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Noch mal gut gegangen. Diesem Hund hilft ein Kühlbeutel auf dem Kopf.

© Kimberly Reinick - Fotolia

Haustiere in Gefahr: Menschen, Tiere, Katastrophen

Wir lieben sie und wollen nur das Beste – für unsere Haustiere. Doch manchmal scheitern wir. Vier Geständnisse.

Von

Das Meerschweinchen

Als ich zwölf war, habe ich mein Meerschweinchen getötet. Dabei hatte alles so gut angefangen. Wir Kinder hatten unsere Eltern endlich überzeugt, dass wir ohne ein Haustier nicht weiterleben könnten, hatten uns schnell auf den Namen Timmy geeinigt und ihn bei einer Klassenkameradin abgeholt, deren Meerschweinchen Junge bekommen hatte. Auf der Rückfahrt streichelten wir Timmys dichtes, wirbeliges Fell. Er roch warm und weich.

Leider änderte sich das binnen weniger Wochen. Ich schlief damals in einem Hochbett, Timmy darunter. Nachts quiekte er. Seine Krallen kratzten über ein kleines Holzhaus. Das Wasser aus der hängenden Trinkflasche gluckerte, wenn er daran sog. Immerzu knabberte er Gurken und Möhren. Noch heute muss ich manchmal würgen, wenn ich Rohkost esse. Irgendwo hatte ich gelesen, dass männliche Meerschweine bereits kurz nach der Geburt geschlechtsreif werden und besonders stinken. Timmy war definitiv geschlechtsreif.

Immer öfter schlief ich jetzt bei meiner Schwester. Ließ meine Mutter den Stall auskehren. Nachts dachte ich mit schlechtem Gewissen an Timmy. Ich wollte so sehr, aber konnte ihn einfach nicht lieben. Später kapierte ich, wie sehr sich auch meine Eltern vor Timmy geekelt haben. Weil sie gute Eltern waren, ließen sie sich nichts anmerken. Nur tierliebe Menschen sind gute Menschen. (Genauso verheimlichten sie uns, dass sie nicht gläubig waren, wenn wir sonntags kirchenliedersingend aus dem Kindergottesdienst kamen.)

An einem Morgen Mitte August, in Freiburg, dieser sonnenverwöhnten Stadt, stellte ich Timmy samt Käfig auf den Balkon. Wegen der frischen Luft. Dann fuhr ich ins Freibad. Timmy, mit dem dichten Fell, blieb auf unserem Südbalkon. Als ich abends heimkam, lag er erstarrt im Stroh. „Er hatte ein schwaches Herz“, tröstete meine Mutter. Ich hatte Timmy verbrannt.

Wir verbuddelten ihn im Wald. Während der gesamten Zeremonie heulte ich. Scheinheilig, ich war ja erleichtert, ihn los zu sein – ihn und seine Geschlechtsreife. Ich betete und legte einen Kranz aus Efeu nieder. Tieren habe ich an diesem Tag abgeschworen. Gott kurze Zeit später. Julia Prosinger

Ein bisschen dumm war er

Der Hund

Bonny war schnell, wunderschön und ein bisschen dumm. Er war ein Collie, ein „Lassie“-Hund, der zwar wachsam Fremden in die Waden biss, aber seinem eigenen Leben gegenüber eine gewisse Vorsicht vermissen ließ. An sonnigen Nachmittagen war Bonny oft auf unserer Terrasse angeleint, am dunkel gestrichenen Geländer, von der eine kleine Treppe hinunter in den Garten führte. Zu Bonnys Missfallen verlief durch unseren Garten auch die Route von Nachbars Katzen. Die Getigerten störten sich überhaupt nicht an diesem Tier, das wie ein tapsiger Riese auf sie zusprang, ohne sie je ernsthaft anzugreifen. Wenn Bonny an der Leine war, schlenderten die Katzen besonders aufreizend über den Rasen. Eines Tages rastete Bonny aus. Er kläffte, setzte zum Sprung an und, ja, überwand das Geländer. Zu seinem Pech hatte mein Vater dafür stabiles Material verwendet. Die Leine spannte, das Holz hielt, und Bonny baumelte. Er jaulte, weil er plötzlich wie am Galgen von unserer Terrasse hing. Bonny japste, winselte und wand sich – mit dem Ergebnis, dass die Leine sich fester um seinen Hals zusammenzog. Die Pfoten strampelten in der Luft, vergebens suchten sie Halt.

Bonny wäre gestorben, hätten wir nicht zufällig Besuch auf der Terrasse gehabt. Dieter sprang geistesgegenwärtig auf, rannte die Treppe hinunter und stützte den Collie. Bis mein Vater kam und die Leine am Geländer löste. Zwei Minuten später legte mein Vater Bonny wieder die Leine um den Hals, der Hund wedelte dabei mit dem Schwanz. Wie gesagt, er war ein bisschen dumm. Ulf Lippitz

Der regungslose Sammy

Die Schildkröte

Der Tod ereilte Sammy vorzeitig, sie wurde kaum 30 Jahre alt, was für eine Schildkröte nicht viel ist. Warum sie verschied, konnte nie geklärt werden. Immerhin, nichts deutet darauf, dass sie gelitten hätte. Und auch wenn Sammys Ende traurig war, es gibt Aspekte in dieser Geschichte, die von großer Zuneigung zeugen. Ein wenig Feigheit ist freilich auch dabei.

