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Starfriseur Daniel Johnson.

© Promo

Englands bekanntester Fußballerfriseur: Der Mann, dem Rooney seine Haare anvertraut

Daniel Johnson gibt dem Insel-Fußball seit Jahren seine wichtigste Stütze: den perfekten Halt der Spielerfrisuren. Auch bei der EM wird er Haare schneiden. Ein Termin mit dem Starfriseur in London.

Als dieses Jahr Leicester City überraschend britischer Fußballmeister wurde, staunte das ganze Land nicht nur über die blitzschnellen Konter, sondern auch die Frisuren der Spieler. Verteidiger Danny Simpson mit seinen abrasierten Haaren an der Seite, Stürmer Jamie Vardy mit den hoch gegelten Fransen.

In England wurden diese sofort in Hunderten Salons nachgestylt. In der Wirkung waren sie höchstens mit denen von Mario Balotelli vergleichbar, dem italienischen Stürmer, der für sein Temperament genauso bekannt ist wie für seine Haarschnitte. Als er für Liverpool spielte, trug er eine blond gefärbte Bürste auf dem Haupt, gern mit einrasierten Stammesmustern an den Seiten.

All diese Kunstwerke stammen aus der Hand eines Mannes: Daniel Johnson. Er ist nicht einfach Friseur, er ist Hair Stylist. Ein 35-jähriger Selfmade-Geschäftsmann, der früh im Leben wie dafür prädestiniert schien, tief zu fallen, und dank seines Traums mit Messer, Farbe und Schere aufgestiegen ist. Er hat schon für die Europameisterschaft 2012 das englische Team frisiert und wird auf der nun stattfindenden italienische, französische und englische Spieler betreuen. EM ist Hochsaison für Hochgegeltes.

Gentleman Schweinsteiger

Im Mai denkt Johnson noch nicht darüber nach. Es ist Freitagvormittag in London, die Ruhe vor dem Sturm. In ein paar Stunden wollen die Fußballer für das samstägliche Spiel getrimmt werden, damit sie auf dem Rasen der Premier League wie aus dem Ei gepellt aussehen. Zu seinen Kunden gehören Englands Nationalmannschaftsrüpel Wayne Rooney, der „Gentleman“ (Zitat Johnson) Bastian Schweinsteiger und der französische Nationalspieler Morgan Schneiderlin.

Der Promi-Friseur sitzt im Soho Hotel an der Bar, fünf Sterne und kein vernünftiger Kaffee. Johnson gibt seinen Mandel-Latte zurück, „ekelhaft“, sagt er, dann doch lieber englischen Frühstückstee.

Er wirkt wie ein Mann, der gern feinsinniger wäre, dem aber sein Körper einen Strich durch die Rechnung macht. Johnson ist bullig. Er sieht aus wie eine junge Version des Hollywoodstars Vin Diesel. Muskulöser Körper, glattrasierter Schädel, tätowierte Unterarme, die Haltung eines geduckten Löwen, der im nächsten Moment zum Sprung ansetzen könnte.

Der junge Kicker und die Ungeduld

Kurzhaarrüpel Wayne Rooney
Kurzhaarrüpel Wayne Rooney.

© imago

Nur brüllt er nicht, wenn er redet, sondern flüstert. Schwer kann man damit den lauten Auftritt in Einklang bringen, den er in seinem Werbevideo inszeniert. Daniel Johnson fährt darin mit einem Bentley die Auffahrt eines Herrenhauses hinauf, erteilt zwischen moderner Kunst Ratschläge per Mobiltelefon, trinkt im Salon Kaffee aus feinem Geschirr und zurück in der Stadt Wodka auf einer Party. Das ist keine britische Ironie, sondern Protz und Stolz. Wie sich auch die halbe Kickerwelt via Instagram präsentiert.

Aufgewachsen ist Johnson in St. Albans, wo es außer der guten Zugverbindung ins 35 Kilometer entfernte London und einem Fußballverein wenig Aufregendes gab. Also spielte er als Kind mit. „Ich war der lauteste auf dem Platz“, erinnert er sich. Er stürmte nach vorn, wo ihn alle sahen, weil er es nicht ertragen konnte, nur mitzuspielen und zu warten. Schieß den Ball rüber! Los! Und wenn einer es nicht tat, wurde Daniel Johnson wütend.

