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Kleine Flasche, großes Geld.

© mauritius images

Parfüm: Tanz der Moleküle

Zitrus, Sandelholz, Rhabarber, Patchouli – die Parfümeure haben es auf unsere Nasen abgesehen. Ulrich Lang erklärt die Welt der Düfte.

Herr Lang, der Sommer ist da. Was ist für Sie ein klassischer Urlaubsduft?

Viele assoziieren Urlaub mit Sonnencreme, oft wird „Ambre solaire“ genannt, ich selbst assoziere „Bain de soleil“ mit Ferien. Da denke ich an einen Sonnenstuhl am richtigen Fleck und das Meer. Außerdem macht mich der Duft von Lindenblüten glücklich – und eine frische Seebrise muss dabei sein. Auf keinen Fall irgendeine Erinnerung an die Gluthitze von New York.

Sie leben in Manhattan. Ist Ihnen mal übel geworden, als jemand parfümiert neben Ihnen stand?

Das passiert sogar relativ häufig. Man ist ja immer so sardinenmäßig eingesperrt – in Fahrstühlen oder der U-Bahn. Da drehe ich mich gleich weg.

Also lieber öffentliche Räume beduften?

Schwierig. Ich mag es neutral, denn ein Duft ist etwas sehr Persönliches, den man selber auswählen sollte. Er darf nicht zu aufdringlich wirken, das mag ich gar nicht.

Welches Parfüm haben Sie als Teenager für sich ausgesucht?

„Minotaure“ von Paloma Picasso, das war ein orientalischer Duft, der ein bisschen nach Koriander und Sandelholz roch. Ich muss so 15 gewesen sein. Habe ich mein erstes Parfüm geschenkt bekommen? Ich weiß gar nicht mehr.

Fing damit Ihre Beziehung zu Parfüms an?

Ich bin in Süddeutschland aufgewachsen, meine Großmutter hatte einen Friseursalon mitsamt kleiner Parfumerie, da wurde ich in diese Duftwelt hineingeboren. Ich erinnere mich an vieles, das es heute nicht mehr gibt, wie das Teer-Shampoo von Keralogie. Dadurch lernte ich früh, Düfte zu unterscheiden. Als ich in Passau Betriebswirtschaft studiert habe, ging ich für ein Praktikum zum Kosmetikkonzern Estée Lauder. Mehrere Menschen rieten mir, etwas mit Düften zu machen. Aber erst 2003 war ich so weit.

Womit verknüpfen Sie Düfte?

Fast immer mit Menschen. Wenn ich an meine Großmutter denke, fällt mir der Geruch von warmen Zwetschgen mit Zimt oder Apfelmus ein.

Die Intensität eines Fliederbuschs

Der letzte Duft, an den Sie sich bewusst erinnern?

Die Intensität eines Fliederbuschs in Deutschland.

Was sagen Düfte über unseren Zeitgeist?

Die 80er Jahre waren streng in männlich und weiblich eingeteilt. Ganz anders in den 90er Jahren, wenn man sich das Phänomen von „CK one“ anschaut, ein Unisex-Duft, der zitrus-fruchtig roch. Ganz Soho, wo ich damals gewohnt habe, roch danach. Das war ein riesiger Marketing-Erfolg, einfach irre! Vielleicht die beste Kampagne der Branche, die es je gab. Heute geht es wieder zurück zur Individualisierung. Man trägt, was gefällt. Diese Gleichmacher wie „CK one“ sind nicht mehr gefragt. Allerdings ist die klassische Unterscheidung in Männer- oder Frauendüfte schwierig geworden. Ich kenne Frauen, die sich schon mal das Männerparfüm von Tom Ford von ihrem Freund klauen, weil sie an dem Tag etwas Herbes tragen möchten oder an ihren Freund erinnert werden wollen.

Würden Sie so ein Parfüm verschenken?

Das halte ich für heikel. Nur wenn sich die Person konkret äußert, was sie mag, oder wenn ich sie sehr gut kenne. Ansonsten würde ich lieber mit ihr im nächsten Parfümladen schnüffeln gehen, und sie soll selbst entscheiden.

Wie viele Parfüms braucht überhaupt ein Mann?

Ein Lieblingsparfum reicht. So mache ich das. Ich trage meines, „Nightscape“, Tag und Nacht.

Nachts?

Nicht im Bett, aber ich kenne Leute, die Düfte auch zur Nachtruhe auftragen.

Zu welchem Parfum würden Sie raten, um zu verführen?

Auf jeden Fall zu weichen Ambernoten, Moschus, alles, was warm und einhüllend orientalisch angehaucht ist.

Das wäre der ideale erotische Lockstoff?

Nein, so was wie Zibetkatze, was sehr Animalisches.

So ein Parfüm könnte man sich ja auf die Kleidung sprühen.

