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Hollywood-Ikone: Diane Keaton, 68, wurde 1972 mit „Der Pate“ bekannt und erhielt für „Annie Hall“ 1977 den Oscar als beste Darstellerin.

© picture alliance / dpa

Filmstar Diane Keaton: „Ich halte mich für eine Hochstaplerin"

Woody Allen ist ihr wichtigster Lehrer, Michael Douglas ein guter Küsser, und sie selbst sei eigentlich gar keine richtige Schauspielerin: Filmstar Diane Keaton verrät ein paar Geheimnisse.

Mrs. Keaton, in Ihrem Film „Das grenzt an Liebe“ spielen Sie an der Seite von Michael Douglas eine gutmütige Witwe, die sich in einen Widerling verliebt …

Ja, fast wie im richtigen Leben: Gegensätze ziehen sich an! Ist doch so, oder? Viele brave Mädchen stehen nun einmal auf böse Jungs – und umgekehrt. Der Verstand sagt dir zwar, dass dieser furchtbare Typ Chaos und Drama in dein Leben bringt, doch du bist machtlos: Jemanden, der so ist wie du, findest du einfach nicht sexy. Die Auseinandersetzung mit einem Menschen, der ganz anders ist als du, kann das Beste aus dir herauskitzeln. Das nennt man Liebe, oder? Streit! Aufregung! Ekstase!

Wollen Sie andeuten, Zoff gehört in eine gute Beziehung?

Es muss ja nicht immer in einen Krach ausarten, aber eine konstruktive Kontroverse zwingt dich zum Nachdenken und lässt dich reifen. Wer nur herumsitzt und Nettigkeiten austauscht, wird sich nie weiterentwickeln. Konstante Reibung sorgt dafür, dass wir lebendig bleiben.

Sie waren mit so unterschiedlichen Männern wie Woody Allen, Warren Beatty und Al Pacino liiert, haben aber nie geheiratet …

Mich hat einfach nie ein Kerl gefragt. Vielleicht bin ich aber auch nicht für die Ehe geschaffen. Ich muss zugeben, dass meine Vorstellung von einer Liebesbeziehung immer ein bisschen unreif und nicht sonderlich emanzipiert war: Ich fühlte mich zu starken Männern hingezogen und sah mich nie als gleichberechtigte Partnerin, sondern eher als eine Art Objekt, das geliebt werden wollte. Was soll ich sagen? Es hat nicht funktioniert.

Sind Sie traurig darüber?

Nein. Ich habe festgestellt, dass man auch als sogenannte alte Jungfer glücklich sein kann. Jedenfalls bin ich nicht mehr auf der Suche nach einem Kerl. Natürlich weiß ich, dass man sich auch im Alter noch einmal Hals über Kopf verlieben kann, aber ich glaube nicht daran, dass mir das passieren wird. Inzwischen kann ich mir überhaupt nicht mehr vorstellen, mit einem Mann mein Leben zu teilen.

Pflegen Sie zu Ihren Verflossenen heute noch engen Kontakt?

Nur zu Woody Allen. Er ist nach wie vor ein sehr guter Freund und war zweifellos der wichtigste Lehrer meines Lebens. Alles, was ich über die Filmschauspielerei weiß, habe ich von ihm gelernt.

Zum Beispiel?

Er hat mir beigebracht, mich vor der Kamera zu entspannen, nicht alles so ernst zu nehmen und kein Brimborium um die Sache zu machen. Bei ihm gab es kein Gefasel über Sinn und Zweck, er meinte bloß: „Stell dich da drüben hin. Los geht’s!“ Oder er sagte plötzlich: „Ich habe eine Idee. Wir spielen eine Szene aus ,Endstation Sehnsucht‘ – du imitierst Marlon Brando, und ich bin Vivian Leigh. Lass es uns gleich drehen!“ Ich protestierte: „Was? Ich soll Brando …? Das geht doch nicht! Das habe ich doch gar nicht geübt!“ Und er: „Keine Sorge! Tu’s einfach!“ Das Resultat war natürlich nicht perfekt, aber wenigstens hat es eine Menge Spaß gemacht.

