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Amerikanische Düsenjäger auf dem Weg zu ihrem Einsatz in Korea.

© pa/dpa

Korea 1953: Der Krieg, der nicht endete

In nur drei Jahren wird die koreanische Halbinsel verwüstet, Millionen Menschen sterben. Im Juli 1953 kommt es zum Waffenstillstand – doch Frieden gibt es bis heute nicht.

Die Amerikaner hatten sich verschätzt. Sie glaubten, den Krieg schon gewonnen zu haben. Die Nordkoreaner galten als geschlagen, ihre Invasion des Südens im Juni 1950 war gescheitert.

Seit November standen die Amerikaner nun im Grenzgebiet zu China. Doch mit einem Eingreifen Pekings rechnete man in Washington nicht. Amerikas Held aus dem Pazifik-Krieg gegen Japan, Douglas MacArthur, vermutete zwar 300 000 chinesische Soldaten in der Mandschurei, davon ein Drittel am Grenzfluss Yalu. Gegenüber Präsident Harry Truman aber gab er sich siegessicher: „Die chinesischen Kommies haben keinen Luftschirm. Es gäbe die allergrößte Schlächterei, wenn sie versuchten, Bodentruppen hinüberzukriegen. Sie würden vernichtet.“

Doch eben dieses Schicksal sollte in Wirklichkeit den UN-Truppen bevorstehen, die den nordkoreanischen Aggressor bis zur chinesischen Grenze zurückgeschlagen hatten. Als ab dem 25. Oktober 1950 Angriffswellen hunderttausender Soldaten aus China über sie hereinbrachen, gab es kein Halten mehr. Der Publizist Jörg Friedrich hat in seinem Werk „Yalu – An den Ufern des dritten Weltkriegs“ den Zusammenbruch der amerikanischen 8. Armee treffend beschrieben: „Seit der Niederlage Frankreichs im Mai 1940 war solch ein Fiasko nicht gesehen worden.“ Ein unglaublicher Anblick war das: eine US-Armee, die, Waffen und Verwundete dem Schlachtfeld überlassend, um ihr Leben rennt.

Die Soldaten der Vereinten Nationen und der USA wären in diesem für sie bitteren Moment nur allzu gern nach Hause zurückgekehrt. Am 15. Dezember 1950 zogen sie sich hinter den 38. Breitengrad, der noch heute den Norden vom Süden Koreas trennt, zurück.

Am 7. Januar 1951 schrieb Private James Cardinal vom 5. Kavallerieregiment an seine Eltern in New York: „Es sieht aus wie der Anfang vom Ende. Die Chinesen treten der U.S. Army den Arsch aus der Hose, und ich denke, wir gehen raus. Wenn die großen Tiere in Washington vorhaben, hier weiter zu kämpfen, machen sie den größten Fehler ihres Lebens, denn ich glaub’ nicht, dass wir die Gelben aufhalten können. ... Wir haben alle das Gefühl, dass wir verladen worden sind von unserer unfähigen, dämlichen Führung vom Weißen Haus abwärts.“ Man solle Briefe an die Kongressabgeordneten schicken, damit man zu Hause wach werde.

Wie hatte es zu diesem Desaster kommen können?

Das US-Engagement in Korea stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Nach 36 Jahren japanischer Kolonialherrschaft hatten die Koreaner gehofft, das Ende des Zweiten Weltkrieges werde ihnen die Freiheit bringen. Doch schon vor der Kapitulation Japans hatten die USA und die Sowjetunion beschlossen, Korea entlang des 38. Breitengrades in zwei Besatzungszonen zu teilen.

Der Norden wie der Süden beanspruchten jeweils für sich, legitimer Sachwalter des gesamten Landes zu sein. Seoul sah sich als „Vorposten der freien Welt und im Feldzug gegen den Kommunismus“, Pjöngjang als „Basis der koreanischen Revolution und als Bollwerk nationaler Befreiung“. Beide Regierungen betonten, zur Not werde man mit Gewalt die nationale Einheit wiederherstellen. Beinahe tägliche Provokationen und bewaffnete Konfrontationen entlang der Demarkationslinie am 38. Breitengrad waren die Folge und begannen sich ab der Jahreswende 1949/50 zu häufen.

Lässt sich Pjöngjang in drei Tagen erobern?

Die USA hatten mit Südkoreas Präsident einen schwierigen Verbündeten. Amerikas Außenminister Dean Acheson sah sich mehrfach gezwungen, zu rügen, wie launisch und unkalkulierbar Rhee Syng-man agierte. Öffentlich brüstete sich der Präsident damit, für einen Krieg gerüstet zu sein und „im Marsch gen Norden Pjöngjang innerhalb von drei Tagen zu erobern“.

