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Adam Bousdoukos ist ein deutscher Schauspieler griechischer Abstammung. Er wuchs in Hamburg auf.

© Mike Wolff

Schauspieler Adam Bousdoukos: "Ich habe mich für Prince geprügelt"

Die Sommer seiner Kindheit riechen nach Meer, Tzatziki und Lammbraten. Adam Bousdoukos über die Suche nach Heimat – und wie ihn die "Lindenstraße" bei Omas beliebt gemacht hat.

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Herr Bousdoukos, Sie tanzen Finger-Sirtaki im Fernsehen, rappen auf Befehl. Ihnen ist nichts peinlich?

Doch, Nacktaufnahmen. Oder auch Szenen nur in Unterhose, die versuche ich zu umgehen. Und Sexszenen fallen mir ganz, ganz schwer.

Sie sind seit der Schulzeit mit Fatih Akin befreundet und tauchen in fast jedem seiner Filme auf, da sind einige Liebesszenen dabei. Was war Ihre letzte?

Ich erinnere mich nur an meine erste. 1999, ich war 23, in einem Film von Stefan Krohmer, Barrakuda Dancing. Ich sollte mit der 20 Jahre älteren Irene Kugler eine Sexszene in einem Kellergewölbe spielen. Mir war ziemlich mulmig. Der Regisseur wollte immer mehr, bis ich Stopp sagen musste. Davor war nämlich überraschend meine Freundin aufgetaucht und spontan zum Set gekommen. Sie war Italienerin und – naja, nicht glücklich.

In der neuen ARD-Serie „Dimi Schulze“ spielen Sie einen Anwalt im sozialen Brennpunkt Mannheim-Jungbusch. Erinnert Sie das an Ihre Kindheit?

Ich habe recherchiert, was das für ein Viertel ist: ähnlich wie die Verhältnisse, in denen ich aufgewachsen bin, im Altona der 80er. Hoher Ausländeranteil, sozial problematisch, viele Gangs. Inzwischen aber gentrifiziert, mit tollen Bars und Studenten. Die Kulisse stimmt noch.

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Ihre Eltern sind Anfang der 60er zum Arbeiten aus Griechenland nach Hamburg gekommen.

Vater kam aus der Nähe von Olympia und Mutter aus einem Bergdorf an der Grenze zu Albanien. Einfache Landarbeiter, meine Mutter hatte mal Näherin gelernt. Sie arbeitete dann in einer Fischdosenfabrik, mein Vater war über 40 Jahre lang in einer Schleifmittelfabrik Maschinenführer.

Hat Deutschland Sie gut empfangen?

Es gibt diese Geschichte von meiner Patentante, die sagt eigentlich alles. Sie wohnte damals im selben Haus wie der Massenmörder Fritz Honka, um den es in Heinz Strunks neuem Buch geht, zwei Etagen unter ihm. Honka hatte seine vielen Leichen überall verbunkert. Als man ihn gefragt hat, warum stinkt das so bei euch im Haus, sagte Honka: Das sind die Griechen da unten, die so schlecht kochen.

Verständlich, wenn Ihre Eltern schnell zurückgewollt hätten!

Es war total schwer, ohne Deutschkenntnisse im Supermarkt einzukaufen, die richtige Wohnung zu finden. Die haben in Kellern gelebt, sich hochgearbeitet, hochgewohnt. Früher dachten wir, sie sollen als Rentner zurück, in der Sonne sitzen. Warum? Seit mein Bruder und ich Kinder haben, will meine Mutter eh’ hier bleiben. Wir wohnen im selben Bezirk und halten sie auf Trab.

Und sonntags treffen sich alle zum Essen.

Meine Mutter kocht jeden Tag. Manchmal holen wir uns was ab in Tupperdosen. Sonntags sind alle zusammen, die Kinder spielen mit Opa „Mensch ärgere Dich nicht“. Ich freue mich jedes Mal darüber. Ich habe diese Großeltern-Nummer nicht gehabt.

Weil Sie einander nur im Sommer sahen?

