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Christa Müller

© dpa

Lafontaines Ex-Frau Christa Müller: "Wozu braucht man eigentlich noch Männer?"

Sie gab ihre Karriere auf, bekam ein Kind, pflegte Mutter und Schwiegermutter – dann ging ihr Mann Oskar Lafontaine. Christa Müller über wehrhafte Hausfrauen, das Betreuungsgeld und ihren Ärger über Feministinnen.

Von Barbara Nolte

Frau Müller, zuletzt traten Sie als heftige Gegnerin der Krippenbetreuung von Kleinkindern in Erscheinung. Seit dieser Woche gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz.

Wer sein Kind in eine Krippe geben will, soll das tun. Da will ich niemandem reinreden. Ich finde nur, dass alle Eltern die 1000 Euro im Monat bekommen müssten, mit denen der Staat jeden Krippenplatz subventioniert. Dann könnten sie frei entscheiden, ob sie mit dem Geld einen Krippenplatz bezahlen wollen oder sich selbst.

Dafür gibt es doch neuerdings das Betreuungsgeld, auch Herdprämie genannt, weil es einen finanziellen Anreiz schafft, dass Mütter Hausfrauen werden.

Wegen 100 Euro? Das ist doch lächerlich. Die Wirtschaft will, dass die Frauen schnell wieder arbeiten gehen. Die meisten Frauen wollen das nicht. Sie müssen es mitunter tun, weil das Gehalt ihrer Männer nicht reicht. Unsere Gesellschaft braucht Kinder. Kindererziehung ist gesellschaftlich wichtige Arbeit, die angemessen bezahlt werden muss. Ich halte ein echtes Erziehungsgehalt für sinnvoll, bis ein Kind erwachsen ist. Erst monatlich 1600 Euro pro Kind, später weniger.

Auf einem Parteitag der Linkspartei, der Sie angehören, wurde Ihr Vorschlag heftig kritisiert.

Das war brutal.

Wie erklären Sie sich den Gegenwind auch außerhalb Ihrer Partei?

Bei dem Thema haben Politikerinnen und Journalistinnen das Sagen, die wenige, manchmal keine Kinder haben. Ihre Jobs sind außerdem attraktiv. Sie wollen sie auch mit Kindern weiter ausüben. Die Frauen, die familienorientierter sind, mehrere Kinder haben, engagieren sich nicht politisch, weil sie keine Zeit dazu haben. Die Interessen dieser Frauen fallen hinten runter. Ich zähle mich jetzt mal dazu. Für mich hatte in den letzten 14 Jahren die Familie Priorität. Mein Sohn, der Stiefsohn, die Omas, die bei uns wohnten, und…

… der Ehemann.

Der weniger. Mit so zwei alten Omas kommt der Mann ein bisschen zu kurz.

Sehen Sie nicht die Gefahr, dass Frauen mit dem Betreuungsgeld oder einem Erziehungsgehalt, wie Sie es nennen, in eine Falle gelockt werden? Fast jede zweite Ehe wird geschieden…

… aber das wissen wir doch alle.

Frauen sollten Ihrer Meinung nach einkalkulieren, dass ihre Beziehung früher oder später endet?

Klar. Mich ärgert an diesen Alice Schwarzers, dass sie vorgeben zu wissen, was für andere Frauen das Beste ist: voll erwerbstätig zu sein. Früher haben die Männer den Frauen gesagt, was sie zu tun haben. Heute sind es die Feministinnen. Die Mehrheit der Frauen will ja in ihren Beruf zurückkehren, wenn ihr Kind drei Jahre alt ist, allerdings Teilzeit. Ein ergänzendes Erziehungsgehalt würde sie mit den Männern gleichstellen. Die Mehrheit der Frauen wird auch in Erwägung ziehen, dass ihre Ehe vielleicht mal kaputtgeht.

Seit Februar sind Sie von Oskar Lafontaine geschieden. Haben Sie das Scheitern Ihrer Ehe einkalkuliert?

Nein. Aber ich bin jemand, der vorausdenkt. Ich hatte immer mein eigenes Geld und bekomme auch jetzt keinen Unterhalt.

Sie arbeiten?

Als Hausfrau habe ich von morgens um halb sieben bis abends nach acht gearbeitet. Sie meinen, ob ich erwerbstätig bin? Ich verwalte Immobilien. Ich mag irgendwie Häuser. Gerade renoviere ich ein Mietshaus in Saarbrücken. Der Job lässt mir genug Zeit, meinen Sohn herumzufahren. Er ist 16, und bei uns auf dem Land gibt es keinen Bus.