Sind Sie heute entspannter als früher?

Ja. Ich weiß inzwischen sehr genau, was ich kann und was nicht – und das sage ich den Regisseuren auch: „Denk bloß nicht, ich könnte …“ Ich warne alle Beteiligten vorher: „Macht euch darauf gefasst, dass ich es vermasseln werde!“

Was können Sie denn Ihrer Meinung nach nicht so gut?

Ach, ich halte mich gar nicht für eine richtige Schauspielerin, sondern für eine Hochstaplerin. Echte Schauspieler sind in der Lage, sich in völlig verschiedene Charaktere zu verwandeln. Ich bin dagegen bloß eine Darstellerin, die sich einigermaßen gut in eine Filmfigur hineinversetzen und ähnliche Gefühle entwickeln kann.

Wen Diane Keaton gern küsst

Manche Leute sehen Sie nur als Komödiantin und vergessen, dass Sie auch einige dramatische Rollen gespielt haben.

Die meisten dieser Dramen sollte man auch am besten vergessen. Es hat schon seinen Grund, dass beispielsweise noch nie jemand zu mir gesagt hat: „Ich fand Sie so toll in ,Der Preis der Gefühle‘!“ Dieser zu Recht vollkommen unbekannte Film wurde immerhin von Leonard Nimoy inszeniert, also von Mr. Spock höchstpersönlich, und Liam Neeson spielte darin meinen jungen Liebhaber. Liam hat alles gegeben, aber der Film war Mist. Leider nicht die einzige Gurke, die ich fabriziert habe. Mittlerweile habe ich erkannt, dass mir das Komödienfach viel besser liegt.

Einige Ihrer Kolleginnen finden, dass Hollywood nicht genügend gute Rollen für Frauen bietet.

Das würde ich nicht unterschreiben. Mir ist es nie besonders schwergefallen, Rollen zu finden, die mich interessiert haben. Gerade in den vergangenen Jahren konnte man einige wunderbare weibliche Charaktere auf der Leinwand bewundern, etwa die Mutter in „Boyhood“ oder Amy Adams als Gangsterbraut in „American Hustle“.

Sie selbst haben oft emanzipierte Frauen verkörpert. Was macht für Sie persönlich eine starke Frau aus?

Für mich hat Stärke viel damit zu tun, hartnäckig zu bleiben und nicht aufzugeben. Hierfür ist es natürlich von Vorteil, seinen Beruf zu lieben: das motiviert dich dazu, weiterzumachen. Mir hat es immer gefallen, dass ich dazu beitragen konnte, faszinierende Geschichten zu erzählen – und dass ich mit meiner Filmerei in andere Welten eintauchen und fremde Länder entdecken durfte. So wie jetzt: Ich freue mich wie ein kleines Kind darüber, beim Filmfestival von Zürich einen Preis für mein Lebenswerk zu bekommen. Ich war noch nie hier und bin begeistert von der Schönheit dieser Stadt.

Apropos. Wie wichtig ist Schönheit für eine Frau im Filmbusiness?

Enorm wichtig. Das lässt sich nicht leugnen, und es bringt auch nichts, sich darüber aufzuregen. Der Grund dafür ist ganz profan: Die meisten Kinozuschauer wollen gern schöne Menschen sehen. Das gilt übrigens für Männer und Frauen gleichermaßen. Wenn du also nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprichst und trotzdem als Schauspielerin Erfolg haben möchtest, musst du schon verdammt gut sein. So wie Melissa McCarthy, die nun wirklich füllig ist. Ihr sieht man gern zu – vor allem, wenn es einem Regisseur gelingt, ihr enormes komödiantisches Talent ins rechte Licht zu rücken.

Was ist Ihnen lieber: ein Regisseur, der Ihnen präzise Anweisungen gibt, oder einer, der Ihnen sämtliche Freiheiten lässt?