Dann aber für sechs Wochen. Meine schönsten Erinnerungen. Das war ein Dorf wie aus dem Bilderbuch, ein kleines Häuschen ohne Backofen, wir mussten das Essen noch in großen Blechen zum Bäcker tragen. Vom Schwimmen im Meer nach Hause kommen und mit der ganzen Familie unter der Plantane alles verzehren. Siesta, Kartenspielen mit Opa, der immer die gleichen Witze erzählt. Sein Running Gag bei 40 Grad im Schatten war ein Blick gen Himmel: Oh, ich glaube, es regnet gleich. Wenn ich Humor habe, dann seinen.

Wie sind Sie damals dorthin gereist?

Anfangs mit der Bahn, dem „Akropolis-Express“. Drei Tage und drei Nächte. Im Gepäck Filterkaffee für die Verwandten, das machen wir heute noch, und Leberwürste für eine Tante. Eine Tortur – aber für uns Kinder das reinste Abenteuer.

Allein der Proviantkoffer!

Schon in Hamburg-Harburg hieß es: Mama, pack das Essen aus. Das waren nicht diese kleinen Tische, die man so aufklappt wie heute, das waren Bänke, lang wie Bügelbretter, die standen voll Böreks, Tomaten, Gurken, Frikadellen und so weiter.

Sie haben – wie in Ihrer Rolle in „Soul Kitchen“ – ein Restaurant in Hamburg betrieben und zuletzt mit Ihrem Bruder einen Feinkosthandel. Die griechische Küche gilt als simpel und...

...genau wie man die deutsche auf Bratwurst und Schweinsbraten reduziert. Ein griechischer Bauernsalat mit frischen Tomaten, gutem Olivenöl, und richtigem Schafskäse, also nicht Hirtenkäse nach griechischer Art, sondern echter Feta, ist etwas Wunderbares. Und griechischer Joghurt...

...ist total fett.

Zehn Prozent. In Butter ist mehr, würde ich sagen.

Braucht man den für den perfekten Tzatziki?

Genau! Innenleben der Gurke entfernen, Salz, Pfeffer, Olivenöl, Knoblauch, bisschen Essig ran.

Ihre Leibspeise?

Hauptsache Kohl. Deutscher Rotkohl mit Braten oder Rouladen. Mein griechisches Lieblingsgericht sind eingerollte Weißkohlblätter mit Reis und Hackfleisch in Zitronen-Ei-Soße, Sarma.

"Was soll der Scheiß?"

In Fatih Akins Komödie "Soul Kitchen" trat Bousdoukos zusammen mit Moritz Bleibtreu (r.) auf. Der Film feierte seine Weltpremiere 2009 in Venedig.
In Fatih Akins Komödie "Soul Kitchen" trat Bousdoukos zusammen mit Moritz Bleibtreu (r.) auf. Der Film feierte seine Weltpremiere 2009 in Venedig.

© imago

Was gab es, wenn Sie im Sommer das großelterliche Dorf erreichten?

Im Dorf meiner Mutter hat meine Tante Persephone – die war so klein wie breit und hatte acht Kinder – jedes Mal ein Lamm für uns geschlachtet. Erst haben wir mit dem Tier gespielt, dann hat die Tante kurzen Prozess gemacht. In Deutschland haben wir Fleisch im Supermarkt gekauft – ich war das nicht gewohnt und habe kaum etwas gegessen.

Fanden Sie es dort als Großstadt-Kind rückständig?

Es war das Normalste der Welt, dass wir keinen Wasserhahn hatten, sondern einen alten Kanister, den die Sonne wärmte. Oder beim einzigen Kiosk im Dorf anrufen mussten, damit die unsere Großeltern ans Telefon holten.

Mit 19 sind Sie nach Griechenland gezogen.

Ich habe eine Antwort auf die Frage gesucht, wo ich hingehöre. In Athen habe ich ein hübsches Mädchen kennengelernt, wir waren echt glücklich, ich wollte sie heiraten. Ich dachte, ich bleibe für immer. Nach und nach merkte ich, wie fremd ich bin.

Ein verzögerter Kulturschock?