Frisuren wie Kris Kross

Ob er der beste Spieler war? Er zuckt mit den Schultern. Jedenfalls war er immer derjenige, dessen Eltern nie dabei waren, wenn er ein Tor schoss. Seinen Vater, einen Italiener, hat er in der Kindheit kaum gesehen, seine Mutter, eine Engländerin mit jamaikanischen Wurzeln, zog ihn allein auf. Sie musste arbeiten, um ihre Kinder durchzubringen, und konnte nicht am Spielfeldrand jubeln.

Damals in den frühen 90er Jahren liefen die ersten Hip-Hip-Videos im Fernsehen. Will Smith mit seinem Betonkastenschnitt auf dem Kopf, Kris Kross mit ihren Dreadlocks, die von einem akkuraten Mittelscheitel herabhingen. Solche Frisuren wollte der 12-Jährige in St. Albans auch gern haben, und weil niemand seine Haare schneiden konnte, wie er es sich das wünschte, kaufte er Klammern und Schere, experimentierte an sich und seinen Freunden. So habe das angefangen.

Der Druck, etwas aus dem Leben zu machen

Fransen-Champ Jamie Vardy von Leicester City.
Fransen-Champ Jamie Vardy von Leicester City.

© AFP

Dass aus dem Freizeitvergnügen ein Geschäftsmodell erwuchs, hat damit zu tun, dass aus dem guten Sportler ein ordentlicher Rabauke wurde. „Ich hasste die Schule“, sagt er heute. „Ich war ein bisschen…“ Arrogant? „Bestimmt.“ Schule schwänzen? Ja, klar. Hausaufgaben? Sinnlose Zeitverschwendung.

Lieber kostete er vom Leben, zu früh, zu unvorsichtig, mit 14 wurde er Vater – wie es in englischen Langeweilestädten gar nicht so selten passiert. Daniel Johnson befand sich auf einem Kollisionskurs mit Vernunft und Geduld. Von der Mutter seines Sohnes trennte er sich, das anfängliche Talent als Basketballspieler ließ er verkümmern. Der große Knall: Mit 16 flog er von der Schule. Nun stand ihm jede Laufbahn von Kellner bis zum Kleinkriminellen offen, Karrierekurve steil nach unten.

Der erste Salon im Schuhgeschäft

Hätte er nicht Verpflichtungen gehabt, wäre er vielleicht abgestürzt. Aber er musste und wollte seinen Sohn mit ernähren, er konnte ihm nicht dasselbe antun, was sein Vater ihm angetan hatte: ohne jemandem auf der Zuschauertribüne aufzuwachsen. Deshalb beschloss er, mit 16 einen Friseursalon in einem ehemaligen Schuhgeschäft zu eröffnen, das ein Bekannter der Familie schließen wollte.

Die Miete kostete 1000 Pfund im Monat, ein Haarschnitt 15 Pfund. „Ich habe 40, 50 Kunden pro Tag im Laden gehabt, manchmal sieben Tage die Woche gearbeitet, von neun Uhr morgens bis zehn Uhr abends.“ Das Geheimnis seines Erfolges? „Niemand war so sharp wie ich.“

Will meinen: die Nackenlinie, um die Ohren herum, den Bartansatz, diese Problemzonen behandelte er mit einer rasiermesserscharfen Eleganz. Nie besuchte er eine Friseurschule, heute ist er darauf stolz. „Deshalb schneide ich anders als die Anderen“, findet er.

Die Beckham-Revolution

Zur selben Zeit ereignet sich knapp 200 Kilometer nördlich eine kleine Revolution. In Manchester betritt ein junger Engländer den Rasen, der auf seine Balltechnik genauso viel Wert legt wie auf seine Haarspitzen: David Beckham. Er steigt zum Idol des Sports, der Mode, der gesamten Welt auf. Jede Frisur, der Skinhead-Look, der Irokesenschnitt, brachte einen Schwung junger Männer in Johnsons Friseursalon, allesamt mit Zeitschriftenbildern des Fußballstars in der Hand.