Ich bevorzuge es, wenn man mir möglichst viel Freiraum gibt. Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass das gut für den Film ist. Mir fällt es nur leichter, zu spielen, wenn ein Regisseur die Zügel locker lässt – so wie Rob Reiner bei „Das grenzt an Liebe“. Ich fragte ihn zum Beispiel: „Wie soll ich es hinbekommen, ,The Shadow of Your Smile‘ zu singen und dabei in Tränen auszubrechen?“ Er antwortete: „Keine Ahnung. Mach’s einfach.“ Das war für mich die perfekte Regieanweisung.

Und wie haben Sie es dann hingekriegt?

Indem ich ganz laut traurige Musik gehört habe. Ich bin ein sehr emotionaler Mensch, und Musik wirkt in dieser Hinsicht bei mir extrem stimulierend: ein halbwegs berührendes Lied, und ich werde zur Heulsuse. Ich bringe mich also so lange mit Musik in Stimmung, bis mich jemand anstupst und mir das Zeichen zum Drehen gibt. Dann reiße ich mir schnell die Kopfhörer aus dem Ohr, vergesse aber manchmal, das Gerät auszuschalten, so dass die Musik weiterläuft und die Filmaufnahme ruiniert. Erbärmlich, ich weiß. Michael Douglas hat mich deshalb auch ständig aufgezogen.

Sie besitzen eine Sammlung mit Fotos von Kussszenen aus Filmen, und Sie gehören zu den wenigen Schauspielerinnen, die öffentlich zugeben, dass sie es genießen, vor der Kamera zu küssen.

Moment mal, wollen Sie mir erzählen, meine Kolleginnen genießen es nicht?

Sie geben es zumindest nicht zu.

Glauben Sie mir, sie mögen es genauso wie ich. Wer das Gegenteil behauptet, lügt! Früher war das vielleicht anders, als es bei Kussszenen noch diese technischen Regieanweisungen gab: „Drehen Sie den Kopf bitte etwas nach links. Und jetzt nähern Sie sich ihm ganz langsam. Nein, halt, nicht so nah!“ So etwas macht sicher keinen Spaß.

Ist das heutzutage nicht mehr so?

Wenigstens nicht bei den Liebesszenen, die ich gedreht habe. Heute stürzt man sich einfach hinein ins Vergnügen – nach dem Motto: „Lass es uns tun, Mann!“ Einer alten Schachtel wie mir passiert es nicht alle Tage, dass ich mit einem schönen Kerl wie Keanu Reeves herumknutschen darf. Da wäre ich doch bescheuert, wenn ich nicht jede einzelne Sekunde genießen würde. Da habe ich auch nichts dagegen, wenn wir die Szene oft wiederholen müssen. Nur zu! Ich bin dabei!

Mit welchem Ihrer Kuss-Partner verbinden Sie die schönsten Erinnerungen?

Je älter ich werde, desto mehr liebe ich die Küsse vor der Kamera, denn in meinem Privatleben erlebe ich das leider immer seltener. Ich würde sagen, meine Leinwand-Lover aus jüngster Zeit, das heißt, ungefähr seit meinem 40. Geburtstag, bekommen allesamt von mir die Note 1. Auch Michael Douglas kann ich hiermit bescheinigen, dass er seine Sache sehr gut gemacht hat. Auf dein Wohl, Michael!

Wie muss man sich das konkret vorstellen: Haben Sie am Set einfach bloß ein bisschen Spaß, oder kommen da auch romantische Gefühle ins Spiel?

Ach was, das ist nur ein großer Spaß. Keine Spur von Romantik. Michael ist ein netter Kerl, aber er würde doch nie … Ich meine, er ist doch verheiratet. Und er ist überhaupt nicht an mir als Frau interessiert. Oder? Das glaube ich zumindest!

„Das grenzt an Liebe“ läuft seit dem 6.11. im Kino.

Interview: Marco Schmidt

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