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Panorama: Spanien sieht Schwarz

König Juan Carlos spricht den Menschen an der Ölküste Mut zu – und bekommt ihren Zorn zu spüren

Spaniens König Juan Carlos I. besuchte den perfekten Ort, um einen Eindruck von der Katastrophe zu erlangen: Muxia, jenes Fischerdorf an der spanisch-galicischen Küste, das von der Ölflut geradezu überschwemmt wurde. Der Marktplatz, der mit rustikalen Natursteinen gepflastert war, sieht nun aus wie frisch asphaltiert. Die einst schmucken Straßenlaternen erscheinen pechschwarz lackiert. Sogar an den Hauswänden klebt jetzt dieser ölige Brei, den die schweren Brecher vom Meer hereinwarfen.

Statt über einen roten Teppich stakst Juan Carlos durch einen klebrigen Ölsee. Klettert hinunter an den Strand, den hunderte von Helfern in den vergangenen zwei Wochen einigermaßen gesäubert hatten. Der nun, nach einer neuen Ölflut in der Nacht zum Montag, wieder tiefschwarz und stinkend gefärbt ist. „Alles war umsonst“, seufzt einer der Freiwilligen, an dessen weißem Schutzanzug das Öl heruntertropft. Der junge Mann nutzt die Gunst die Stunde, berichtet über Zorn und Frustration der Helfer, die sich von den Behörden, von Spaniens Regierung, allein gelassen fühlen.

„Es fehlt Koordination“, klagt er dem königlichen Katastrophenbesucher, „und an staatlicher Unterstützung“. Auch von Spaniens Armee, die doch für den Schutz ihres Landes bezahlt wird, sei weit und breit nichts zu sehen. Stattdessen gehen Ölbekämpfungsexperten des Technischen Hilfswerkes aus Deutschland zur Hand, ein Trupp belgischer Soldaten und eine Einheit portugiesischer Zivilschützer. Das organisatorische Chaos der Behörden irritiert auch die ausländischen Profis, die sich jedoch „aus Höflichkeit“ mit Kritik zurückhalten.

Die Einwohner Muxias halten sich derweil ihrer Majestät gegenüber nicht zurück. „Schluss mit den Lügen“, steht auf einem Protestschild, das hinter dem Rücken von Juan Carlos hochgereckt wird. Nur aus wenigen Mündern schallen an diesem traurigen Tag in Muxia Jubelrufe wie „Es lebe der König“, die dem beliebten Monarchen bei angenehmeren Anlässen sonst entgegenschlagen. Den Menschen in der Katastrophenzone, die rund 600 Kilometer der galicischen Küste erfasst, ist halt nicht zum Jubeln zumute.

Doch der Ärger der Fischer, der Muschelzüchter, der Umweltschützer richtet sich weniger gegen ihren Staatschef, der den Küstenbewohnern Solidarität und Hilfe verspricht, sondern gegen Spaniens konservative Regierung, die nicht müde wird, diese Ölpest mit historischem Ausmaß kleinzureden. Allen voran der amtliche „Krisenmanager“, der stellvertretende Ministerpräsident und Regierungssprecher Mariano Rajoy, dem vorgeworfen wird, es mit der Information der Öffentlichkeit nicht so genau zu nehmen.

Alle Behörden, die mit der Bewältigung der Ölflut zu tun haben, erhielten von Rajoy einen Maulkorb. Journalisten informieren sich inzwischen bei der französischen und portugiesischen Regierung, wenn sie zuverlässige Einschätzungen über Position und Größe jener gigantischen Ölteppiche haben wollen, die auf dem Meer immer noch Richtung Küste treiben. Auch das staatliche spanische Fernsehen wurde offenbar an die Kandare genommen. „Wir dürfen in den Sendungen nicht mehr von schwarzer Flut und von Ölpest reden“, sagt ein Sprecher, „sondern nur noch von ausgelaufenem Öl“.

Angesichts dieser staatlichen (Des)Informationspolitik ist es nicht einfach einzuschätzen, was in den kommenden Wochen noch auf die galicische Küste zukommen könnte. Als sicher gilt nur, dass die kleineren Ölteppiche, die an Spaniens Atlantikküste schwappen, erst die Vorboten sind.

Ralph Schulze[Muxia]

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