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Peter Bursch, Musiker und Gitarrenlehrer, lernte eigentlich Klavier am Konservatorium.

© Joe Kramer

Gitarrenlehrer Peter Bursch: "Drogen? Ich bin naturstoned genug"

Er hat halb Deutschland das Gitarrespielen beigebracht. Peter Bursch im Interview über seinen Traum vom Jaguar, die Hippies von heute, und wie er das letzte Konzert von Jimi Hendrix erlebte.

Herr Bursch, wie viele Gitarren besitzen Sie?

Das weiß ich nicht. Bestimmt mehr als 100.

Sie sind viel unterwegs. Buchen Sie für das Instrument, das Sie begleiten darf, einen Sitzplatz im Flugzeug neben Ihnen?

Bisher konnte ich noch immer eine als Handgepäck mitnehmen. Oft erkennt mich dann irgendjemand, die Stewardess oder der Pilot. Irgendwo kriegen die das Instrument meist verstaut. Es kommt auch schon mal vor, dass mich die Passagiere bitten, die Gitarre auszupacken und zu spielen. Einmal habe ich mit allen an Bord „Über den Wolken“ gesungen. Das war nett.

„Jean Pütz der Rockgitarrenszene“ nannte Sie der „Spiegel“, „der zu einigem Wohlstand gekommene Hippie mit Nickelbrille und femininer Lockenpracht“, schrieb die „taz“. Die meisten kennen Sie als den „Gitarrenlehrer der Nation“. Welcher ist Ihr Lieblingsspitzname?

Wohl der Gitarrenlehrer. Fast jeder in Deutschland, der Gitarre spielt, hat mit meinem Buch angefangen. Manchmal kommen bekannte Gitarristen zu mir und sagen: Wenn du nicht gewesen wärst, würde ich hier wahrscheinlich nicht stehen.

Viele Musiker haben bei Ihnen gelernt, Kuddel von den Toten Hosen zum Beispiel. Auch die Scorpions sollen Sie um Rat gebeten haben?

Denen habe ich viele Jahre Unterricht gegeben. Als wir mit „Bröselmaschine“ unsere zweite Platte aufgenommen haben, saßen die im Studio nebenan, noch als ganz junge Band. Die haben meine Zupftechnik gesehen und wollten das lernen.

Die Liedermacherin Juliane Werding hatte ebenfalls bei Ihnen Unterricht.

Das war ganz am Anfang, da habe ich noch Kurse in der Volkshochschule gegeben und hatte ein paar Privatschüler. Juliane kam immer zum Unterricht in unsere Hippie-Kommune. Die hatte eine tolle Bluesstimme.

Helge Schneider war sogar Mitglied Ihrer Band.

Ein hervorragender Klavierspieler. Den habe ich in den Kneipen entdeckt. Wir suchten gerade einen neuen Keyboarder. Da war er 17. Ich kenne keinen besseren.

Er ist dafür bekannt, nichts ernst zu nehmen. Konnte man mit ihm überhaupt proben?

Na klar, aber er war schon immer so, wie man ihn heute kennt. Irgendwann wollte er was Eigenes auf die Beine stellen. Wir sind nach wie vor eng befreundet.

Bursch ist Autor des populären Gitarrenbuchs ohne Noten. In das aktuelle Heft hat es Helene Fischer geschafft.
Bursch ist Autor des populären Gitarrenbuchs ohne Noten. In das aktuelle Heft hat es Helene Fischer geschafft.

© imago

„Peter Burschs Gitarrenschule“ hat sich mittlerweile mehr als 1,5 Millionen Mal verkauft, bis nach Kanada, Brasilien, China, in die USA. Wann wurde Ihnen bewusst, was Sie da losgetreten haben?

Das kam schon früh. Erst war es ja mühsam, das Buch überhaupt zu machen. Ich habe neben der Arbeit mit meiner Band Bröselmaschine Unterricht gegeben und da immer viel an die Tafel geschrieben. Die Schüler fragten mich irgendwann, ob ich nicht mal ein Heft daraus machen könnte. Ich hatte gar keine Lust, wollte weiter auf Tour. Aber als wir mal Pause hatten, habe ich mich an die Schreibmaschine gesetzt. Dieses Heft ging dann rum und wurde wieder und wieder kopiert. Da dachte ich mir: Such dir einen Verlag.