Nicht nur die Fans wollten plötzlich ihr Aussehen dem eines Models angleichen. Raubeinige Spieler machten sich zum ersten Mal mit teuren Pflegeprodukten vertraut. 25 Minuten Autofahrt entfernt trainierte der FC Watford, der in der zweiten Liga und dann in der Premier League spielte. Damit die Sportler nicht im Kundenbereich vorne warten mussten, baute der findige Friseurmeister einen VIP-Salon ein. Anfang des neuen Jahrtausends besaß er bereits vier Läden in St. Albans. Und die schloss er vor zehn Jahren.

Range Rover, Dolce & Gabbana und teure Uhren

Musterknabe Mario Balotelli.
Musterknabe Mario Balotelli.

© Getty Images

„Ein natürlicher Schritt“ sei das gewesen. Denn nun gab es nicht nur Spielerfrauen, sondern auch Fußballerfriseure. Diese neue Berufsgruppe reiste zu den Spielern nach Hause oder in die Hotels, vor der Tür parkten Ferraris.

Das wollte Daniel Johnson auch. Er spezialisierte sich. Weil er genug Geld mit seiner Laufkundschaft vom Fußballplatz einnahm, gab er die an der Einkaufsstraße auf.

Ein bisschen casual

Heute fährt er einen Range Rover, trägt eine Bikerjacke, eine teure Uhr, eine Hose von Dolce & Gabbana, eine Kette um den Hals. „Ein bisschen casual“, findet er sich, also eigentlich nicht vorzeigbar.

Er berät nun auch einige Kunden, was sie anziehen könnten, in seiner Internetshow „#Style“ lässt er sie auch zu Wort kommen.

„Als ich meinen Job anfing, sah jeder auf Friseure herab“, erzählt Johnson. „Heute ist Grooming, die Körperpflege, ein wichtiger Trend – und ich bin Teil davon.“ Sportler dürfen auf dem Rasen bluten, schwitzen und weinen, von den Plakaten für ihre Werbepartner müssen sie porentief rein lächeln. Am besten macht das Cristiano Ronaldo, den Daniel Johnson noch nicht in seiner Kartei führt, dem er trotzdem eine „präzise Frisur“ attestiert.

Millionenverdiener mit Millionen Anhängern

Geht es nur um Eitelkeit? Natürlich, sagt Johnson. Millionen Augen starren per Fernsehkamera auf die Millionenverdiener, die auf den grünen Rasen hinaustreten und von Millionen Anhängern auf Instagram angefeuert werden. „Viele lassen sich die Haare vor einem Spiel schneiden, weil sie dadurch Selbstvertrauen gewinnen.“ Leicesters Verteidiger Danny Simpson glaubt, ließe er sich nicht frisieren, schwände die Chance auf einen Sieg.

Deshalb sitzt Daniel Johnson in diesem Londoner Hotel. Rasierapparat, Rasiermesser, Klingen, Lotionen, Cremes von Tom Ford, Louis Vuitton oder Burberry, das alles wartet in seinem Koffer. Diese Woche reiste er nach Manchester, London, Newcastle, Leeds und wieder London.

Pop hat ein Budget

Manchmal wildert Johnson im Popgeschäft, für die Sängerin Tuliza von der Band N-Dubz hat er früher die Haare gemacht. „Nicht mein Ding. Pop hat ein Budget, Fußball ist High-End. Die Spieler bezahlen, was sie für richtig halten.“ Da kommt schließlich britische Diskretion durch. Preise verrät Johnson nicht, nur so viel: Schlecht geht es ihm nicht.

Gute Bezahlung gegen ästhetische Aufbauarbeit. Das ist der Deal. Wie sein Styling sich sportlich auszahlt, erlebt Johnson selten. Beim Anpfiff ist er schon oft auf dem Weg nach Hause. Daniel Johnson, der Fußballerfriseur, ist eines nämlich nicht: ein Fan mit Haut und Haaren.

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