Sie galten als Karrierefrau, waren Ökonomin beim SPD-Parteivorstand, als Sie in den 90ern als neue Frau von Oskar Lafontaine in die Öffentlichkeit traten. Deshalb verwundern Ihre Positionen so.

Ich wünschte mir damals schon Kinder. Und was meine Karriere betrifft: Die war in dem Moment vorbei, als die Beziehung zu meinem Mann bekannt wurde. Von meinen Fähigkeiten her wäre es naheliegend gewesen, dass ich einen guten Job in einem Ministerium bekomme. Mein Mann und ich hatten aber Bedenken, dass es heißt, die kriegt den Job nur, weil sie die Frau vom Oskar ist. Ich habe mir gesagt, ich verstehe mich gut mit diesem Mann. Ich treffe vielleicht nie mehr einen besseren. Ich verzichte auf die Karriere. Ein reifer Mensch zeichnet sich meiner Ansicht nach dadurch aus, dass er weiß, dass man im Leben nicht alles haben kann.

Sie haben einmal Frauen empfohlen, sich einen Partner danach auszusuchen, ob er einen guten Familienvater abgeben würde.

Wenn man Familie will, und das wollen viele Frauen, ist das sicher sinnvoll.

Sie haben auch nach einem Familienvater gesucht?

Eigentlich schon. Das Leben ist halt manchmal anders, als man denkt.

Im Rückblick ärgern Sie sich sicher darüber, auf Ihren attraktiven Job verzichtet zu haben.

Nein. Ich habe mal überlegt, wo ich im Beruf Spuren hinterlassen habe, und bin zum Schluss gekommen, dass das, was ich tat, so bedeutend nicht war. Wenn ich mir dagegen überlege, was ich mit dem Großziehen meines Kindes und mit der Betreuung meiner Schwiegermutter und meiner Mutter geleistet habe – für diese Menschen habe ich Lebensqualität geschaffen. Meine Schwiegermutter wurde über 90, meine Mutter wird jetzt 96. Ich habe viel mit Journalistinnen zu tun. Die halten sich für ungeheuer wichtig. Da liegt es mir auf der Zunge, zu sagen: „Was ist, wenn Sie jetzt sterben? In der Minute, in der Ihr Tod bekannt wird, geht das Gerangel um ihre Stelle los.“ Jeder ist so schnell ersetzt im Beruf. Aber bei seinem Kind fehlt man. Das sind die wahren Werte. Wir Frauen sind da anders gestrickt als Männer.

]Die Erwerbsarbeit nicht zu hoch zu hängen, ist nicht typisch weiblich, sondern vernünftig. Das muss auch den Männern zu vermitteln sein. Am besten wäre es, wenn Frauen und Männer weniger arbeiten und sich die Kindererziehung teilen.

Das wird aber nie der Fall sein. Eine Soziologin hat mal Paare befragt. Die Männer sagten, dass sie, wenn sie die Hälfte der Erziehungsarbeit machen müssten, auf Kinder verzichten würden. So ist das.

Wollen wir doch mal sehen, ob das wirklich so ist…

… die Geburtenraten sind, wie sie sind: nicht sehr hoch. Ich kenne einige Frauen um die 30, die würden gern eine Familie gründen und finden keinen Partner. Wir Frauen aus meiner Generation sagen: Kriegt eure Kinder ohne Mann. Wir helfen euch. Nach dem neuen Scheidungsrecht bekommen Frauen ohnehin keinen Unterhalt. Wenn die Männer keine Verantwortung mehr für die Kinder übernehmen, und das ist zunehmend der Fall, muss man sich fragen, wozu man sie eigentlich noch braucht.

Jetzt klingen Sie wie eine Feministin.

Bin ich ja auch. Es gibt vom Familienministerium Studien zur Arbeitszeit. Frauen, die sich um die Kinder kümmern und zugleich erwerbstätig sind, wenn auch nur Teilzeit, haben höhere Arbeitszeiten als Männer. Wenn Emanzipation bedeutet, dass wir Frauen jetzt mehr arbeiten als die Männer, dann ist etwas schiefgelaufen.

Männer, Frauen und Instinkte

Die Facebook-Managerin Sheryl Sandberg, die sich für Gleichberechtigung einsetzt, sagt, dass Frauen dafür kämpfen sollen, Unterstützung zu bekommen, um es im Beruf mit den Männern aufzunehmen.

