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Die eröffnete Brücke.

© pa/dpa

Lebt die Kleine Hufeisennase?: Dresdner Flugrouten

Die Waldschlößchenbrücke darf nun befahren werden. Auch für die Kleine Hufeisennase wurden Wege gefunden.

Von Andreas Austilat

Karl Hartmut Müller seufzt. Es hört sich fast so an, als ob er das immer tut, wenn man die Kleine Hufeisennase erwähnt – und als ob er auf das Tier nicht gut zu sprechen wäre. Das könnte man gut verstehen, wenn Müller Straßenplaner, Dresdner FDP-Mitglied oder irgendein anderer harter Befürworter der Waldschlößchenbrücke wäre. Immerhin war die Fledermaus Rhinolophus hipposideros mit der charakteristischen Nase schuld, dass die Elbbrücke am 26. August dieses Jahres nur unter Auflagen eröffnet werden durfte.

Müller ist jedoch Mitglied im Naturschutzbund (Nabu). Und der hatte neben dem Bund für Umwelt- und Naturschutz lange die Klage der Grünen Liga gegen das Bauwerk mitgetragen. Außerdem ist Müller Kreisnaturschutzbeauftragter in Dresden. Ein Ehrenamt, das bedeutend klingt, ihm aber keine Befugnisse gibt. Seine Aufgabe ist die Bestandsaufnahme. „Die Kleine Hufeisennase“, sagt er, „da haben sich doch alle dran hochgezogen.“ Ein Tier mit einem derart komischen Namen habe es leicht gemacht, den Naturschutz ins Lächerliche zu ziehen. Dabei ging es um viel mehr.

Man hätte zahlreiche Tierarten rausgreifen können, findet Müller. Den Elbebiber, den Wachtelkönig, den Juchtenkäfer oder den Wiesenknopf-Ameisenbäuling, alle fanden vor Gericht keine Gnade. Man hätte auch das große Ganze ins Auge fassen können: ein stadtnahes unbebautes Gebiet von europäischem Rang, Kettenglied in einem Schutzsystem, das von Hamburg bis zur tschechischen Grenze reicht und nun ausgerechnet hier unterbrochen werde. Aber Verbände können nicht gegen die Zerstörung einer Landschaft klagen. Das geht nur, wenn es um konkrete Eingriffe geht, bei denen hochgradig schutzbedürftige Arten betroffen sind.

Die Kleine Hufeisennase ist so eine Art. 2007 hob das Bautzener Oberverwaltungsgericht den von der unteren Instanz beschlossenen dreimonatigen Baustopp auf. Dafür verfügte es Schutzauflagen für den zwergenhaften Flieger. Denn die Population, die hier an der Elbe besteht und um die 1000 Tiere umfassen soll, ist ziemlich einzigartig.

Das Gericht erkannte, Gefahr für die Fledermaus gehe nicht von der Brücke selbst aus. Wenn sie sich aber bei der Insektenjagd auf ihr Opfer fokussiert, könne es passieren, dass sie mit querenden Autos kollidiert. Vor allem, wenn Letztere so schnell sind, dass die Fledermaus, die mit einem eingebauten Echolot navigiert, nicht mehr ausweichen kann. Und das darf nicht sein.

Die Brückenbauer reagierten. Für etwas mehr als 200 000 Euro wurden beiderseits der Brücke 398 Purpurweiden, 173 Schneeballsträucher und acht Bäume gepflanzt, die sich zu einer jeweils knapp 400 Meter langen Buschreihe fügen. Die Idee ist, dass die Kleine Hufeisennase normalerweise bodennah zwischen ihren Quartieren in Meißen und Pillnitz pendelt. Folgt sie dem Buschwerk als Leitsystem, fliegt sie unter der Brücke hindurch. Und sollte sie doch zu weit aufsteigen, gilt auf der Brücke Tempo 30. Aber nur während der Dunkelheit in den Monaten März bis Oktober. In den anderen Zeiten ruht die Hufeisennase, dann darf 50 gefahren werden. Überwacht wird das Limit durch automatisierte Geschwindigkeitsmessanlagen. Das System hat 160 000 Euro gekostet, schon beinahe die Hälfte wurde durch Bußgelder eingespielt. Beleuchtet wird die Brücke indirekt durch ins Geländer integrierte LED-Leuchten, die locken weniger Insekten an. Leider weiß man derzeit noch nicht wirklich, ob das alles funktioniert. Ein entsprechendes Monitoring bringt voraussichtlich erst nach drei Jahren Erkenntnisse.

Die Unesco, die aus eher ästhetischen Gründen gegen die Brücke war, konnte man mit all diesen Maßnahmen nicht beeindrucken. Weshalb der Titel Weltkulturerbe für das Dresdner Elbtal weg ist. Die Grüne Liga klagt weiter, ein Termin vor dem Bundesverwaltungsgericht ist für den Januar angesetzt. Niemand glaubt, die Brücke werde wieder abgerissen, aber es geht um Grundsätze für den Landschafts- und Naturschutz. 82 Prozent der Dresdner sind nach einer Umfrage der „Sächsischen Zeitung“ für die Brücke, nutzen sie aber seltener als vorausgesagt – statt der erwarteten 40 000 Autos am Tag sind es nur etwa 20 000. Und die Hufeisennase? Lässt sich nicht blicken. Erst ein Mal, am 27. September, wurde nachweislich eine Fledermaus auf der Brücke gesichtet. Keine Hufeisennase, es war wohl eher die Kleine Rauhaut aus der Fledermausfamilie der Glattnasen. Andreas Austilat

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