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Spam-Mails sind ein großes Ärgernis.

© dpa

Spam-Mail: Betrugsmail verunsichert Internet-User

Mit dem Namen eines deutschen Anwalts versuchen Gauner von Russland aus Geld zu machen. Gegen solchen Datenmissbrauch lässt sich wenig unternehmen.

Auf den ersten Blick sieht das Schreiben, das derzeit als Spam-Mail im Internet grassiert, absolut seriös aus. Zumindest für juristische Laien. Der Absender, ein „Rechtsanwalt Florian Giese“ mit der Adresse giese@ra-giese.info, begrüßt unter der Betreffzeile „Ermittlungsverfahren gegen Sie“ die Adressaten mit „Guten Tag“, stellt sich als juristischer Vertreter der Essener „Videorama GmbH“ vor und kommt gleich zur Sache: Gemäß Paragraf 15, 31 und 2 des Urheberrechtsgesetzes werden die Angeschriebenen beschuldigt, illegal „mehrere Downloads von musikalischen Werken“ getätigt zu haben – der ganze Vorgang ist sogar mit einem Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft Stuttgart versehen.

Darauf folgt ein Vorschlag zur Güte: „Um weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und anderen Unannehmlichkeiten wie Hausdurchsuchungen, Gerichtsterminen aus dem Weg zu gehen“, wird eine außergerichtliche Einigung vorgeschlagen. Der „Beschuldigte“ soll 100 Euro via Ukash-Karte, ein Pin-basiertes Bezahlverfahren und, wie das Schreiben leutselig informiert, „fuer Jedermann anonym an Tankstellen, Kiosken etc. zu erwerben“, an eine Mailadresse des Anwalts übermitteln.

Allein: Den Hamburger Urheber- und Medienrechtsanwalt Florian Giese, der ebenso existiert wie die Essener Pornofilmfirma Videorama GmbH, würde dieses Geld nie erreichen. „Seit zwei Wochen rufen hier jeden Tag Hunderte aufgebrachter Leute an“, stöhnt Giese. Sagen kann er ihnen allen nur eins: „Ich bin nicht derjenige welcher.“

Giese und sein Vater, mit dem er gemeinsam eine Kanzlei führt, sind vielmehr selbst die größten Opfer eines Identitätsdiebstahls. Ihre Internetadresse rechtsanwalt-giese.de wurde für die Spam-Mail nahezu passgenau als rechtsanwalt-giese.info beziehungsweise ra-giese.info kopiert und fortan als Mailserver für zehntausende Betrugsmails benutzt. Geht man der Registrierung dieser ansonsten inaktiven Adressen nach, landet man bei einem russischen Server und einem Mihail S. Larimov als Betreiber der Seite. Geschäftsadresse: Moskau.

Was man gegen einen solchen Datenmissbrauch tun kann? „Wenig“, weiß Heribert Menke aus Erfahrung. Der Vertriebsleiter der Videorama GmbH, die offenbar ebenso wenig wie der echte Giese hinter den Mails steht, hatte „geschäftsbedingt“ schon häufiger mit ähnlichen Fällen zu tun – da der Pornoanbieter selbst häufig abmahne, eigne sich seine Identität als Tarnung. Aus leidvoller Erfahrung weiß Menke: „Eine Strafanzeige läuft eh ins Nirvana. Das wird dann nach vier bis sechs Wochen eingestellt.“ Auch Rechtsanwalt Giese ist pessimistisch: „Wenn der Server in Russland steht, kommen sie mit deutschen Amtsbriefen nicht weiter.“

Dass er, ebenso wie Menkes „Videorama“, dennoch Strafanzeige erstattet und die Löschung der Seite beim Provider beantragt hat, ist für Giese dann auch eher „ein Versuch“. Ein Versuch, der wahrscheinlich tatsächlich ins Nirvana führt: „Wenn man denn mal in Russland stehen bleiben könnte“, stöhnt ein Sprecher der in Gieses Fall ermittelnden Hamburger Polizei und möchte danach zum Ermittlungsstand keine weiteren Auskünfte machen. „Natürlich ermitteln auch wir wegen Betrugs gegen unbekannt“, sagt Claudia Krauth, Sprecherin der über das „frei erfundene“ Aktenzeichen in dem Schreiben ebenfalls betroffenen Staatsanwaltschaft Stuttgart. „Dass wir jemanden finden, den wir tatsächlich belangen können, ist etwas anderes.“

Bis ein internationales Fahndungsrecht so etwas ermöglicht, müssen die empörten Anrufer, die sich nicht nur bei Giese, sondern auch bei Videorama und der Staatsanwaltschaft zu Dutzenden melden, auf erhöhte Medienkompetenz setzen. So ist das Schreiben laut Florian Giese trotz des formvollendeten Juristendeutschs mit etwas Sachverstand als „Fake“ zu entlarven: So werde ein seriöser Anwalt niemals auf einem Online-Zahlverfahren bestehen und außerdem ein Schreiben losschicken, „in dem es keine Umlaute gibt“. Wer sich ein bisschen weiter informiere, könne noch diverse Unsauberkeiten entdecken. Die vielleicht schönste darunter: Den Benutzern wird der illegale Download von Musikdateien vorgeworfen. Videorama vertreibt jedoch nur Filme.

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