Generell mag ich das, wenn Männer ihre Düfte auf Pullover verteilen. Beim nächsten Tragen riechen sie noch leicht danach. Ich persönlich bin der Aftershave-Typ, der das Parfüm einmal über Gesicht und Nacken verteilt. Eigentlich sind es natürlich die Pulspunkte, an denen man es aufträgt – das heißt am Handgelenk, Nacken oder Hals. Auf der Haut bekommt ein Parfüm etwas Individuelles, weil es sich mit den körpereigenen Duftstoffen verbindet. Von mir aus können Sie es sich auch auf die Haare sprühen, die transportieren Düfte ausgezeichnet. Eine Freundin von mir hat eine ganz eigene spanische Methode und trägt den Duft auf ihre Augenbrauen auf. Man riecht ihn also nur, wenn man ihr näher kommt. Auch schön.

Wie lange ist ein Parfüm eigentlich haltbar?

Geöffnet normalerweise zwei Jahre, aber unbedingt kühl, trocken und dunkel lagern, es ist nämlich lichtempfindlich. Manche legen den Flakon deshalb in den Kühlschrank wie Schokolade.

Asiatischer Adlerholzbaum als Trend

Sie als Fachmann: Welche Trends sehen Sie?

Inhaltsstoffe. Wir hatten gerade eine Welle von Düften, die Oud enthalten, ein Harz, das aus dem asiatischen Adlerholzbaum stammt und sehr intensiv riecht. Jede europäische Marke hat so einen Duft im Sortiment. Ich als Parfümeur würde mich so einem Trend nicht anschließen. Lieber setze ich selbst welche. 2007 habe ich zum Beispiel das erste Mal Rhabarber als Bestandteil eingesetzt, heute riecht man das sehr oft. Für meinen letzten Duft habe ich Veilchenblatt und deren Blüte benutzt, vielleicht wird das jetzt ein Trend.

Der österreichische Künstler André Heller sagt: „Der Geruchssinn ist mit Sicherheit der, der von der Kunst am meisten vernachlässigt wird.“

Glücklicherweise bricht das gerade auf. Viele Events arbeiten mittlerweile mit Düften. Ich selbst habe schon Modenschauen beduftet – wie die von Frank Tell in New York. Das Sensorische wird in der Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Vor allem der sogenannte Nischenmarkt hat dazu beigetragen – also Parfüms, die von unabhängigen Herstellern und Kreateuren wie mir entwickelt werden und keinem internationalen Konzern angehören, haben dazu beigetragen, dass es viel mehr individuelle und kunstvollere Duftkreationen gibt. Viele inhabergeführte Parfümerien haben mittlerweile ein Nischensortiment neben den großen Marken. Es gibt eine neue Abteilung für olfaktorische Kunst am Designmuseum in New York, es gibt Künstler, die sich mit Duft beschäftigen. Das sehe ich als Trendwende.

Ein Duft für ein Museum!

Warum nicht? Hotels machen es schon. Die Park Hyatt Group hat ein spezielles Parfum, das nach Patchouli riecht. Das Hotel „Costes“ in Paris ist ein anderes wunderbares Beispiel. Da ist es dann so, man erinnert sich an diesen Duft und kauft ein Stück Hotel. Das nennt man Scent Marketing.

Wie würden Sie eine Roy-Lichtenstein-Ausstellung in der Tate Modern beduften?

Ein sehr zeitgenössischer Duft sollte es sein, vielleicht ein neues Molekül in Verbindung mit fruchtigen Akzenten, die plötzlich, wham!, herausstechen.

Das sind alles Wohlgerüche. Was oder wen können Sie hingegen gar nicht riechen?

Früher war es das stinkende Schlachthofviertel New Yorks an einem heißen Sommertag. Heute vermisse ich den Geruch fast, weil es mittlerweile gentrifiziert ist. Ansonsten mag ich den Geruch von Alkohol und Zigaretten nicht so sehr.

Haben Sie sich schon mal in jemanden verliebt, weil sie so gut gerochen hat?

Ja. Wenn man sagt, dass man jemanden gut riechen kann, heißt das im Grunde, dass alles da ist: zwischenmenschlich und sinnlich.

Jeanne Moreau hat behauptet: „Frauen benutzen Parfüm, weil die Nase leichter zu verführen ist als das Auge.“

Würde ich zustimmen. In meinem Fall ist allerdings beides gleich verführbar. Ich habe ein sehr gutes Auge und eine hervorragende Nase.

Ulrich Lang, 45, arbeitete für einen Beauty-Konzern und einen Kunstbuchverlag in New York, bevor er 2002 die eigene Parfümmarke kreierte. Dieses Jahr war er mit dem Damenduft „Nightscape“ für den Duftstar nominiert, die wichtigste Auszeichnung der Branche.

Birte Carolin Sebastian

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