Wenn sich in der Schlange alle vormogelten, sich beim Autofahren niemand anschnallte oder auf dem Wochenmarkt alle nur schrien, dachte ich: Was soll der Scheiß? Ich gehöre nach Hamburg.

Das konnten Sie zugeben?

Es half, dass auch die Beziehung zu dem Mädchen in die Brüche ging. Da habe ich gesagt, verdammt nochmal, du musst nicht nach Griechenland, du kannst Griechenland hierher holen.

Sprechen Sie mit Ihren Kindern Griechisch?

Die ersten Jahre schon. Meine Frau ist Rumänin, die verfolgt das etwas konsequenter. Ich denke mir: Rumänisch ist eine lateinische Sprache, das hilft ihnen für Spanisch, Italienisch und Französisch. Griechisch ist mehr was für die Seele.

Sie fahren jedes Jahr nach Griechenland. Hatten Sie nach der Eurokrise den Impuls zu helfen?

Die Hälfte der 20 Millionen Griechen sind ja im Ausland verstreut. Man hat uns schon immer beäugt. Ihr verdient so viel Geld, ihr habt alles, ihr habt einen Fernseher. Daran habe ich mich gewöhnt. Es fällt schon schwer zu sehen, wie alle am Knabbern sind. Ich war dort, als das Eis für meine Kinder von einem auf den anderen Tag 50 Cent mehr kostete und die Bankautomaten kein Geld mehr ausspuckten. Filmteams haben nichts zu tun, Schauspieler kaum noch etwas. Nur das Theater lebt, viel mehr als bei uns. Weil man Theater einfacher auf eigene Faust aufbauen kann.

Hat Sie diese hochgespielte Feindschaft zwischen Deutschen und Griechen sehr genervt?

Anfangs war das noch spaßig, ich trink Ouzo, was trinkst du so, Luxusrentner, pipapo. Das habe ich weggesteckt. Nur als der Euro und Europa in Gefahr waren, wurde es ernst. Als es Bilder von Rentnern gab, die auf der Straße einfach umkippten. Zu der Zeit habe ich einen Film gedreht, der „Highway to Hellas“ hieß. Der ist rausgekommen, als das Thema so bitter wurde, dass keiner mehr darüber lachen wollte. Und als das, was mit der Troika und Tsipras passierte oder mit Kulttypen wie Varoufakis, interessanter war als jeder Film, spannender als jedes Fußballspiel.

Mussten Sie Angela Merkel verteidigen?

Ich verteidige niemanden. Schon gar nicht sie. Ich habe immer Angst, dass meine Kinder uns eines Tages beschuldigen: Warum habt ihr den Flüchtlingen nicht geholfen? Geld ist da, glaube ich.

Eine Zeit lang wollten Sie Streetworker werden.

Ich habe Sozialpädagogik studiert, im Praktikum mit Drogenabhängigen gearbeitet. Da habe ich gemerkt, das kriege ich nicht hin. Ich dachte, das sind auch nur Menschen, die brauchen Liebe und Verständnis. Ich habe meine Zigaretten verteilt, die waren ratzifatzi weg. Ich konnte nicht nein sagen.

Stattdessen haben Sie in Kneipen gejobbt. Haben Ihre Eltern nicht gesagt, Adam, jetzt mach mal was aus deinem Leben?

Natürlich. Wobei mich das viel gelehrt hat übers Leben – und über mich. Mit 17 habe ich in einer Bar gearbeitet, die hieß „Klimperkiste“, am Dammtor, die gibt’s heute noch. Da wird Live-Musik gespielt, New-Orleans-Jazz, und nachts kamen die ganzen Angestellten von den Hotels aus der Ecke, um ihr Feierabendbier zu trinken. Ich habe kapiert: Wer morgens ein Bier trinkt, ist noch lange kein Alkoholiker. Nicht gleich verurteilen!

"Ich bin mir für nichts zu fein"

Bousdoukos mit dem Schauspieler Christoph Maria Herbst 2015 bei der Filmpremiere "Highway to Hellas" in der Berliner Kulturbrauerei.
Bousdoukos mit dem Schauspieler Christoph Maria Herbst 2015 bei der Filmpremiere "Highway to Hellas" in der Berliner Kulturbrauerei.

