegen dem, was alle denken, können viele Franzosen gut Englisch lesen und schreiben. Aber was ist das für eine Sprache, in der ich nicht deutlich machen kann, ob ich nun arbeite oder laufe? Walk, work, pardon, wer soll da den Unterschied heraushören? Und dann ist da noch diese Sprachmelodie, allein der Satz: „I would like a cup of teeeeeeea!“ Diese affektierten Wellen sind eine Beleidigung für unsere französischen Ohren. Für uns klingt das total obszön.

Das Französisch von ’Arald ist weit weg von perfekt

Deutsch jedoch hat eine schöne Melodie, wie ein Kunstwerk mit vielen Reliefs. Eins meiner Lieblingswörter im Deutschen ist Schublade. Mit meinem breiten Accent klingt das wie ein französisches Wort, das liegt mir gut im Mund. Ich höre förmlich die Zikaden. Alors, ich liebe auch Klamotte. Kla-Mot-Te, als würde man mit den Silben in Pfützen springen. Und dann ist da natürlich noch Schlompäh, also Schlampe, das hat jetzt nichts mit der Bedeutung zu tun. Glauben Sie mir, das klingt so süß für uns Franzosen, das rutscht so gut.

Wir Ausländer verstecken uns gern hinter der Ausrede, Deutsch klänge hart, nach Blitzkrieg und nach Achtung, Achtung. In Wahrheit sind es Akkusativ und Genitiv, dieser unnatürliche Satzbau und trennbare Verben, die alles tun, um das Deutsche unsexy zu machen. Als wären „der, die, das“ nicht schon genug. Ich fordere einen Freischein für alle Ausländer, was Deklinationen angeht! Ich habe darauf nüll Komma nüll Bock, ich widerstehe mit meinem ganzen Wesen.

Mein Glück ist, dass die Deutschen so dankbar sind, wenn jemand es wagt, sich in ihrer Sprache zu versuchen. Wir Franzosen hingegen sind streng. Wenn wieder mal ein Deutscher Mersi statt Merci sagt oder sasesür anstatt ca c’est sûr, lachen wir ihn aus.

Das Französisch von ’Arald ist übrigens weit weg von perfekt. Ich kann das jedes Mal überprüfen, wenn unsere Wege sich in meinem Kölner Viertel kreuzen, wo er gern unterwegs ist. Er ist dann braun gebrannt und erzählt von seinen Reisen.

Einen Traum habe ich noch. Ich möchte gern ein Interview mit Franck Ribéry machen, dem anderen germanophilen Franzosen. Ich bin schon fast fertig, es fehlen nur ein Kontakt zu ihm und ein Sender, der mitmachen würde. Vielleicht so: Franck, bitte melde dich!

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