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Wissenshunger: Kaffee und Kafka

Kennen Sie das? Sie sitzen im Restaurant und bestellen noch einen Espresso nach dem Essen.

Dann kommt der Kellner mit einem kleinen silbernen Tablett und serviert ihnen ein Tässchen Kaffee und dazu ein Glas Wasser. In der Regel rühre ich das Wasser nicht an. Wenn der Kellner dann kommt, straft er mich mit einem Blick, der sagt: „Sie wissen wohl nicht, dass Kaffee ihrem Körper Wasser entzieht und Sie den Verlust schleunigst ausgleichen sollten. Seeeeehr unvernünftig. Aber machen Sie nur!“

Tatsächlich ist die Geschichte vom Wasserräuber Kaffee ein Mythos, wenn auch ein plausibler. Koffein blockiert im Körper Rezeptoren für das Molekül Adenosin. In der Niere führt das zu einer stärkeren Durchblutung und sie produziert deshalb mehr Urin. Frühe Studien schienen dann auch zu bestätigen, dass Kaffee den Körper entwässert. Typischerweise wurden Testpersonen gebeten, einige Tage keinen Kaffee zu trinken und erhielten dann eine oder mehrere Koffeintabletten. In den folgenden Stunden produzierten sie tatsächlich mehr Urin als Personen, die kein Koffein erhielten.

Nur enthält Kaffee weit mehr als nur Koffein und die meisten Menschen trinken ihn regelmäßig. Neuere Studien versuchen dem Rechnung zu tragen und kommen zu einem anderen Ergebnis. Ein besonders sorgfältiges Experiment wurde vergangene Woche im Fachblatt „Plos One“ publiziert. Forscher der Universität Birmingham ließen 50 Männer (reguläre Kaffeetrinker) zusätzlich zur normalen Ernährung drei Tage lang vier Tassen Kaffee und drei Tage lang vier Tassen Wasser trinken. Alkohol und Sport waren in der Zeit untersagt. Frauen waren ausgeschlossen, um Auswirkungen des Menstruationszyklus auf die Flüssigkeitsbilanz auszuschließen. Der Urin der Testpersonen wurde gesammelt und auch die Gesamtwassermenge in ihrem Körper wurde gemessen. Das Ergebnis: Weder die Urinmenge noch die Menge an Wasser im Körper änderte sich durch den Kaffeekonsum.

Die Studie wurde von einem Konsortium von Kaffeeunternehmen finanziert, und einer der beteiligten Forscher arbeitet für Pepsi. Doch das ändert nichts an den Ergebnissen. Oder daran, dass zahlreiche andere Studien in den vergangenen Jahren zum gleichen Ergebnis gekommen sind. Kaffee hat zwar eine leicht harntreibende Wirkung, aber Wasser ist für den Körper kostbar und darum steuert er schon in kurzer Zeit gegen. Menschen, die regelmäßig Kaffee trinken, haben deshalb nichts auszugleichen. Kaffee trägt genauso wie Wasser oder andere Getränke zur Gesamtwasserbilanz bei. Das predigt zum Beispiel auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung seit Jahren. Wie Kafka gesagt haben soll: „Kaffee dehydriert nicht, sonst wäre ich schon Staub.“

Die Sache mit dem Wasserglas hat angeblich auch einen anderen Hintergrund. Die Hochwohlgeborenen, die Kaffee zuerst genießen durften, wussten schlicht nicht, was sie mit dem Kaffeelöffel machen sollten: Ihn abzulecken wäre unschicklich gewesen, die Untertasse zu besudeln ebenfalls. Darum wurde ihnen gewissermaßen ein Minispülbecken gleich mitgeliefert. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt. Aber ich werde das nächste Mal im Restaurant den Kaffeelöffel ebenfalls ins Wasserglas stellen. Mal sehen, wie der Kellner mich dann anschaut.

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