Sammy war nicht unsere Schildkröte, wir wurden nur Zeugen ihres Schicksals. Sammy gehörte Dorit, der besten Freundin meiner Frau. Dorit musste für zwei Wochen weg und überließ Sammy der Obhut ihres Freundes Tom, mit dem sie die Wohnung teilte. Tom versprach, sich um das Tier zu kümmern.

Die Aufgabe schien leicht. Sammy war ein ruhiger Zimmergenosse, es reichte, ihm ein paar Salatblätter oder Bananenstücke zu überlassen. Doch nach ein paar Tagen war Tom besorgt. Sammy bewegte sich nicht mehr. Zunächst tippten wir auf eine Art Winterstarre, Schildkröten sind bekannt dafür, in der kalten Jahreszeit in einen Energiesparmodus zu verfallen. Doch der Winter war längst vorbei. Trotzdem legte Tom Sammy in die Sonne, er hoffte, die kaltblütige Kröte würde auftauen. Zwecklos.

Dorit hatte ihre Schildkröte noch aus Kindertagen. Tom geriet in Panik, entsprechend seltsam war der Plan, den er fasste. Als Dorit wiederkam, erwähnte er Sammys Schicksal mit keinem Wort, stattdessen setzte er die regungslose Kröte ab und zu um, simulierte so deren Weiterleben. Sammy lag mal im Schlafzimmer, dann wieder vor dem Fenster, wo die Sonne auf den Boden fiel, Tom schob sie sogar einmal in die Küche. Immer hoffend, das Tier würde irgendwann anspringen wie ein stehengebliebener Motor.

Das Unheil kam nach einer Woche über ihn, als meine Frau anrief. „Ach Dorit“, sagte sie, „es tut mir so leid für dich“. Natürlich verstand Dorit nicht gleich, was genau meiner Frau leid tat. „Na,das mit deiner Schildkröte.“ Den anschließenden Aufschrei bekam ich noch in zwei Meter Entfernung durch den Telefonhörer mit, dann wurde aufgelegt.

Tom bekam großen Ärger. Trotzdem haben die beiden später geheiratet. Andreas Austilat

Hilfe, der siamesische Kampffisch wird gemobbt

Die Zierfische

Der Plan war: einmal im Leben alles richtig machen. Beweisen, dass ein Zwölfjähriger Verantwortung für ein 110-Liter-Becken und dessen Bewohner übernehmen kann. Weil ich wusste, dass Aquaristik nichts weniger als eine Wissenschaft ist, dass zum Beispiel Leid und Verderben herbeiführt, wer die falschen Fische miteinander vergesellschaftet, hatte ich vorab Fachbücher gekauft, sogar gelesen. Ich hatte eine Artenkombination ausgewählt, die friedliche Koexistenz versprach: als Schwarmfisch den „Roten von Rio“, für seine Harmlosigkeit bekannt, quasi der Labrador unter den Zierfischen. Dazu zwei neonleuchtende Zwergfadenfische, zur Algenbekämpfung einige Putzerfische. Plus Betta splendens, einen siamesischen Kampffisch, hübsch anzuschauen und ebenfalls friedliebend, solange er auf keinen Artgenossen gleichen Geschlechts trifft – den würde er nämlich sofort niedermetzeln, es sei denn, der andere käme ihm zuvor.

Meine Auswahl war durchdacht, erstaunlich professionell für einen blutjungen Anfänger. Leider wollte nichts funktionieren, wie ich es erhofft hatte: Die Roten von Rio attackierten sich untereinander, einer verlor sein rechtes Auge, der siamesische Kampffisch wurde von den übrigen gemobbt, die Zwergfadenfische bekamen eine Pilzinfektion. Die Serie an Misserfolgen demotivierte mich fürchterlich.  Und so fing es bald an mit den Algen, dem trüben Wasser, den Mahnungen meiner Mutter, wann ich denn endlich den Filter reinigen wolle. Wenn ich doch mal Unrat aus dem Becken entfernte, waren Leichen dabei, nicht mal die Putzerfische verhielten sich wie gewünscht.

Es heißt, Haustiere seien für heranwachsende Menschen auch deshalb pädagogisch sinnvoll, weil sie eine frühe Auseinandersetzung mit dem Tod ermöglichten. Seit meinem Zierfischdesaster ist das Themenfeld Tod für mich irgendwie mit Ekel, Schuldgefühlen und Verdrängungswünschen verbunden. Sebastian Leber

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