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Feinsinnig: Was ist, wenn's mit den Gewürzen mal nicht so geklappt hat?

© Doris Spiekermann-Klaas

Kritik beim Restaurantbesuch: Herr Ober, das ist ja total versalzen!

Na, hat's geschmeckt? Unsere Kolumnistin antwortet darauf immer ehrlich - und macht sich damit Feinde unter Berliner Kellnern.

Von Maris Hubschmid

Ein nettes Ecklokal in Kreuzberg, nicht billig. „War alles zur Zufriedenheit?“, fragt die Kellnerin beim Abräumen. „Leider nein“, antworte ich ihr, „das Risotto war eine ziemliche Pampe.“ Daraufhin belehrt sie mich: „Risotto muss pampig sein.“ – „Cremig, ja, aber al dente.“ Kein Zweifel, wer jetzt hier pampig ist. Vielleicht bin ich eine Prise lauter als notwendig: Ich befinde mich auf einer Mission zur Rettung der Qualität und Servicekultur.

Ein zähes Steak, verkochter Spargel: Die brave Konsumentin sagt auf die Frage, ob alles in Ordnung war, stets: „Ja, danke.“ Aus Höflichkeit, Bequemlichkeit bestimmt auch. Bis mir vor einer Weile wirklich keine Wahl blieb – und ich eine total versalzene Lachslasagne reklamierte. Das Gespräch verlief so: „Bitte entschuldigen Sie, ich glaube, der Koch war verliebt.“ – „Wie?“ – „Ich will sagen, bei der Lasagne ist ihm wohl das Salz ausgerutscht.“ – „So?“ Die Angestellte hob die Brauen. „Bisher hat sich noch keiner beschwert.“

Eine fade "kräftige Hühnersuppe"

Klare Ansage, das Problem liegt beim Gast. Nach diesem Erlebnis habe ich mir geschworen, bei jedem Restaurantbesuch ehrlich zu sein. Schließlich ist die Zahl an Mahlzeiten, die ein Mensch guten Gewissens genießen kann, begrenzt. Welche Verschwendung von Geld und Kalorien, wenn das Verspeiste nicht lecker, sondern bloß „okay“ oder schlimmer: misslungen ist! Schon klar, andernorts wird gehungert – aber in Kreuzberg nicht. In Kreuzberg zahlt man gut und gerne mal zwölf Euro für einen Teller Risotto, da hat das doch verdammt noch mal köstlich zu sein.

Ein anderes Mal freue ich mich auf eine laut Karte „kräftige Hühnersuppe“, die vollkommen fad schmeckt. „Was fehlt der Suppe denn?“, fragt der Wirt. „Das Huhn“, vermute ich. Da, wieder, bisher habe sich „noch keiner beschwert“.

Keine Lust auf Diskussionen

Beim Italiener entscheide ich mich für die „große Antipastivariation“, bekomme einen Haufen Pilze, etwas eingelegte Paprika und reichlich weiße Bohnen in Tomatensauce. Als ich anmerke, dass ich mir die große Variation etwas variantenreicher vorgestellt habe ... Genau!

Eine Abwandlung dieser Kundenfreundlichkeit: Die verkohlten Bratkartoffeln, die ich auf dem Teller zurücklasse, kommentiert ein Kellner kühl mit „Die Geschmäcker sind eben verschieden“.

Tagesspiegel-Kolumnistin Maris Hubschmid traut sich was.
Tagesspiegel-Kolumnistin Maris Hubschmid traut sich was.

© KItty Kleist-Heinrich

Nun also das pampige Risotto. „Ich diskutiere das gerne mit dem Koch aus“, sage ich, doch meine Begleitung, wohl im Bestreben, zu deeskalieren und den Abend nicht ganz zu versauen, bittet, wir mögen doch woanders noch ein Gläschen Wein trinken.

Vielleicht steigere ich mich tatsächlich in etwas hinein. Aber die Kellner könnten doch einfach sagen „Es tut uns sehr leid, vielen Dank für den Hinweis, dürfen wir Ihnen einen Espresso ausgeben?“. Eigentlich müsste sich jeder Gastronom über Verbesserungsvorschläge freuen.

Eine, die Ärger macht

Doch nun lasse ich es gut sein, wir ergattern ein schönes Plätzchen am Kanal und bestellen einen halben Liter Weißwein. „Wir hatten einen halben Liter bestellt“, sage ich gleich, als die kleine Karaffe kommt. „Das ist ein halber Liter“, sagt die Bedienung und geht wieder hinein.

Auf dem Nebentisch steht ein geleertes Fläschchen Orangina, die französische Limonade in der bauchigen 0,25-Liter-Flasche. Kurzentschlossen kippe ich den Inhalt der Weinkaraffe in die Limonadenflasche, gehe ins Lokal und halte der Frau hinter dem Tresen die Flasche hin. „Sehen Sie, es ist nur ein Viertelliter.“

Bestimmt wird sie sich jetzt vielmals für das Versehen entschuldigen, denke ich. Die Frau nimmt mir murrend die Flasche aus der Hand: „Ich habe gleich gesehen, dass Sie eine sind, die Ärger macht.“

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