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Der Tsunami und der der Bürgerkrieg waren für die Region eine doppelte Katastrophe.

© AFP

Sri Lanka 10 Jahre nach dem Tsunami: „Mein Leben ist vorbei. Ich lebe für meine Kinder“

Erst wurde Sri Lanka von Bürgerkrieg gebeutelt, dann von den Fluten verwüstet. Heute herrscht Frieden. Noch immer sind die Wunden tief. Doch der Wiederaufbau läuft – auch dank der Spenden von Tagesspiegel-Lesern.

Alicias Saraswathy hat sich auf dem Steinboden niedergelassen, um Untersetzer aus Palmblättern zu flechten. Die 43-Jährige ist eine von 28 Frauen, die in dieser Woche in der Berufsschule von Trincomalee im Osten Sri Lankas eine Fortbildung macht. Die Schule für technische Ausbildungen ist mit Spenden der Tagesspiegel-Leser gebaut worden.

Zehn Jahre ist es nun her, dass der Tsunami durch 14 asiatische Länder wütete. 230 000 Menschen starben damals, alleine in Sri Lanka waren es 40 000. Der Wiederaufbau gestaltet sich seither schwierig. Jahrelang gab es wegen des Bürgerkrieges mit den sogenannten Tamilentigern (kurz: LTTE) Verzögerungen und Rückschläge – so auch bei der Berufsschule. Inzwischen werden die einladenden gelben Gebäude mit den roten Ziegeldächern hinter einem kleinen Palmenwäldchen am Straßenrand von Nilaveli von verschiedenen Organisationen für Fortbildungen genutzt. Da die meisten Schüler bisher ihr Geld in der Landwirtschaft, als Fischer oder kleine Ladenbesitzer verdienen, kann allerdings nur in der Nebensaison fortgebildet werden.

Heute ist die Arbeitsmoral im Nordosten gut

„Am besten laufen die Kurse für schwere Maschinen“, erzählt Udeni Dias aus der Zentrale der sri-lankischen Hilfsorganisation Sewalanka, die zusammen mit der Welthungerhilfe mit den Tagesspiegel-Geldern die Schule gebaut hat. Private Firmen stellen dafür Trucks, Caterpillars, Trawler und Trecker, die Schüler bekommen zum Abschluss ein staatlich anerkanntes Zertifikat, mit dem sie sich um einen Job bewerben können. Im Osten und Norden gibt es wegen des jahrzehntelangen Bürgerkriegs, der vor fünf Jahren zu Ende ging, großen Nachholbedarf – auch was die Ausbildung angeht, denn viele gut ausgebildete Tamilen haben das Land verlassen. Heute sei die Arbeits- und Ausbildungsmoral für Handwerksberufe im Norden Sri Lankas ausgeprägter als im besser entwickelten Südwestgürtel des Landes, sagen Beobachter.

Gut geflochten. Alicias und Sasindra lernen in der Berufsschule, dass sie mit besseren Techniken und anderen Farben mehr Geld für ihre Körbe bekommen.
Gut geflochten. Alicias und Sasindra lernen in der Berufsschule, dass sie mit besseren Techniken und anderen Farben mehr Geld für ihre Körbe bekommen.

© Ingrid Müller

Die 28 Frauen, die heute in der Berufsschule sind, besuchen einen mehrtägigen Aufbaukurs. Eine junge Trainerin aus einem Nachbarort erklärt ihnen in dem von Prinz Charles’ Stiftung British Asia Trust finanzierten Kurs für Bürgerkriegsopfer, wie sie ihre Flechttechnik verfeinern und Körbe produzieren können, die sie auch in der Großstadt Colombo oder an Touristen verkaufen können. Dabei geht es weniger um Ästhetik als ums Einkommen. Für orange-lila oder grüne Körbe bekommen sie in Colombo den doppelten Preis. Sewalanka bringt die Körbe dorthin und verkauft sie auf einem Markt für Bio-Produkte. „Organic“ liegt auch bei der einheimischen Mittelschicht im Trend.