Auch er sollte sich irren. Seine Streitkräfte waren nicht nur an Mannschaftsstärke dem Norden unterlegen, sondern auch bei Ausbildung und Material. So verfügten sie weder über Panzer noch über Kampfflugzeuge. Und im Gegensatz zum nordkoreanischen Gegner, der einen Guerillakrieg gegen die japanischen Besatzer geführt hatte, hatten die lediglich leichtbewaffneten Truppen des Südens keine Kampferfahrung. Ihre Offiziere hatten teilweise sogar mit den Japanern kollaboriert und in der Kolonialgendarmerie gedient.

Doch auch Nordkoreas kommunistischer Führer Kim Il Sung verkannte die Lage. Sein Regime glaubte, dass sich nach der Proklamation der Volksrepublik China 1949 durch Mao Zedong die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Krieg gegen den Süden deutlich verbessert hatten.

Der Münsteraner Soziologe Du-Yul Song und der Korea-Dozent an der Akademie für Internationale Zusammenarbeit in Bonn, Rainer Werning, berichten in ihrem jüngsten Werk zur Geschichte Koreas, es sei mittlerweile verbürgt, wie Kim Il Sung ab 1949 sowohl die Sowjetunion als auch China um logistische Unterstützung für einen Feldzug gegen Seoul bat. Auf der Grundlage inzwischen geöffneter russischer Archive sei nun bekannt, dass er 1949/50 mehrere Geheimreisen unternommen habe, um Stalin und Mao davon zu überzeugen, der Zeitpunkt sei günstig, das Regime von Rhee Syng-man zu stürzen.

Im Frühjahr 1950 gaben Moskau und Peking grünes Licht für die Kriegspläne. Die Sowjetunion hatte inzwischen die Streitkräfte Kim Il Sungs mit Panzern, Geschützen und Kampfflugzeugen ausgerüstet. In einem Blitzkrieg mit Panzerverbänden an der Angriffsspitze begannen nordkoreanische Soldaten am 25. Juni 1950, in den Süden einzumarschieren – laut dem Sinologen Martin Guan Djien Chan ein „Feldzug nach dem Lehrbuch“.

Lehrbuchhaft verlief für den Norden jedoch nur die erste Phase des Krieges: Die Verteidigung der Südkoreaner brach rasch zusammen. Seoul fiel bereits in den ersten Tagen. Die nordkoreanischen Angriffspitzen drangen schnell bis an das südliche Ende der Halbinsel vor. Der Süden schien geschlagen – eine Intervention der USA wenig wahrscheinlich. Der Westen galt fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges als kriegsmüde. Sollte er wirklich auf einem abgelegenen asiatischen Schauplatz eingreifen wollen? Er sollte.

Noch am selben Tag, an dem die ersten Panzer Nordkoreas in den Süden eindrangen, brachten die USA eine Resolution in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ein, den damals die Sowjetunion boykottierte und ihm daher zu diesem Zeitpunkt nicht angehörte – aus Protest gegen die Weigerung von Tschiang Kai-schek auf Taiwan, seinen Sitz an die Volksrepublik China abzutreten. Folglich stimmte man im Sicherheitsrat umgehend der Forderung Washingtons zu, mit einem eigenen Truppenkontingent Südkorea zu unterstützen und die „Aggression Nordkoreas“ zu stoppen.

Pjöngjang hatte sich verkalkuliert: Mit einem UN-Mandat am 27. Juni 1950 versehen, intervenierten die USA. Ihnen zur Seite stand eine UN-Streitmacht aus 20 Staaten. Sie sollte de jure als multilateraler Schirm dienen, stand aber faktisch unter US-Kommando. Die Intervention kam in letzter Minute. Eilends von Japan nach Südkorea verlegte US-Truppen verhinderten, dass auch die Hafenstadt Busan fiel, die letzte Bastion im Süden.

Die amerikanischen Eingreiftruppen waren davon überzeugt, dass sie in Korea allenfalls ein wenige Wochen dauerndes „Abenteuer“ erwartete – ebenfalls ein für tausende GIs tödlicher Irrtum. Vor allem die 24. Infanteriedivision der damals in Japan stationierten 8. US-Armee erlitt schwere Verluste und verlor gegen die vorrückenden Nordkoreaner rund 30 Prozent ihrer Soldaten.

Nach drei Wochen schrieb der Militärkorrespondent der „New York Times“: „Wir stehen in Korea einem Barbarenheer gegenüber. Aber es sind Barbaren, so geübt, unbarmherzig und lebensverachtend wie die Horden Dschingis Khans.“

MacArthur, Oberbefehlshaber der UN-Truppen in Korea, von dem berichtet wird, dass er am ersten Kriegstag den Feind mit einer Hand erledigen und am zweiten von der 1. Kavalleriedivision zur mandschurischen Grenze jagen lassen wollte, bis keiner mehr zu sehen sei, musste bereits Mitte Juli 1950 erkennen, dass auf nordkoreanischer Seite die Verbindung von Fanatismus, kundiger Führung und schlichtem Kampfgeist einen überaus zähen Gegner schuf. Wie war dieser zu schlagen?

