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Elena Senft schaltet nie ab: Die fiesen Tricks der Callcenter

Mit Telefonhotline-Mitarbeitern ist es wie mit Politessen oder Mitarbeitern der GEZ. Es ist erlaubt, sie pauschal für inkompetent zu halten und öffentlich zu verachten, obwohl jedem klar sein wird, dass es sich bei jedem dieser Menschen um nette Leute mit einer Vielzahl positiver Eigenschaften handeln dürfte.

Mit Telefonhotline-Mitarbeitern ist es wie mit Politessen oder Mitarbeitern der GEZ. Es ist erlaubt, sie pauschal für inkompetent zu halten und öffentlich zu verachten, obwohl jedem klar sein wird, dass es sich bei jedem dieser Menschen um nette Leute mit einer Vielzahl positiver Eigenschaften handeln dürfte. Man wird in jeder Kneipenrunde bedingungsloses Ankumpeln erfahren, wenn man in stammtischhaftem „Die da oben, wir da unten“-Duktus darüber doziert, wie man nur mal kurz erfragen wollte, warum die DSL-Rechnung jeden Monat doppelt abgebucht wird und schon einen halben Tag lang hospitalisiert in der Wartschleife einer sauteuren Hotline hing und seinen Körper im Takt von „Für Elise“ schaukelte.

Die jahrelange Kritik an Callcentern hätte zur Folge haben können, dass Unternehmen ihre Mitarbeiter mit besserer Sachkenntnis versehen, sie mit Vokabular ausstatten, das auch Menschen verstehen, die nicht wissen, was ein Treiber ist und ihre Ausbildung mit einer psychologischen Schulung abrunden. Da dies vielerorts nicht geschehen ist, haben Callcenter-Mitarbeiter ihre eigenen Methoden perfektioniert, sich lästige Anrufer vom Leib zu halten.

Bewährter Trick ist es, den Anrufer durch eine Reihe emotionaler Phasen zu jagen, die in perfekter Mischung das psychische Ausbluten zum Ziel haben. Es beginnt mit Verärgerung (Anruf wegen eines bestehenden Problems), geht über in Enttäuschung (man darf seine Wut nicht sofort ausleben, denn es ertönt eine Hotline- Melodie), es folgt blanke Wut (Minuten vier bis neun in der Warteschleife, in der eine Computerstimme zwischendurch behauptet, dass der nächste freie Mitarbeiter „bereits reserviert“ sei, obwohl jeder weiß, dass das eine Lüge ist), erreicht absolute Abstumpfung (Minute zehn bis sechzehn mit „A Horse with no Name“), um schließlich einen riesigen Amplituden-Ausschlag hervorzurufen, wenn plötzlich die Stimme eines echten Menschen am anderen Ende der Leitung ertönt und man auf diese Tatsache ungewollt in einer Stimmlage reagiert wie Tom Hanks in „Cast away“, als er glaubt, einen echten Menschen gesehen zu haben.

Innerhalb des Kundengesprächs gehört es zur Verstörungstaktik des Mitarbeiters, den Namen des Kunden permanent zu wiederholen, was Pflicht ist, um sich abzusichern, dass der renitente Kunde am Ende nicht behauptet, die mobile Internetfunktion sei ihm gegen seinen Willen untergejubelt worden. Diese Regel wird auch bei sehr langen Namen konsequent durchgezogen und Frau „Schweigert-Beegemann“ beginnt beim achtzehnten Mal nachzurechnen, dass allein die Wiederholung ihres Namens mehrere Euro gekostet haben dürfte.

Ein großartiger Trick, um das Kunden-Selbstbewusstseins zu untergraben, ist es, ihn unter fadenscheinigen Gründen, die er ja eh nicht nachvollziehen kann, aufzufordern, sein selbst gewähltes Kennwort zu nennen. Wer erst mal „Borussenhexchen“ in den Hörer gemurmelt hat, kann kaum hinterher autoritär verlangen, mal bitte den Vorgesetzten zu sprechen. Am Ende holt der Callcenter-Mitarbeiter zum finalen Schlag aus, indem er sagt, er würde einen nun zum „Kollegen in der Technik“ durchstellen.

Letzte Woche präsentierte mir eine Telefon-Hotline einen beeindruckenden Trick, um sich lästige Anrufer vom Leib zu halten. Ich habe seit kurzem wieder ein echtes, altmodisches Festnetztelefon, das Probleme bereitete. Die Callcenterdame führte mich souverän durch einen etwa fünfminütigen Maßnahmenkatalog, an dessen Ende sie mich aufforderte, nun zur endgültigen Lösung den Stecker des Telefons zu ziehen. Selbstverständlich war das Gespräch sofort beendet und die Leitung tot. Zugegebenermaßen ein ziemlich guter Trick.

An dieser Stelle wechseln sich ab: Elena Senft, Moritz Rinke, Esther Kogelboom und Jens Mühling.

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