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Andreas Austilat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Meine Frau, ihr GARTEN… und ich: Früchte in Nachbars Garten

In der Obstschale lagen neue Birnen. Sahen ein bisschen krumpelig aus, waren eindeutig nicht aus dem Supermarkt.

Von Andreas Austilat

„Ah“, sagte ich also, „toll, eigene Ernte!“ Zufrieden stellte ich mir vor, wie ich der Nahrungsmittelindustrie einmal mehr ein Schnippchen geschlagen hatte. „Nein“, platzte die Stimme meiner Frau mitten in die schönste Phantasie, „die sind aus der Kolonie.“

Meine Frau hat ein großes Faible für Kleingartenkolonien. Sie ist gewissermaßen in einer Laube aufgewachsen, das heißt, sie hat da natürlich nur die Sommerwochenenden verbracht, die aber regelmäßig. Jedenfalls spaziert sie mit großer Begeisterung durch die Laubenkolonien bei uns in der erweiterten Nachbarschaft. Als Inspirationsquelle für ihren Garten. Da gebe es immer was zu gucken, behauptet sie – und jetzt offensichtlich auch zu ernten.

„Du hast die geklaut?“, fragte ich mit der gebotenen Empörung, „wir haben doch unsere eigenen.“ „Nein, haben wir nicht“, antwortete sie nun ihrerseits entrüstet, „da hängen nur fünf Stück, und eine ist madig.“ Tatsächlich sind unsere Birnbäume jetzt im dritten Jahr, und die Ernte ist wieder äußerst überschaubar ausgefallen. Während ich noch überlegte, ob das ein Vorwurf sein sollte, weil die Birnbäume irgendwie mein Revier sind, fuhr sie schon fort. „Denkst du, ich stehle Birnen? Die habe ich alle geschenkt bekommen!“

Tatsächlich sind die Kleingärtner drüben derart penetrant erfolgreich, dass sie nicht wissen, wohin mit ihrer reichen Ernte. Also hängen sie prallvolle Tüten mit Äpfeln und Birnen an die Zäune. Und wo es was umsonst gibt, kann meine Frau nur schwer vorbei.

Ich fühlte mich ein bisschen in meiner Ehre als Obstbauer gekränkt, beharrte darauf, dass wir dafür Super-Pflaumen gehabt hätten. Sie hörte mir gar nicht zu. „Quitten“, sagte sie stattdessen, „du glaubst gar nicht, wie viele Quitten die da drüben haben.“ Tatsächlich ist sie in letzter Zeit auffallend häufig in der Laubenkolonie. Sie wartet darauf, dass die Quitten endlich erntereif sind und ebenfalls an die Zäune gehängt werden.

Für einen kurzen Moment war ich verwirrt. Quitten? Kernobst aus der Familie der Rosengewächse, las ich im Internet, Namensgeber für die Marmelade, das Wort stammt vom portugiesischen Marmelo für Quitte ab, die Portugiesen haben es wiederum von den alten Griechen, die die Frucht als Melimon bezeichneten, was so viel wie Honigapfel bedeutet. Klarer Fall von Etikettenschwindel, die Quitte ist nämlich hierzulande roh so gut wie ungenießbar. Sie muss verarbeitet werden, zu Gelee zum Beispiel. Oder zu Schnaps.

Nun also Quitten. Ich schaute in unseren Garten, wo die madige Birne als letzte ihrer Art am Baum hing. Das Bild stimmte mich ein wenig traurig. Ist denn unser eigener Garten meiner Frau nicht mehr gut genug? Andreas Austilat

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