© imago

Neben den Filmen hatten Sie neun Jahre lang ein Restaurant. Warum mussten Sie schließen?

Ich war ziemlich blauäugig, Papiere, Fixkosten, Händler, das lag mir alles nicht. Und irgendwann musste ich mich entscheiden: der Laden oder die Filme. Beim Film arbeite ich zwei Monate intensiv, dann habe ich frei, kann die Zeit mit meinen Kindern genießen und mir hinterher anschauen, was ich Schönes gemacht habe.

Viele Schauspieler wollen oder können sich ihre eigenen Filme nicht ansehen.
Das erste Mal versteckte ich mich unterm Bett wie ein Hund. Inzwischen geht es.

Sie haben drei Kinder, Sie können nicht wählerisch bei Angeboten sein. Keine Angst vor der Rente?

Manchmal. Man kriegt auf einmal Geld und muss damit übers Jahr kommen. Solange ich allein war, konnte ich das Geld versickern lassen. Als meine Frau anrief und sagte: Adam, wir kriegen Zwillinge, da habe ich wirklich Angst verspürt. Oh Gott, dachte ich: Wir brauchen ein größeres Auto.

Sie sind damals in der „Lindenstraße“ aufgetreten, als Kneipenbesitzer Manolis im „Akropolis“. Aus Sorge, Sie könnten Ihre Kinder nicht ernähren?

Ich bin mir für nichts zu fein. Ich war erstaunt, dass es die überhaupt noch gibt. Das war eine andere Art zu arbeiten dort, ein irres Tempo. Das Studio sah aus wie bei IKEA, nur viel schäbiger.

Und was hat Fatih gesagt? Du bist verbrannt?

Nein, um Gottes Willen, nein. So schnell verbrennt man nicht. Ich dachte, keiner kriegt’s mit, auf einmal habe ich eine Menge SMS bekommen von Leuten und...

...gemerkt: Das gucken mehr, als man denkt.

Plötzlich sprachen mich Omis auf der Straße an! Das hat mir ganz gut gefallen.

Streiten Sie auch mal mit Fatih Akin?

Wir haben alles zusammen durchgekaut. Liebeskummer, Trennungen. Er ist wie ein Bruder. Wir teilen die gleichen Idole, Rocky...

Man kann Idolen entwachsen.

Wenn man sich die richtigen aussucht, nicht. Die wachsen mit. Prince zum Beispiel hat uns ein Leben lang begleitet. Du warst verliebt, hast Prince gehört, du hast Party gemacht, hast Prince gehört. Ich habe mich für Prince geprügelt. Weil einer aus der Klasse sagte, Prince ist schwul und so. Ich habe gesagt, Prince ist nicht schwul und so. Dann flogen die Fäuste.

Wär doch nicht schlimm, wenn Prince...

Es stimmte einfach nicht! Ich habe ihn sogar fast mal getroffen. Fatih, ich, Birol Ünel und ein paar andere Freaks wollten auf das After-Show-Konzert im Mojo-Club. Birol Ünel, der Rocker unter den Schauspielern, ist nicht reingekommen. Also sind wir alle wieder rausmarschiert und nach nebenan gegangen, ins Mandarin-Casino. Plötzlich kam Prince mit seinen Leuten in den Laden und hat einen Drink genommen.

Sind Sie in Ohnmacht gefallen?

Ich wollte Hallo sagen, aber Birol hat so eine Randale gemacht, dass Prince ganz schnell verschwunden ist.

Vergangenen April ist Prince gestorben.

Das war, als ich für Ostern nach Griechenland gefahren bin. Ich gehe gerade aus dem Flugzeug raus, schalte mein Handy an und hatte 30 SMS mit Beileidswünschen. Und Fatih hat so hundert Mal angerufen.

Haben Sie geheult?

Nicht in dem Moment. Später mal lief im Fernsehen „Purple Rain“, und dann habe ich ein bisschen geweint.

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