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"Wumms". Ein geeignetes Boulegelände findet man überall.

© Bernd Weißbrod/dpa

Kolumne: Maris Hubschmid traut sich was: "Das ist doch bestimmt nicht erlaubt"

Ist das Eisen, fragt eine Radfahrerin. Du wirfst auf Autos, unterstellt ein Passant. Wie man Boule auf einer Verkehrsinsel spielt.

Von Maris Hubschmid

"Ballaballa?“, ruft der Passant, Typ Spätjugendlicher mit Schirmmütze und Bomberjacke. „Das heißt Boule“, korrigiere ich. Wobei eigentlich „Pétanque“ richtig ist. „Lust, mitzuspielen?“ „Du wirfst auf Autos“, unterstellt er. Frechheit. Natürlich nicht, ich kann doch zielen. Ich mache das hier schließlich nicht zum ersten Mal – wenngleich zum ersten Mal auf einer Verkehrsinsel.

Die langen Bälle mochte ich schon immer. Die, in die man richtig Kraft legen, für die man ordentlich ausholen muss. Und dann: Hinterhergucken, als wär’s ein Golfball. Herrje, vorbeigeschossen. Ich muss höher ansetzen, damit die Kugel wuchtiger fällt. In Frankreich gibt es überall Bouleplätze. Auf den Spielplätzen und in den Parks in unserer Gegend ist einem ständig eine Sandkiste, ein Hund oder ein Kind im Weg. Gut, der Mittelstreifen könnte breiter sein. Fünf, sechs Meter sind es vielleicht. Aber die Weite! Mein Schweinchen ist knallpink, so sehe ich es auch aus der Entfernung. Ich spiele allein, das hat den Vorteil, dass immer ich die kleine Holzkugel vorauswerfen, die Distanz bestimmen darf. Aber es ist auch ein bisschen bedauerlich, weil niemand zu schlagen ist. Der Bomberjacken-Typ verschränkt bloß die Arme, glotzt. Immerhin, Publikum.

Selbstverständlich spiele ich mit Stahlkugeln

Es ist Feiertag und keiner, dessen Wetter nach Ausflug schreit. Dennoch brettern über die vierspurige Hasenheide Leute von Neukölln nach Kreuzberg und umgekehrt. Da, die nächste Welle. Schrittstellung, linker Fuß vorn, in die Knie, die Augen verengt, ein leichtes Wippen ... Schwingt der Arm zu weit links? Jetzt sind die Autos auf meiner Höhe. Erstaunte Gesichter, kurze, ungläubige Blicke durch Wagenscheiben. Vorbei sind sie.

„Ich suche noch Mitspieler“, lasse ich zwei Damen wissen, die eilig die Straße überqueren. Sie schütteln den Kopf. Gleich darauf stört lautes Hupen meine Konzentration. Eine Hochzeit? Nee, da lässt jemand die Scheibe herunter, brüllt etwas, doch weil auch er schon vorbei ist, werden seine Worte vom Fahrtwind verschluckt. Der Gehweg-Glotzer ist weg. Dafür sieht mir von einem Balkon ein alter Mann zu. Ich winke. Er starrt.

„Ist das Eisen?“, erkundigt sich eine Radfahrerin. Selbstverständlich spiele ich mit Stahlkugeln. Die Plastikvariante wäre erstens stillos und zweitens gefährlich, „die verspringen ja schnell und rollen auf die Straße“, erkläre ich und lade die Frau ein, mitzumachen. „Das ist doch bestimmt nicht erlaubt“, sagt sie. Ich gebe „Boule“ und „verboten“ in mein Smartphone ein. Die Stadt Lyon verbietet Boulespielen auf Verbindungs- und Hauptstraßen, 1629 verbot das französische Parlament Boule, um das Federballspiel zu fördern, lese ich vor. Federball auf einer Verkehrsinsel? Ich muss lachen. „Absurde Idee, oder?“, frage ich die Frau. Sie radelt weiter.

Der Balkonmann bringt Kaffee und einen Klappstuhl mit

Mittlerweile fliegen meine Kugeln hoch genug, dass sie mit dem nötigen „Wumms“ fallen, kleine Mulden in dem nur noch spärlich begrasten Sandboden hinterlassen. Dann ist es so weit: „Geküsst!“, triumphiere ich und recke die Arme in die Luft. Die Kugel hat den Zielball berührt. Weil ja sonst keiner da ist, sehe ich mich suchend nach dem Balkonzuschauer um. Er ist verschwunden. Enttäuscht sammele ich die Kugeln ein.

Da steht der Balkonmann neben mir. Er redet nicht, aber er hat Kaffee und einen Klappstuhl mitgebracht. Als er das erste Mal wirft, passiert uns ein blau gestreiftes Fahrzeug. Erstaunte Gesichter, kurze, ungläubige Blicke durch Polizeiwagenscheiben. Vorbei sind sie.

An der Ampel hält der Wagen. Setzt den Blinker. U-Turn? Der Blinker geht wieder aus. Die Beamten fahren weiter.

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