Die Familie der 43-jährigen Alicias Saraswathy hat in Vavuniya einen Gemüseladen, eigentlich ist ihr Mann Fischer. Seit zwei Jahren macht sie auch Handarbeiten. „Ich wollte mein eigenes Geld“, erzählt sie selbstbewusst, während sie weiter an ihrem Untersetzer arbeitet. Einiges davon hat sie in ihre „Sparkasse“ gesteckt: goldene Ohrringe, Ringe, zwei Armreifen. Aber auch Kleidung für ihre vier Kinder bezahlt die Mutter davon. Sie wurde seit 1997 mehrfach aus ihrem Heimatort Nedunkeny vertrieben. Als die Tamilentiger Mädchen rekrutierten, habe ihre 16-jährige Tochter schnell geheiratet, inzwischen hat sie zwei Kinder. In den letzten Kriegswochen floh die Familie immer weiter vor den Kämpfen. Am Ende ergaben sie sich der Armee, die sie nach „Manic Farm“ brachte, die Lager für Tamilen. „Das Leben in den Zelten war furchtbar“, erinnert sich die Mutter. Es war heiß und regnete rein. „Außerdem hatten wir keinerlei Privatsphäre. Monatelang gab es nur Linsen und Reis zu essen, am Ende oft gar nichts.“

Heute würden sie oft „bei einem guten Essen“ über diese Zeiten reden. Dass inzwischen Frieden herrscht, genießt sie sehr. Von ihrem Shop können sie allerdings nicht leben. Damit verdienten sie etwa 5000 Rupien pro Monat, mit den Flechtarbeiten kämen zusätzlich 4000 Rupien rein. Das ist auch für Sri Lanka sehr wenig.

Die Kinder sollen es einmal besser haben

Ihre Nachbarin sagt kurz und knapp: „Mein Leben ist vorbei, seit mein Mann gestorben ist.“ Ihr Mann sei damals von den Tamilentigern zwangsrekrutiert worden und zu Kriegsende gefallen, sagt die 35-jährige Sasindra Vijeratna. Die Mutter von drei Kindern will nicht wieder heiraten. „Ich lebe für meine Kinder. Dafür, dass sie eine gute Ausbildung bekommen und nicht ums Überleben kämpfen müssen wie wir“, sagt sie. Sie arbeitet als Tagelöhnerin und verkauft ihre Flechtarbeiten. „Ohne die Unterstützung meiner Brüder würde es aber nicht reichen.“

Viele Tamilen im Osten und Norden des Landes kämpfen um den Respekt ihrer Landsleute ebenso wie ums tägliche Überleben. „Die LTTE hat unsere Verbindungen in unserem Land zerstört“, sagt Annet Royce von Sewalanka mit Blick auf den Bürgerkrieg. „Wir müssen langsam vergessen und in Würde zusammenleben. Die Dinge verändern sich.“ Vor allem aber hofft sie wie so viele Tamilen: „Die junge Generation sollte die Freiheit genießen, die wir nie hatten.“

In Trümmern. Weite Landstriche hat der Tsunami vor zehn Jahren verwüstet, alleine in Sri Lanka starben 40000 Menschen.
In Trümmern. Weite Landstriche hat der Tsunami vor zehn Jahren verwüstet, alleine in Sri Lanka starben 40000 Menschen.

© AFP

Hinter der Berufsschule ist auch einer der Trawler aufgebockt, der mit Tagesspiegel-Spenden angeschafft wurde. Er war für Schulungszwecke vorgesehen, liegt aber derzeit ungenutzt auf dem Trockenen. Die Tiefseefischerei lohnt sich im Moment nicht. Das geht auch den Fischern der Velurvelavan-Kooperative ein paar Kilometer weiter an der Cod Bay so, die nach dem Tsunami auch einen Trawler aus Tagesspiegel-Spenden erhalten haben. Zu ihrem Schiff gelangt man nur, wenn man durch oberschenkeltiefes Wasser watet. Am liebsten würden sie ihr Schiff verkaufen, erzählt ihr Sprecher Munjula. Doch die Imula hat einen schweren Motorschaden und ist nach der Kollision mit einem anderen Schiff während eines Sturms auch ansonsten lädiert.

Es war richtig, die Schiffe zu besorgen

„Auf jeden Fall war es damals aber die einzig richtige Entscheidung, diese Hochseeboote zu besorgen“, sagt der 37-Jährige, auf dessen blauem T-Shirt dick „Where are you?“ steht. „Direkt an der Küste durften wir damals nicht fischen - die einzige Möglichkeit für uns war die kleine Durchfahrt, die für den Weg in die Tiefsee offen war. Wir haben nichts anderes gelernt als die Fischerei.“

Als sie das Schiff hatten, „haben wir anderthalb Jahre sehr gute Geschäfte gemacht“, erzählt Munjula zufrieden. Einige der 144 Fischer der Kooperative sparten in der Zeit so viel, dass sie sich eigene kleine Boote kaufen konnten. Heute leben sie gut von ihren Fängen, die Fischpopulation in Ufernähe habe sich inzwischen erholt. Der Sprit für die großen Boote aber sei so teuer geworden, dass die Kosten für ihre Zweiwochentouren die Einnahmen deutlich überstiegen. Munjula selbst lebt inzwischen von einem Shop in Trincomalee.

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