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"Spatzennest"-Prozess: Erzieher erhält Berufsverbot wegen Kindesmissbrauchs

Ein Jahr Haft auf Bewährung und ein zeitweiliges Berufsverbot: Der Leiter des Kinderheims "Spatzennest" wurde in zwei von acht Fällen des sexuellen Missbrauchs für schuldig befunden. Er hat die Mädchen im Alter von sieben bis elf Jahren im Genitalbereich eingeseift und eingecremt.

Das Landgericht Kaiserslautern hat am Freitag den ehemaligen Leiter des Kinderheims "Spatzennest" im pfälzischen Ramsen zu einem Jahr Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht befand den 41 Jahre alten Stefan S. des sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwei Fällen für schuldig. Die Bewährungszeit wurde auf drei Jahre festgesetzt. Darüber hinaus verhängte das Gericht ein auf drei Jahre befristetes Berufsverbot gegen den 41-jährigen Erzieher, soweit die Arbeit mit Mädchen unter 14 Jahren betroffen ist. In den sechs übrigen Fällen wurde der Angeklagte dagegen freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte dem Pädagogen und Krankenpfleger vorgeworfen, fünf unter seiner Obhut stehende Mädchen im Alter zwischen sieben und elf Jahren während einer Ferienfreizeit im Sommer 2007 in Österreich in acht Fällen sexuell missbraucht zu haben. So soll er sie unter anderem im Genitalbereich gewaschen, eingeseift und eingecremt haben. Auch soll er zwei der Mädchen Darmeinläufe verabreicht haben. Im Prozess hatte der Angeklagte die Handlungen an sich eingeräumt, hatte aber ausdrücklich betont, er habe dabei keine sexuellen Motive verfolgt.

Gericht: Handlungen hatten objektiv sexuellen Charakter

Verurteilt wurde er nun wegen zweier Fälle, in denen er zwei Mädchen an Brust, Gesäß und im Genitalbereich eingecremt hatte. "Das Eincremen der Mädchen war nicht erforderlich. Das konnten sie selbst", sagte der Vorsitzende Richter. Die Frage, ob diese Handlungen sexuell motiviert waren, wertete er in seiner Urteilsbegründung dabei als unerheblich. Entscheidend für die Bewertung als Missbrauch sei, dass die Handlungen "nach ihrem äußeren Erscheinungsbild" objektiv sexuellen Charakter besessen hätten und der Angeklagte sich dieses Charakters auch bewusst gewesen sei.

Freigesprochen wurde der 41-Jährige dagegen in einem weiteren Fall, in dem er ein Mädchen gewaschen hatte, vermutlich mit Hilfe eines Waschlappens. Auch hier sei zwar ein sexueller Bezug erkennbar, jedoch sei die für eine Verurteilung relevante "Erheblichkeitsschwelle" nicht überschritten worden. Die beiden Darmeinläufe wertete das Gericht dagegen nicht als sexuelle Handlungen. Hier habe die medizinische Indikation einer möglichen Verstopfung den sexuellen Charakter der Handlung klar überwogen.

Verteidigung will Widerspruch einlegen

Bei der Festsetzung des Strafmaßes hielt das Gericht dem Angeklagten unter anderem zugute, dass ein planmäßiges Vorgehen nicht erkennbar gewesen sei. Gegen den Angeklagten spreche allerdings, dass die Taten, wegen denen er letztlich verurteilt wurde, von weiteren "Grenzüberschreitungen im sexuellen Bereich" begleitet wurden. Deshalb sei es geboten, durch das befristete Berufsverbot den Kontakt mit Mädchen unter 14 Jahren bis auf weiteres zu unterbinden.

Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) eingelegt werden. Die Verteidiger, die Freispruch gefordert hatten, kündigten an, dies zunächst vorsorglich tun zu wollen. Anschließen werde man dann prüfen, ob man tatsächlich ins Hauptverfahren vor dem BGH gehen wolle. Auch die Staatsanwaltschaft, die drei Jahre Haft und ein fünfjähriges Berufsverbot gefordert hatte, will zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten.

Durch den Prozess waren Erinnerungen an einen der größten Justizskandale der 90er Jahre wachgeworden. Stefan S. war damals Hauptbelastungszeuge in den sogenannten Wormser Prozessen. 25 Männern und Frauen war damals vorgeworfen worden, sich an ihren eigenen Kindern vergangen zu haben. Am Ende standen Freisprüche für alle Angeklagten. Die Kinder wurden dennoch in Heimen untergebracht, einige davon im "Spatzennest".

Markus Fadl[ddp]

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