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Panorama: Späte Schlacht um Renault

Die Familie des Firmengründers klagt gegen die Enteignung von 1945 wegen Kollaboration/ Juristische Neuerung macht es möglich

Paris - Es gibt ein Foto, dass den Unternehmensgründer Louis Renault mit Adolf Hitler zeigt. Hitler legt bewundernd seine Hand auf eine Motorhaube, der alte Renault-Chef steht mit würdevoller Miene neben ihm. Die Enkel des legendären Autobauers haben kürzlich erreicht, dass das Foto nicht mehr als Beleg seiner Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht in einer Ausstellung gezeigt wird. Nun gehen sie auch noch gerichtlich gegen den Staat vor. Sie werfen ihm vor, das Familienunternehmen am Ende des Zweiten Weltkriegs zu Unrecht beschlagnahmt zu haben. Sollten sie damit durchkommen, könnten sie gigantischen Schadenersatz fordern.

Das Verhältnis zwischen Renault und der französischen Regierung ist derzeit alles andere als rosig. Präsident Nicolas Sarkozy wirft dem Unternehmen vor, sich finanziell gerne helfen zu lassen, dann aber doch im billigeren Ausland zu produzieren. So hatte Renault 2009 drei Milliarden Euro Staatshilfe mit der Auflage erhalten, mehr in Frankreich einzukaufen und die Produktion heimzuholen.

Zuletzt hatte Renault-Chef Carlos Ghosn sich kräftig blamiert, als das Unternehmen drei Manager wegen schwerer Spionagevorwürfe feuerte, die sich letztlich als nichtig herausstellten. Die Regierung forderte personelle Konsequenzen, am Ende ging die Nummer zwei, Patrick Pelata. Die Affäre schadete dem Image des Unternehmens, an dem der Staat 15 Prozent hält.

Und nun treten auch noch die acht Renault-Enkel auf, die vom einzigen Sohn des Firmengründers, dem 1982 verstorbenen Jean-Louis abstammen, und protestieren gegen die Enteignung des Unternehmens vor 67 Jahren. Sie handelten nicht aus finanziellem Interesse, betonen sie. „Wir wollen, dass endlich die Wahrheit bekannt wird“, sagte Hélène Dingli-Renault in einem Interview. Falls der Staat tatsächlich eine Entschädigung zahlen müsse, solle das Geld für eine Stiftung im Namen von Louis Renault verwendet werden, fügte sie hinzu.

Über die Rolle des Autobauers während des Zweiten Weltkriegs wird bis heute erbittert gestritten. Hatte das Unternehmen während der deutschen Besatzungszeit lediglich unter Zwang Panzer der Wehrmacht repariert und Lastwagen geliefert? Oder kollaborierte Renault freiwillig mit den Besatzern? Die Zeitung „Le Monde“ beschäftigte sich kürzlich in einem mehrseitigen Dossier mit der Vergangenheit von Renault, auf Wikipedia werden derzeit wilde Fußnotenschlachten geführt.

Fest steht, dass Louis Renault im Dezember 1944 unter dem Vorwurf der Kollaboration mit den Nazis inhaftiert wurde und einen Monat später in der Haft starb. Unter General Charles de Gaulle wurde das Unternehmen dann im Januar 1945 nationalisiert – ein Vorgang, der schon damals umstritten war, da der Firmengründer Renault zuvor nicht rechtsmäßig verurteilt worden war.

Seine Enkel machen sich nun ein juristisches Instrument zunutze, das Frankreich erst im März 2010 eingeführt hat, nämlich die Verfassungsfrage. 1959 war die Ehefrau Jean-Louis Renaults mit einem ähnlichen Versuch gescheitert, weil es nicht möglich war, ein Gesetz infrage zu stellen. Dies ist heute möglich, und die Klage der Renault-Erben ist eine der unerwarteten Auswirkungen dieser Neuerung. Die Erben argumentieren, dass die Beschlagnahmung gegen das Recht auf Eigentum und die Unschuldsvermutung verstoßen hat. Zudem hatte der Justizminister der Nachkriegszeit in einer Debatte erklärt, dass Enteignungen nach dem Tod von Verdächtigen nicht zulässig seien. Die Abschrift der Debatte fanden die Erben im Archiv der Nationalversammlung. Ulrike Koltermann (dpa)

Ulrike Koltermann (dpa)

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