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Sprache: "Alternativlos" ist das Unwort des Jahres

Die Kanzlerin nannte die Griechenlandhilfe so, der Verkehrsminister das Flugverbot nach dem Vulkanausbruch und der Gesundheitsminister seine Reform: Das Unwort des Jahres ist "alternativlos".

Das Unwort des Jahres heißt "alternativlos". Die Formulierung sei ein Totschlagargument, sagte der Sprecher der Unwort-Jury Horst Dieter Schlosser am Dienstag in Frankfurt. Damit werde unterstellt, es gebe bei einer Entscheidung keine andere Möglichkeit und eine Diskussion sei daher nicht notwendig. "Behauptungen dieser Art sind 2010 zu oft aufgestellt worden, sie drohen, die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung zu verstärken", sagte Schlosser. Das Unwort wurde zum 20. Mal gekürt.

Die unabhängige sechsköpfige Fachjury kritisierte auch das Wort "Integrationsverweigerer". Das von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bekannt gemachte Wort verbreite die Unterstellung, viele Migranten wollten sich nicht integrieren. "Dass für eine solche Behauptung noch immer eine sichere Datenbasis fehlt und dass der Staat seinerseits für die Integration noch zu wenig tut, wird in den entsprechenden Debatten meist ausgeblendet", urteilten die Juroren.

Sie rügten auch die Formulierung "Geschwätz des Augenblicks" in der Ostermesse des Papstes - sie stammt von Angelo Sodano, dem Dekan des Kardinalskollegiums. Damit sei versucht worden, die massiven Vorwürfe sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche beiseitezuschieben.

Mit 140 Nennungen war "alternativlos" der Renner unter den 1123 Einsendungen für das Unwort. Das waren deutlich weniger Einsendungen als im Jahresdurchschnitt von fast 1700. An zweiter Stelle landete "unumkehrbar" - meist im Zusammenhang mit Stuttgart 21. Es folgte das Wort des Jahres "Wutbürger".

"Alternativlos" noch schlimmer als "Basta"

Insgesamt gab es 624 verschiedene Vorschläge, ebenfalls weniger als im Durchschnitt (977). Die Jury sucht Formulierungen, die "sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen". Die Häufigkeit eines Vorschlags spielt dabei keine Rolle. Ziel der Aktion ist es, für mehr sachliche Angemessenheit und Humanität im öffentlichen Sprachgebrauch zu werben. "Alternativlos" sei seiner Auffassung nach noch schlimmer als das an die eigenen Reihen gerichtete "Basta" von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), sagte Schlosser. Bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) sei damit verbunden: "Ich will keine Diskussion darüber." Schlosser, Initiator der sprachkritischen Aktion, scheidet mit 73 Jahren aus dem Gremium aus. Seine Nachfolge übernimmt das Jury-Mitglied Nina Janich, die in Darmstadt Professorin für germanistische Sprachwissenschaft ist.

Bislang bestand die Jury aus vier Sprachwissenschaftlern und zwei wechselnden Mitgliedern - diesmal dem Autor und Literaturkritiker Hellmuth Karasek sowie der Journalistin Ruth Fühner vom Hessischen Rundfunk.

Das Börsenunwort des Jahres 2010 lautet "Euro-Rettungsschirm". Es wird seit zehn Jahren von Maklern, Wertpapierhändlern und Analysten der Düsseldorfer Börse in Anlehnung an das Unwort des Jahres bestimmt. Kritisiert werden Wortwahl und Wortbildung, die falsche, sogar illusionäre Assoziationen wecken könnten. Gemeint sei ein Notkredit auf Zeit für hoch verschuldete Staaten. (dpa)

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