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Facebook mal wieder im Fokus.

© p-a/dpa

Big Data & Facebook: Eine Drohung namens Birkenstock

Warum nervt Facebook mit Werbung für Birkenstocksandalen oder "Schutzhosen nach der Beschneidung"? Und ist Big Data dann am Ende ganz harmlos?

Facebook schlägt vor, ich solle mir Birkenstocksandalen kaufen. Nun grübele ich, ob Facebook das gemacht hat, weil es eben weiß, dass ich mir noch nie im Leben Birkenstocksandalen gekauft habe und die also in meiner Sammlung fehlen. Oder ob Facebook einfach überhaupt keine Ahnung hat, wen es gerade mit welcher Werbung nervt.

Viel ist in diesen Monaten von „Big Data“ die Rede. Also der Möglichkeit, durch die Auswertung riesiger Datenmengen und aller hinterlassener Online-Spuren clevere Schlüsse zu ziehen – und dann zum Beispiel Internetnutzern genau die Produkte anzudrehen, für die sie empfänglich sind.

Die eine wichtige Frage dabei lautet, ob dies für den Nutzer gut oder schlecht ist, ob er also besser informiert wird oder leichter bevormundet und abgezockt werden kann. Die andere wichtige Frage lautet, ob „Big Data“ beim derzeitigen Stand der Technik überhaupt umsetzbar ist.

Wenn man so eine moralisch umstrittene wie logistisch aufwendige Taktik jemandem zutraut, dann ja wohl  Facebook. Ich selbst war dort nie um Anonymität bemüht, klicke seit Jahren, was mir gefällt, hinterlasse Spuren en masse, akzeptiere Cookies und vergesse, Häkchen zu entfernen. Es kann doch nicht so schwer sein, da herauszurechnen, was mich interessiert. Und dann, Herrgott noch mal, Birkenstocksandalen?

Eine kleine Umfrage unter Freunden bringt erschütternde Resultate: Ein führerscheinloser Freund erhält etwa das Angebot, sein Auto zu verkaufen. Ein Berliner bekommt CSU-Werbung. Eine Bekannte soll sich "Schutzhose für nach der Beschneidung" kaufen". Ganz viele berichten, dass sie nach dem Kauf von Möbeln monatelang Werbung für exakt dieses Möbelstück erhalten. Also würde, wer sich eine Hollywood-Schaukel bestellt, ganz sicher noch eine zweite benötigen.

Es sind natürlich gigantische Datenmengen, die jede Minute durchs Internet geschoben werden. Allein 2,5 Millionen neue Einträge auf Facebook, dazu 200 Millionen verschickte Mails, vier Millionen Suchanfragen auf Google, 72 Stunden Youtube-Videos.  Alles pro Minute! Experten glauben, dass dieses Jahr mehr als 900 Exabytes durch das Internet wandern werden, das wären ausgeschrieben ... Moment ... 900 000 000 000 000 000 000 Bytes. Um die zu sichern, bräuchte es 62,5 Billiarden dieser kleinen schwarzen Disketten, falls Sie sich noch erinnern. Es ist schon eine Herausforderung, all diese Daten zu filtern und daraus sinnvolle Schlüsse zu ziehen.

Die Anhänger von „Big Data“ glauben, dass es möglich ist. Dass „Big Data“ bald unser gesamtes Wirtschaftsleben verändern wird. Man könnte diese Menschen getrost belächeln und im Geiste mit Birkenstocksandalen bewerfen. Gäbe es da nicht die unglaubliche Geschichte einer 15-jährigen Schülerin aus dem US-Bundesstaat Minnesota. Sie klingt nach Verschwörungstheorie, ist aber wahr. Also: Die 15-Jährige bekam eines Tages Post von der Supermarktkette Target - es waren Coupons für Babykleidung und Kinderbetten. Ihr Vater fand das unverschämt, so etwas schickt man doch keiner Minderjährigen. Wollte Target seine Tochter etwa zu einer Teenie-Schwangerschaft verführen? Der Vater fuhr zur nächstbesten Target-Filiale, um dort den Manager zusammenzufalten. Der Arme entschuldigte sich und sprach von einem schlimmen Irrtum, bis Nachforschungen ergaben: Die Coupons hatte ein Computer verschickt. Weil der registriert hatte, dass die 15-Jährige bestimmte Produkte gekauft hatte, die typischerweise schwangere Frauen konsumieren (etwa mehr Körperlotion, gegen die Schwangerschaftsstreifen). Noch ein paar Tage später stellte sich heraus, dass die Tochter tatsächlich schwanger war. Sie hatte es bloß noch nicht ihrem Vater gestanden.

Um die Risiken und Chancen realistisch einschätzen zu können, hat sich diese Woche nun endlich eine Digital-Expertin in die Debatte eingemischt, die vor zwei Jahren bereits mit der Internet-Definition "Neuland" einen kleinen Hit gelandet hatte. Auf einem Kongress in München sagte sie: „ ,Big Data‘ ist keine Bedrohung, sondern die Wertschöpfungsmöglichkeit der Zukunft.“ Gut, dass dies geklärt ist. 

Frühere Kolumnen finden Sie hier, hier, hier und hier.

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