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Kann alles: Fußball spielen, Ballett tanzen und Nachbar sein.

© Reuters

Ode an den besten Fußballer: Je t’aime, Jérôme

Lange hat Joachim Löw überlegt, wen er zum Kapitän der Nationalmannschaft machen könnte. Hummels? Khedira? Kroos? Geworden ist es nun Manuel Neuer. Eine Hymne auf den wahren Häuptling.

Allein schon der Name – zum Verlieben! Jérôme, wonach der klingt: nach Weite, nach Größe, der Begabung zum Diagonalen und dem vertikalen Ausdruck eines immerwährenden Verlangens. Jérôme, da klingt doch Rom mit, Rom als Synonym für Sieg. Fehlt nur noch, dass ein Held im neuen „Ben Hur“ so hieße, einer, der die Stadien durchmisst und das Publikum zu Ovationen peitscht. Vielleicht beim nächsten Mal.

Jérôme, der Name steht für die Welt. So anspielungsreich ist er. Er spielt mit dem Englischen und dem Französischen und steht für große Meister. Er ist eine Variante, eine des griechischen Hieronymus. Welche Tangenten da möglich sind: Die zu klassischen Helden sind es bei Griechen ja immer.

Und zu großen Vaterfiguren, wie dem Kirchenvater Hieronymus. Aber auch zu großen Diplomaten wie Hieronymus van Beverningh, einem Staatsmann aus dem Goldenen Zeitalter der Niederlande; was zugegebenermaßen schon ein wenig her ist, ein paar Jahrhunderte. Einerlei, selbst die Niederländer von heute mögen einen, der Jérôme heißt. Arjen Robben zum Beispiel mag ihn.

Geronimo, der Schamane

Aber mehr noch: Geronimo! Ein großer Apachenhäuptling und Schamane, einer, der seinen Gegnern Respekt abnötigte, durch Auftreten und Willen. Vom Zauberer zum Zauberfuß ist der Weg jetzt auch nicht mehr gar so weit … Denn wer es jetzt noch nicht gemerkt hat, dem sei’s auf den Kopf zugesagt: Eigentlich geht es um Fußball, die wichtigste Hauptsache der Welt. Und da um die zweitwichtigste: Wer führt die deutsche Nationalmannschaft aufs Feld?

Nein, nicht ins Feld, das wäre zu kriegerisch, obwohl – einer wie unser Jérôme schon auch ein Krieger sein kann. Weiß keiner besser als der letzte Krieger, Bastian Schweinsteiger, auch der war Kapitän. Mit dem Namen! Vorbei. Jetzt geht es um Jérôme Boateng, jetzt hätte es auf ihn zulaufen müssen.

Deutschlands Trainerin Merkel

Gesehen hat es Joachim Löw, unser Vertreter als Bundestrainer, spätestens in Frankreich. Wie sie da alle aus der Mannschaft auf ihn zugelaufen sind! Der Mann hat was. Angela Merkel, unsere Bundeskanzlerin also, hat das früher gesehen. Nur mal am Rande. Sie versteht ja viel von Mannschaftsführung, das sagt jedermann.

Und Deutschlands Trainerin Merkel war jetzt freudestrahlend beim Tag der offenen Tür im Kanzleramt an Jérômes Seite zu sehen. Wie sagte sie Vater Boateng? „Tollen Sohn haben Sie.“ Der soll demnächst ihr Nachbar werden. Nein, nicht im Kanzleramt, noch nicht. Wir brauchen ihn noch auf dem Platz.

Und Löw? Dessen Satz, dass sich glücklich schätzen kann, wer einen Jérôme als Nachbarn hat, deutete zur EM schon darauf hin: Boateng bleibt der Mann für gewisse Stunden. Vor dem Fernseher, im Stadion, in der Sportsbar – jeder und jede Fußballverliebte geht ihm ins Netz.

So elegant wie Boateng kann keiner das eigene Eigentor verhindern. Ballett kann er auch noch. Klassisch Jérôme. Er ist ganz groß in Mode. Und Durchblick hat er auch. Wer ihn sieht, ihn richtig ansieht, der muss sagen: Ein Typ wie ein Gemälde.

Dit is Berlin!

Schnörkellos dagegen seine Sprache. Wie er analysiert, was Sache ist beziehungsweise war: Dit is Berlin! Was es hier noch braucht, ist nur, dass er in Zukunft immer zu sagen hat, was zu geschehen hätte, damit „Die Mannschaft“ immer weiter kommt. Die Zeit des „Äh, ich sach’ mal …“ ist doch überholt wie der Rumpelfußball unter Rudi Völler.

Unser Jérôme bringt seine Leistung, ist präsent, ist durchsetzungsstark in jeder Hinsicht. Die Gegner fürchten ihn, die eigenen Leute auch. Größe kann man nicht lernen, wusste schon der große Fußballphilosoph Otto Rehhagel. Der beste Mann für die Binnenverteidigung. Will sagen: Wer Thomas Müller anschnauzt, dass der schweigt – das sagt doch was. Ein Typ, der selbst Michael Ballack Respekt abnötigt!

Joachim Löw, in seinem Wesen ein Jogi, einer, der in der Einheit ruht, hätte man ein Einsehen gewünscht: Jérôme Boateng, der wahre Kapitän. Geronimo!

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