Zuerst wollte Sie niemand veröffentlichen.

Die großen Häuser hatten kein Interesse, sobald sie sahen, dass ich ohne Noten arbeite. Ich habe stattdessen das alte Tabulatursystem modernisiert. Das gibt es seit dem Mittelalter, ist nur in Vergessenheit geraten. Im Grunde ist das „Spielen nach Zahlen“. Hier kann ich direkt ablesen, wo ich meine Finger hinsetzen muss. Für die Verlage war meine Methode unter ihrem Niveau. Zum Glück kannte ich den Chef von Voggenreiter. Den habe ich immer wieder gefragt. Bis er endlich sagte: „Du nervst, wir machen 1000 Exemplare und probieren es aus!“ Und innerhalb von einer Woche waren alle Bücher ausverkauft. Da war mir klar, das würde ein Erfolg werden.

Dadurch sind Sie zu einigem Wohlstand gekommen. Wofür können Sie viel Geld ausgeben?

Das hört sich so toll an: 1,5 Millionen verkaufte Bücher. Aber von 1975 bis jetzt! Wenn man das aufs Jahr umrechnet, ist das nicht viel. Ich bin kein Millionär. Ich kann von meiner Musik und meinen Büchern gut leben, kaufen kann ich mir nicht alles, das ist auch nicht wichtig. Wir aus der Band sind auch nie ausgeflippt und haben uns feuerwehrrote Ferraris zugelegt.

Einen Jaguar schon.

Der gehörte der Mutter eines Freundes, ein schönes altes Modell. Der Preis war okay. Ich habe früher immer davon geträumt, mit einem Jaguar zum Konzert zu fahren. Die Gitarre hintendrin – der Wahnsinn!

"Das Schlimmste war der Alkohol"

Peter Bursch, Musiker und Gitarrenlehrer, lernte eigentlich Klavier am Konservatorium.
Peter Bursch, Musiker und Gitarrenlehrer, lernte eigentlich Klavier am Konservatorium.

© Joe Kramer

Sie gingen mit Ton Steine Scherben auf Tour, haben Uschi Obermaier und Rainer Langhans in der K1 besucht, bei den Ostermärschen gespielt, schrieben für das anarchistische Satiremagazin „Der Metzger“. Sie haben mal behauptet, Sie seien nie politisch gewesen. Wer soll Ihnen das glauben?

Für uns stand immer die Musik an erster Stelle, wir konnten richtig improvisieren und frei spielen. Ton Steine Scherben waren keine reinen Musiker, wenn man so will. Die waren unheimlich nett, und ich finde es toll, wie die sich politisch engagierten und als Band wirkten. Aber spieltechnisch waren die anders drauf, das hielten die für nicht so wichtig. Wenn du einen Song spielst wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, musst du kein Jimi Hendrix sein. Als Typen fanden wir sie klasse, wir haben auch mal bei denen übernachtet.

Sie waren als Kind bei den Pfadfindern, das ist ein eher biederer Haufen.

Von denen habe ich immerhin das Gitarrespielen. Wenn wir am Lagerfeuer saßen und ich gesehen habe, welche Stimmung aufkam, wollte ich das lernen. Mein älterer Bruder besaß eine Gitarre, die lag nur rum. Also habe ich angefangen, die Griffe zu üben, und begann seine Elvis-Platten nachzuspielen. Ich wollte wie der King sein und habe versucht, mir so eine Tolle zu drehen. Das hat nie hingehauen.

Eines Ihrer Markenzeichen sind die knallbunten Hemden. Wo bekommen Sie die eigentlich her?

Die meisten näht meine Frau, vor allem die für die Bühne. Alles Unikate. Mittlerweile habe ich davon mehr als 20.

Heute sind Sie Deutschlands dienstältester Hippie, vielleicht der letzte. Sterben die Hippies aus?

