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Rhythmus schafftPiet  Oudolf durch Wiederholungen von Stauden und Gräsern.

© Alamy Stock Photo

Gartengestalter Piet Oudolf: Staunen über Stauden

Piet Oudolf hat die New Yorker High Line bepflanzt – Millionen kennen und lieben diese Grünanlage. Zauberhaftes schuf er auch in Hamm und Bad Driburg.

Ein Gott steht im Meer. Das er selbst geschaffen hat. Eine wogende Landschaft aus Stauden und Gräsern in warmen Farben, wie Wellen bewegen sie sich im Wind, auf und ab. Zart, fast schwebend und robust zugleich.

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„Der Staudengott“, so nennen Fachleute ihn. Groß und breitschultrig steht Piet Oudolf zwischen seinen Gewächsen, die weißgelben Haare fallen ihm immer wieder ins Gesicht. Der Gott trägt ausgefranste Jeans und guckt amüsiert. Als „Rockstar der Gartengestaltung“ hat das „Wall Street Journal“ ihn bezeichnet, das Etikett klebt an ihm. Oudolf (sprich: Audolf) ist einer der berühmtesten, vor allem einflussreichsten Vertreter seines Fachs. Spätestens seit der Holländer die New Yorker High Line bepflanzte, kennen Millionen von Menschen den Pionier des Neuen Naturalismus. Seine Gräser fügen sich wunderbar in das alte Industriegelände ein, sprießen, als hätten sie sich selbst ausgesät. Haben sie aber nicht. Das ist nicht Natur, sondern hohe Kunst.

Vom Zechengelände zum Park

In London, New York, Stockholm und Chicago ist Oudolf vertreten – und in der westfälischen Provinz. Der eigenwillige Holländer ist immer für eine Überraschung gut. An diesem Samstag im August führt er durch seinen Staudengarten im Maximilianpark Hamm, dem 22 Hektar großen Freizeitpark auf einem ehemaligen Zechengelände. Am nächsten Morgen geht’s weiter im jahrhundertealten Gräflichen Park Bad Driburg, der Teil der Gartenlandschaft Ostwestfalen-Lippe ist und des Europäischen Gartennetzwerks (www.eghn.org). Im 64 Hektar großen Park, zu dem auch ein Wald mit Wildgehege gehört, bildet Oudolfs Staudengarten einen vergleichsweise kleinen, aber malerischen, dabei förmlichen Empfang am Eingang.

Mit trockenem Humor

In Hamm hat Piet Oudolf 2010 und 2012 zwei hintereinanderliegende, geschwungene Areale entworfen. Der größere Bereich umfasst 4000 Quadratmeter mit über 40 000 Pflanzen. Aus Berlin, Paderborn und vom Niederrhein sind die Oudolf-Fans an diesem Morgen angereist. Denn dass der Meister persönlich durch seine Schöpfung leitet, ist ein rares Glück. Er macht nicht gerne Führungen, wie er offen gesteht, er macht sie auch nicht besonders gut. Die Hände hinterm Rücken verschränkt, murmelt er vorne etwas auf Deutsch, in das sich immer wieder holländische und englische Brocken mischen, wer hinten steht, kriegt nichts mehr mit. Der guten Stimmung tut das keinen Abbruch. Die Fans sind berauscht von dem, was sie sehen, unterhalten sich angeregt. Zudem mangelt es dem Rockstar nicht an Freundlichkeit. Jeden Besucher begrüßt er mit Handschlag, bereitwillig und mit trockenem Humor beantwortet er alle Fragen.

Der Garten als Bühne, die Stauden als Performer

Im Maximilianpark Hamm, auf einem ehemaligen Zechengelände, hat Oudolf zwei Gärten mit Gräsern und Stauden angelegt.
Im Maximilianpark Hamm, auf einem ehemaligen Zechengelände, hat Oudolf zwei Gärten mit Gräsern und Stauden angelegt.

© Maximilianpark Hamm

Doch lieber als mit Worten drückt er sich nun mal mit Pflanzen aus. Sie sind das Sprachrohr seiner Gefühle, ja, seiner Seele, wie Oudolf sagt. Es geht ihm darum, mit seinen Gärten Stimmungen zu erzeugen, auch melancholische. Die Atmosphären, die er schafft, kann man selbst als Betrachter nur schwer in Worte fassen.

Für den 71-Jährigen ist der Garten, wie er an diesem Wochenende erzählt, eine Bühne, Stauden und Gräser die Performer. Jeder mit Persönlichkeit, aber nicht Solisten sollen sie sein, sondern Mitglieder eines Ensembles, einer Gemeinschaft. Ein Grund, warum seine Anlagen farbig sind, aber nicht bunt. Sanfte Töne, gerade im Purpur-Bereich, sind ihm lieber als knallige. Leuchtendes Gelb setzt er selten ein, das macht sich für seinen Geschmack zu wichtig, zieht alle Blicke auf sich. Die aber sollte man umherschweifen lassen, und zwar von verschiedenen Positionen aus. Gern wandelt man um die geschwungenen Beete herum.

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„Man braucht nicht nur schöne Pflanzen, um einen Garten schön zu machen“, lautet eine seiner Erkenntnisse. Ein Zimmer voller schöner Menschen wäre doch auch langweilig. Auf Kontrast setzt Oudolf so sehr wie auf Harmonie. Sonnenbraut stellt er neben Pfeifengras, silbriges Vergissmeinnicht neben japanisches Berggras, Katzenminze neben Knöterich, Waldschmiele neben Blaugras. Die Gewächse werden zu Inseln gebündelt, Wiederholungen und unterschiedliche Höhen schaffen einen eigenen Rhythmus.