MacArthur bediente sich der Überlegenheit der US-Navy. Am 15. September 1950 landeten 70 000 UN-Soldaten bei Incheon südwestlich von Seoul. Sie standen damit im Rücken der Nordkoreaner und schnitten ihnen den Nachschub ab. Zugleich startete die Gegenoffensive der Vereinten Nationen von der Verteidigungsbastion Busan im Süden aus. Pjöngjangs Armee saß in der Falle. Ihre Einheiten wurden zerschlagen oder lösten sich selbst auf.

Um Seoul wurde erbittert gekämpft. Straße um Straße, Haus um Haus. Die Verluste waren grauenhaft. Eine Kompanie der 5. Marines verlor 176 von 206 Mann. Ein Arzt der Navy erinnerte sich, er habe bereits genug Verwundete gesehen, in diesem Krieg und zuvor im Weltkrieg, aber noch nie so viele so schnell auf so engem Raum. Am 25. September 1950, dem offiziellen Tag der Befreiung von den Nordkoreanern, sah Seoul in den Augen der Marines so desaströs aus wie Tokio 1945. Die „Prawda“ in Moskau nannte die Schlacht ein Stalingrad.

Die Truppen der Vereinten Nationen rückten weiter in den Norden vor. Dessen Armee war weitgehend vernichtet, als Pjöngjang am 19. Oktober 1950 fiel. Hatte es zu Beginn des Krieges nach einem raschen Sieg der Nordkoreaner ausgesehen, schien nun das Ende Nordkoreas gekommen. Das aber wollte China nicht zulassen. Dem Irrtum des Nordens, die USA und die UN würden dem Süden nicht zur Hilfe eilen, folgte nun die Fehleinschätzung Washingtons, Peking würde nicht aktiv in den Krieg eingreifen. Entsprechend unvorbereitet zeigten sich beide Seiten auf die jeweiligen Gegenoffensiven.

Am Grenzfluss Yalu setzte Mao auf den chinesischen Volkskrieg. Masse statt Klasse lautete das Prinzip. Die Volksbefreiungsarmee wurde ohne Rücksicht auf Verluste in die Schlacht geworfen. Sowjetische Piloten gaben Deckung aus der Luft. In scheinbar endlosen Angriffen überschwemmte die chinesische Infanterie die Stellungen der Amerikaner und ihrer Verbündeten. Wieder ging es zurück in Richtung Busan.

Das 39. Korps der Chinesen vernichtete das 8. US-Kavallerieregiment fast vollständig. Auch weitere Teile der 8. US-Armee, die den Rückzug der Südkoreaner deckten, wurden aufgerieben. Der Potsdamer Historiker Bernd Stöver zählt in seiner gerade erschienenen Geschichte des Koreakrieges sieben große Offensiven der chinesischen Volksbefreiungsarmee, wobei die härtesten und auch für die Amerikaner verlustreichsten Operationen bis zum Mai 1951 stattgefunden hätten.

Dank der amerikanischen Feuerkraft und Luftüberlegenheit stabilisierte sich die Front am 38. Breitengrad. Doch zu welchem Preis: Auf Korea fielen mehr Bomben als auf Deutschland im Zweiten Weltkrieg. US-Luftwaffengeneral Curtis Le May bilanzierte: „Wir haben fast jede Stadt in Nord- und Südkorea niedergebrannt. Wir haben über eine Million koreanischer Zivilisten getötet und mehrere Millionen aus ihren Häusern vertrieben.“

Die erneute Rückeroberung des Südens durch die UN-Truppen war ein zähes und für alle Kriegsparteien äußerst verlustreiches Ringen. Der Waffenstillstand, der die schließlich einem Stellungskrieg ähnelnden Kämpfe stoppte, war nicht zuletzt ein Zeichen der Erschöpfung. Der Preis dieses Krieges ohne Sieger war hoch: 900 000 chinesische Soldaten, jeweils mehr als eine Million des Nordens und des Südens sowie 54 000 Amerikaner waren gefallen. Ein Sieg über den Gegner schien aussichtslos. Die Frustration war hoch.

Die Zeremonie des Waffenstillstands am 27. Juli 1953 in Panmunjom in der heutigen demilitarisierten Zone zwischen Nord- und Südkorea fiel entsprechend kühl aus. Als die Dokumente in koreanischer, chinesischer und englischer Sprache unterzeichnet wurden, gab es weder einen Handschlag, noch wurde ein Wort gewechselt.

General Mark W. Clark, der Oberkommandierende der UN-Streitkräfte, mahnte, dass der Konflikt nicht beendet sein werde, bevor die Regierungen eine politische Übereinkunft erzielt haben würden. Und General Maxwell D. Taylor, Befehlshaber der amerikanischen 8. Armee, betonte, dass ein Waffenstillstand „kein Grund zu ungezügelter Freude“ sei.

Wie sehr beide damit recht hatten, wurde zuletzt im März dieses Jahres deutlich. Da verkündete Pjöngjang, den Waffenstillstand von 1953 nicht mehr anzuerkennen. Auf der koreanischen Halbinsel ist der Krieg bis heute nicht beendet.

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