Nein, da muss man nur an „Burg Herzberg“ denken. Ein riesiges Festival Ende Juli. Es kommen 15 000 Leute aus ganz Europa, viele junge. Da gibt’s einen See wie bei Woodstock, und da schwimmen alle nackend.

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Indien galt als Paradies für Hippies. Ihr Schlagzeuger und Ihre Sängerin sind dorthin gezogen. Haben Sie je überlegt, auszuwandern?

Eine Band aus München, Embryo, hat die Reise in den 70ern organisiert, den ganzen langen Weg in Bussen. Wir wollten mit, hatten allerdings schon Kinder, das Risiko war uns zu groß. Die beiden aus meiner Band sind mitgefahren – und erst nach Jahren zurückgekommen. Trotz vieler Einladungen habe ich es bisher nie nach Indien geschafft. Das ist noch ein Traum von mir.

Ein anderer aus der Band wurde Schäfer.

Ja, unser Bassist. Die allererste Besetzung spielte sechs Jahre zusammen. Immerhin 150 Konzerte im Jahr. Irgendwann wollte er das nicht mehr und zog nach Süddeutschland. Er hält eine große Schafsherde in der Nähe von Rothenburg ob der Tauber. Immer wenn ich da unterwegs bin, besuche ich ihn und seine 700 Schafe. Das ist ein hartes Leben, eigentlich hat er von uns allen das härteste. Ich glaube, er würde gern aufhören und zur Ruhe kommen. Aber das ist nicht einfach, es gibt wenig Nachwuchs in dem Job.

Sie selbst denken nicht ans Aufhören?

Nein. Ich wollte ja immer mit der Rockmusik populär werden, und dann kamen die Gitarrenbücher dazu. Das hat mir viele Freiheiten eröffnet und ein bisschen Druck rausgenommen. Die erste Bandformation ist auch wegen des Stresses auseinandergegangen. Du machst eine Platte, gehst auf Tournee, machst die nächste Platte, gehst wieder auf Tournee. Immer unter Druck. Das hältst du nicht lange aus. Wir hätten auch daran kaputtgehen können. Gerade in unserer Drogenphase.

Wann war das?

Ende der 60er, Anfang der 70er. Wir haben alles ausprobiert, viele Bücher gelesen, hatten Kontakt zu Timothy Leary ...

... dem Guru der Hippie-Bewegung, der sich für freien Zugang zu psychedelischen Drogen einsetzte.

Wir haben das gut vorbereitet, mit Leuten gesprochen, die das schon hinter sich hatten. Daraus haben wir eine Art Kult gemacht und uns eine Nacht Zeit dafür genommen. Das hielt nur alles nie lang. Wir haben transzendentale Meditation versucht – wie die Beatles. Ich habe später gemerkt, ich bin schon selbst naturstoned und verrückt genug.

Was für Drogen waren das?

Vor allem LSD. Alles, was bewusstseinserweiternd wirkte. Ein paar Pilze natürlich auch. Wir flogen auf alles, was nicht bürgerlich war. Ein Jahr lang haben wir in unserer Wohngemeinschaft makrobiotisch gelebt, im Grunde wie heute die Veganer. Ich möchte nichts davon missen. Das Schlimmste für unsere Gruppe war der Alkohol. Daran sind zwei von uns gestorben. Diese Gefahr ist für Musiker die größte. Du kriegst ja ständig alles umsonst hingestellt, wenn du auf Tour bist.

"Wir haben Hendrix hinter der Bühne erlebt"

Peter Bursch, Musiker und Gitarrenlehrer, lernte eigentlich Klavier am Konservatorium.
Peter Bursch, Musiker und Gitarrenlehrer, lernte eigentlich Klavier am Konservatorium.

© Joe Kramer

Ist Bröselmaschine heute eine alkoholfreie Band?

So kann man das nicht sagen. Ich trinke gern mal ein Glas Wein oder Bier, nur muss ich mir nicht 16 davon reinziehen. Einige in der Band trinken gar nichts, nur noch einer raucht.

Erinnern Sie sich an Ihre erste eigene Gitarre?