Gute Gärtner gesucht

Vor allem für seine öffentlichen Gärten ist Oudolf berühmt. Sie sind ihm auch die liebsten, denn mit seinen Inszenierungen möchte er schließlich ein Publikum erreichen, die Schöpfungen mit anderen teilen. „Ich bin doch kein Narziss.“ Praktisch für die öffentliche Hand, dass seine Darsteller relativ pflegeleicht sind. Sie müssen nicht so oft gegossen oder alle paar Monate ausgetauscht werden. Wobei man gute Gärtner braucht, die zwischen Unkraut und wilden Pflanzen unterscheiden können. Mit dem Zustand der Anlagen in Hamm und Bad Driburg ist Oudolf sichtbar glücklich. Was nicht bei allen Kreationen der Fall zu sein scheint.

Selbst wenn er mit den Jahren offenbar milder geworden ist – im Unterschied zu seinen Pflanzungen, die immer wilder wurden –, scheint Oudolf selbst nicht ganz so pflegeleicht wie seine Pflanzen zu sein. Sie haben miteinander gerungen, erzählt Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff. Die Kunsthistorikerin, die neuen, künstlerischen Schwung in den traditionsreichen Gräflichen Park Bad Driburg brachte, wollte die Anlage lieber am Eingang platzieren und einen Bezug zum Wasser haben, dem der Kurpark schließlich seine Existenz verdankt. Ein fruchtbares Ringen mit Happy End.

"Ich habe immer das Unerwartete gesucht"

Mit seiner Bepflanzung der New Yorker High Line wurde Piet Oudolf endgültig berühmt.
Mit seiner Bepflanzung der New Yorker High Line wurde Piet Oudolf endgültig berühmt.

© Susanne Kippenberger

Auch hier sieht man gleich den Einfluss der holländischen Dünenlandschaft, in der Oudolf aufgewachsen ist, am Rande des Naturschutzgebiets. Doch erst mit 25 fand er seine Berufung: in einem Gartencenter. Vorher hatte er alles Mögliche ausprobiert, als Fischhändler und Barkeeper gearbeitet, im Lokal der Eltern gekellnert. Dort lernte er seine Frau Anja kennen, seine wichtigste Gesprächspartnerin und Verbündete.

Mit der Familie zog er in das Dorf Hummelo, legte einen Garten als Versuchslabor an, Anja eröffnete eine Gärtnerei, in der sie die Pflanzen und Gräser zog, die man anderswo nicht kriegen konnte.

Die Liebe zur sterbenden Pflanze

Als Quereinsteiger widersetzte Oudolf sich von Anfang an Dogmen und Regeln. „Ich habe immer die Spontanität gesucht, das Unerwartete.“ Englische Gärten waren ihm zu dekorativ, zu sehr auf Blumen fixiert, auf den Moment ihrer Blüte. „Wie in einem Blumenladen.“ Stauden begeisterten ihn dagegen bis zur Obsession, überhaupt: mehrjährige Pflanzen. Ihm geht es um den Prozess des Werdens und Vergehens. „Lernen Sie den Anblick sterbender Pflanzen zu schätzen“, rät er seinen Zuhörern in Westfalen. Was bei seinen Anlagen nicht schwerfällt, denn sie sterben in Schönheit. Oudolf kreiert Landschaften für jede Jahreszeit. Damit hat er Furore gemacht: dass seine Anlagen selbst im Spätherbst und Winter verzaubern, auf ganz eigene Art, wenn etwa der Raureif die Gräser überzieht.

Auch Braun ist eine Farbe

Auch Braun ist für Oudolf eine Farbe, Leichen lässt er stehen, wenn sie eine schöne Form haben, verblühte Köpfe werden nur abgeschnitten, wenn sie ihren Reiz verloren haben. Oudolf sucht seine Darsteller danach aus, allein durch ihre oft abstrakt wirkende Struktur, ihren Samenstand – an dem sich, auch das ist ihm wichtig, Bienen, Schmetterlinge und Vögel laben. Als „Komposition in der Zeit“ beschreibt er seine Entwürfe.

Irgendwann, in Hamm wie in Bad Driburg, wird ihm die unvermeidliche Frage gestellt: nach seinen Lieblingen. „Ich habe keine Favoriten“, antwortet der Gartenkünstler. „Ich habe nur Freunde.“

Reisetipps zu Oudolfs Gärten

Piet Oudolf und Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff im Gräflichen Park Bad Driburg
Piet Oudolf und Annabelle Gräfin von Oeynhausen-Sierstorpff im Gräflichen Park Bad Driburg

© Gräflicher Park Bad Driburg

MAXIMILIANPARK HAMM

Alter Grenzweg 2, 59071 Hamm, Tel. 02381/98210-0, maximilianpark.de. Führungen durch die Staudengärten auf Anfrage.

GRÄFLICHER PARK BAD DRIBURG

Gräflicher Park, Brunnenallee 1, 33014 Bad Driburg, Tel.: 05253.9523-0, graeflicher-park.de Jede Woche führt Parkleiter H.-J. Bickmann durch den ganzen Park. Doppelzimmer im Grand Resort des Gräflichen Parks ab 84,50 Euro.

HUMMELO
Bis Ende Oktober kann der private Garten von Anja und Piet Oudolf im niederländischen Hummelo besichtigt werden. Öffnungszeiten und weitere Informationen unter oudolf.com. Das reich bebilderte Buch von Noel Kingsbury über Hummelo und Oudolfs Weg als Gartengestalter erscheint am 15. September („Oudolf Hummelo“, Verlag Eugen Ulmer, 400 Seiten, 49,90 Euro).

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