zum Hauptinhalt

Panorama: Stamm ermöglicht Frauenehe - Staatliches Gericht billigt Scheidung der 80-jährigen

Eine 80-jährige Frau hat sich in der Stadt Kisii in Kenia von ihrer wesentlich jüngeren Ehepartnerin scheiden lassen. Die Sittenlehre der Volksgruppe Kisii im Westen Kenias ermöglicht die Ehe einer Witwe mit einer jüngeren Frau, jetzt hat erstmals ein ziviles Amtsgericht einer Scheidung zugestimmt.

Eine 80-jährige Frau hat sich in der Stadt Kisii in Kenia von ihrer wesentlich jüngeren Ehepartnerin scheiden lassen. Die Sittenlehre der Volksgruppe Kisii im Westen Kenias ermöglicht die Ehe einer Witwe mit einer jüngeren Frau, jetzt hat erstmals ein ziviles Amtsgericht einer Scheidung zugestimmt. "Sie hat micht angegriffen und meine Töchter schikaniert und beleidigt", führte die alte Dame gegen ihre Ehepartnerin ins Feld. Außerdem habe die andere ihr das Essen entzogen, um sie verhungern zu lassen.

Die Zeitung "Kenya Times" hat den Fall ausführlich dokumentiert. Demnach hatte die Frau nach dem Tode ihres Mannes vor acht Jahren die Jüngere geheiratet. Die Verheiratung von Witwen mit anderen Frauen ist bei den Kisii nicht unüblich, wenn aus der ersten Ehe keine Söhne hervorgegangen sind. Denn nach Kisii-Recht können Töchter nicht die Familienerbfolge antreten. Söhne brachte die neue Partnerin wohl mit in die Ehe, doch an der Liebe fehlte es. Nach der Heirat habe sich die Jüngere als feindlich und streitsüchtig entpuppt, klagte die Witwe. Eine gütliche Einigung mißlang, die Junge habe Vermittlungsversuche abgewiesen.

Aus diesem Grund nahm sich die Ältere einen Anwalt und klagte vor Gericht. Der Richter entschied in ihrem Sinne. Die ungeliebte Ehefrau muß das gemeinsame Heim räumen, die Ehe ist annulliert und die Scheidung wegen "Grausamkeit und Gewalt" vollzogen. Nach Auskunft der Juristenvereinigung von Kenia wird immer wieder einmal Stammesrecht vor zivilen Gerichten entschieden. "Wir ziehen dann Experten der einzelnen Volksgruppen zu Rate", sagte Donald Ndeia, Generalsekretär der Juristenvereinigung. Denn bei 42 Volksgruppen in Kenia sei ein tiefer Einblick in die Stammesrechte im Jurastudium nicht möglich. Oft kommt es wegen der traditionellen Beerdigungsvorschriften zum Rechtsstreit. Das Stammesrecht der Volksgruppen wird von den kenianischen Gerichten akzeptiert, solange es nicht gegen Moral und die übergeordneten Gesetze verstößt, sagt Donald Ndeia. Beim Stammesrecht der Massai ist das manchmal der Fall. Nach ihren Regeln dürfen Mädchen mit zehn Jahren schon an Männer verheiratet werden, ein klarer Verstoß gegen kenianisches Gesetz. Erfährt ein Provinzgouverneur von einer solchen illegalen Heirat, müssen Ehemann und Vater verhaftet und verhört werden. Die Höchststrafe von einem Jahr Gefängnis wird jedoch selten verhängt. Mit der Verstädterung und der höheren Mobilität der Kenianer wird auch das traditionelle Recht weniger akzeptiert. Donald Ndeia meint, "in einigen Jahren gehört das Stammesrecht in die Geschichtsbücher".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false