Das war in einem Second-Hand-Laden in Duisburg. Eine Framus, oder eine Höfner, ich weiß es nicht mehr genau. 20 Mark hat die gekostet. Zwei Jahre später habe ich sie gegen eine bessere eingetauscht. Mit Stahlsaiten. Da habe ich richtig für gespart. Als Erstes habe ich alle Saiten kaputt gemacht beim Versuch, die Gitarre zu stimmen. Zum Glück gab es einen Nachbarn bei uns im Haus, der mir das zeigen konnte.

Unterricht hatten Sie nie?

An der Gitarre nicht. Ich habe Klavier am Konservatorium gelernt. Klassisch nach Noten. Da ergibt das Notensystem mehr Sinn als für Gitarre. Fürs Komponieren hat mir das viel gebracht, zu wissen, wie ich einzelne Akkorde zusammensetze.

Was war das erste Stück, das Sie spielen konnten?

„That’s All Right“ von Elvis! Daran habe ich Wochen gesessen, obwohl es nur drei Griffe sind. Noch länger habe ich für die Beatles gebraucht, als ich „I Want to Hold Your Hand“ im Radio hörte. Da musste ich ganz schön knobeln. Monatelang.

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Machen Sie eigentlich Fingerübungen?

Ich bin jetzt 67 und merke, ich muss mich doch gezielt locker machen vor Konzerten. Ich war ohnehin nie der schnellste Solist, bin eher der Rhythmusgeber, der die Band lenkt. Und ich schreibe gerne Songs. Ich hatte nie das Bedürfnis, an der Bühnenkante ein Jimi-Hendrix-Solo zu spielen.

War Hendrix ein Poser?

Er war alles. Ich war bei seinem allerletzten Konzert, beim Festival auf Fehmarn. Da sollten wir mit Bröselmaschine auftreten. Hendrix haben wir hinter der Bühne erlebt. Ein befreundeter Schlagzeuger ging zu ihm hin und sagte: „Du hast ’nen scheiß Drummer, nimm lieber mich für die nächste Tournee.“ Dazu kam es dann natürlich nicht. Genauso wenig wie zu unserem Auftritt. Wir sollten am Sonntagnachmittag spielen. Aber der Veranstalter war mit der Kohle durchgebrannt. Als Roadies hatte er Hells Angels angeheuert. Die waren so sauer, die haben die Bühne abgefackelt. Wir sind lieber schnell abgehauen.

Aber Jimi Hendrix’ letzten Auftritt haben Sie noch erlebt?

Zum Glück! Das war für uns das Größte. Er war im Grunde der erste Musiker, der sich selbst spielte – sein Körper war mit der Gitarre verwachsen. Seine Ausstrahlung, sein Sex-Appeal, alles eine Einheit. Der traute sich was. Wir kannten natürlich den Film vom Monterey Pop Festival, wo er auf der Bühne seine Gitarre anzündete.

Sie haben vom „Beatles“-Guru Ravi Shankar das Sitarspielen gelernt. Wie kam es dazu?

Das war nicht wirklich Unterricht. Ich hatte ihn mal für eine Musikzeitung interviewt, da war er gerade mit George Harrison auf Tour in den USA. Dabei habe ich ihm erzählt, dass ich Sitar spiele. Er hat gleich den nächsten Interviewer vertröstet: „Ich brauche jetzt mal eine Stunde Ruhe.“ Ich durfte auf seiner Sitar ein paar Sachen zeigen. Der hat über meine Technik gelacht. Dann habe ich ein bisschen improvisiert, und das fand er ganz gut. Er hat mir anschließend einige Tipps gegeben.

In der Neuauflage Ihres Buches ist auch Helene Fischer drin, „Atemlos durch die Nacht“. Wie konnte das passieren?

Die Schüler wollten das unbedingt lernen, haben mich ständig nach den Griffen gefragt. Der Verlag war begeistert, weil er glaubt, dadurch mehr Bücher zu verkaufen. Ich habe gewarnt, dass wir das Lied wohl in zwei, drei Jahren wieder rausnehmen müssen.

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