Ich sage, wir Frauen sollen dafür kämpfen, in unserer Rolle als Frau anerkannt zu werden. Frauen und Männer müssen gleichwertig sein, aber doch nicht gleich. Ich finde, eine Erzieherin muss genauso gut bezahlt werden wie ein Facharbeiter. Deshalb bin ich aus der Gewerkschaft ausgetreten. Das sind reine Männervereine. Nie hat sich die Gewerkschaft dafür eingesetzt, dass Tätigkeiten, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden,bezahlt werden wie Männerberufe. Wir werden es nie schaffen, dass 50 Prozent der Männer Erzieher werden. Die Frage ist, ob das überhaupt gut wäre. Um kleine Kinder können sich Frauen besser kümmern. Männern fehlt da irgendeine Ader. Sie sind oft zu hart.

Es ist doch nicht genetisch festgelegt, dass Männer strenger sind.

Ich spreche von der Mehrheit der Männer, und die hat andere Instinkte als Frauen. In Amerika hat man mal Männern und Frauen Brillen aufgesetzt, mit denen man anhand der Augenbewegungen Interesse messen kann. Erst wurden ihnen Babys gezeigt – keine Reaktion. Es folgten leicht bekleidete Frauen. Alle Männer: Glupsch, glupsch, glupsch. Die Frauen reagierten begeistert auf die Babys, während leicht bekleidete Männer sie kaltließen.

Und was folgt daraus?

Es ist eine Illusion, dass sich die Mehrheit der Männer unter den jetzigen Bedingungen in der Kindererziehung so engagiert wie die Frauen. Man kann die Männer nicht dazu zwingen. Dann sagen sie Tschüss und gehen.

Männer gehen doch auch aus anderen Gründen. Das ist bei den bürgerlichen Großstadtmüttern nicht anders als bei Ihnen. Die Familie ist dann nur noch ein Rumpf. Dass sich die Frauen lange Jahre aufgeopfert haben, wird mit einem Mal sinnlos.

Wenn der Mann geht, bleibt die Familie bestehen. Sie ist nur um ein Mitglied kleiner geworden.

Sie sind mit Ihrem Sohn im Haus bei Saarlouis wohnen geblieben, was man von Fotos kennt. Früher lebten dort Ihre Mutter und Lafontaines Mutter. Sie haben sie gepflegt.

Ja, wir fragten jeden Morgen meine Schwiegermutter: „Oma, wie geht’s?“ Ihre Standardantwort war: „Ich wollt’, es wäre vorbei.“ Wenn wir Einladungen hatten, saßen die Omas immer mit dabei. Meine Mutter kannte Gregor Gysi. Bei uns gab es Enkel, Tiere, Gäste. Dennoch war auch meine Mutter nie richtig glücklich. Man muss das Thema mal enttabuisieren: Es ist gar nicht toll, so lange zu leben.

Was soll man tun?

Für mich persönlich könnte ich mir vorstellen, mit 80 mit einer Flasche Cognac in die Badewanne zu gehen. Ich will auf keinen Fall richtig alt werden.

Man trinkt die Flasche Cognac und dann?

Schläft man ein. Das Wasser verliert an Temperatur. Man kühlt aus und stirbt. Der humanste Tod: einschlafen, nicht aufwachen. Gott hat uns die Fähigkeit gegeben, unser Leben durch die Medizin zu verlängern. Und er hat uns die Fähigkeit gegeben, es zu verkürzen. Ich denke, er ist mit beidem einverstanden.

Mit 80 haben viele noch ein gutes Leben.

Schon. Aber wenn man es mit 80 nicht tut, macht man es nicht mehr. Später verliert man an Willenskraft. Man schafft es nicht mehr, die Entscheidung zu fällen, sich zu trennen. Das ist wie auf einer Party. Da ist es ja auch schwierig, im schönsten Moment zu gehen. Später aber denkt man, du hättest auch eine Stunde eher gehen können.

Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie keinen neuen Partner mehr haben wollen.

Ich bin nicht unbedingt ein Manhopper. Ich bin im Normalfall auch kein Parteienhopper. Ich war gezwungen, die Partei zu wechseln, nachdem die SPD Kriegseinsätzen zugestimmt hat.

Verfolgen Sie den Wahlkampf?

Es passiert ja nichts. Jetzt wird diese NSA-Geschichte hochgeschrieben. Nur bleibt die Bevölkerung leidenschaftslos. Die meisten scheint es gar nicht so zu stören, abgehört zu werden. Mich auch nicht. Ich habe noch nie etwas Wichtiges am Telefon gesagt, weil mir immer bewusst war, dass ich abgehört werden könnte. Ich denke, die Leute, die etwas geheim halten wollen, halten es genauso.

Von Ihrer Partei, der Linken, hört man nichts.

Das scheint ihr aber nicht zu schaden. Sie hat in Umfragen ein Prozent zugelegt. Wahrscheinlich, weil man keinen Streit von ihr hört. Und ihre Hauptforderungen, Mindestlohn und mehr Steuergerechtigkeit, kommen ja bei vielen Wählern an.

Sie engagieren sich nicht im Wahlkampf.

Nein, in der Familienpolitik kann ich in meiner Partei keine Fortschritte erzielen. Aber ich habe vergangene Woche einen Verein mitgegründet. Er heißt: „Eltern entscheiden selbst. Echte Wahlfreiheit durch ein Erziehungsgehalt.“ Nach 1600 Euro soll es vom 3. bis zum 6. Lebensjahr eines Kindes 1000 Euro, danach 500 Euro geben. Steuern und Sozialabgaben gehen davon ab. Außerdem sollen Kinderärzte oder Kinderpsychologen die Familien, die das Geld beziehen, regelmäßig besuchen. Mit dem System kann außerdem Vernachlässigung oder Missbrauch von Kleinkindern verhindert werden. Zur Finanzierung schlage ich eine Kinderversicherung vor, ähnlich der Pflegeversicherung. Alle Arbeitnehmer zahlen ein. Wer Kinder hat, bekommt etwas zurück. Kindererziehung und Pflegearbeit zu bezahlen, ist übrigens eine Forderung der Frauenbewegung der 70er.

Sympathisieren Sie mit aktuellen feministischen Aktionen wie der Aufschrei-Kampagne, bei der Frauen über Twitter ihre Solidarität mit einer Journalistin bekunden? Der FDP-Politiker Brüderle machte eine Bemerkung, die auf ihr Dekolleté bezogen war.

Schon, auch wenn ich glaube, dass Anzüglichkeiten nicht das Thema sind, sondern das Gewaltverhalten von Männern vor allem im Bereich Sexualität. Ich stehe auch einem Verein gegen Genitalbeschneidung vor. Überall auf der Welt üben Männer Gewalt aus – auch durch Fremdgehen. Angeblich gibt es auch Frauen, die fremdgehen. Ich lerne die komischerweise nicht kennen. Ich lerne nur Frauen kennen, die von ihren Männern unglaublich fies behandelt wurden. Es gibt auch nette Männer, doch die decken die anderen. Darüber brauchen wir eine Debatte: Was sagen Männer dazu, dass andere Männer sich so gemein verhalten?

Die Gewalttätigkeit von Männern glauben Sie mit Diskussionen angehen zu können. Die Zurückhaltung der Männer bei der Kindererziehung sehen Sie als unveränderlich an. Das verstehe ich nicht.

Ich bin doch der Meinung, dass das Erziehungsgehalt die Männer ändert. Wird eine Arbeit bezahlt, gewinnt sie an Wert, und Männer werden eher bereit sein, sie zu tun. Ich habe nichts gegen Hausmänner und nichts gegen Karrierefrauen. Da werde ich oft falsch verstanden. Ich war mal Beamtin in Hessen und mein damaliger Freund freiberuflicher Übersetzer. Wir überlegten, eine Familie zu gründen. Dann wäre ich arbeiten gegangen, und mein Freund hätte sich um die Kinder gekümmert. Ich hätte mir gut vorstellen können, die Rolle des Ernährers zu übernehmen.

Schließlich steckten Sie zurück. Sie galten aber als Einflüsterin von Oskar Lafontaine. Haben Sie manchmal Sehnsucht danach, wieder mit am großen Rad der Weltpolitik zu drehen?

Nein. Ich denke, wir sind alle aus einer gewissen Distanz heraus betrachtet nur ganz kleine Lichter.

Christa Müller, 57, ist Volkswirtin und war familienpolitische Sprecherin der Linkspartei im Saarland. 2005 ist sie mit ihrem heutigen Exmann Oskar Lafontaine aus der SPD ausgetreten. Als Vorsitzende des Vereins „Intact“ engagiert sie sich gegen die Beschneidung von Mädchen. Sie lebt bei Saarlouis.

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