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Stephan Remmler, 2016 beim "Großen Schlagerfest" der ARD.

© Imago

Stephan Remmler: 70 Jahre und ein bisschen leise

Mit Trio und seinen Solo-Alben hat Stephan Remmler ein bisschen Musikgeschichte mitgeschrieben. Sein erfolgreichster Song ist 35 Jahre alt: Auch "Da da da" steht, wie fast sein ganzes Werk, für Ambivalenz und Melancholie.

Von Carsten Werner

Als Elvis Presley am 1. Oktober 1958 in Bremerhaven von einem US-Marineschiff an Land ging, um in Deutschland seinen Militärdienst abzuleisten, stand im Hafen ein fast zwölf Jahre alter Junge in kurzer Lederhose: Stephan Remmler, geboren am 25. Oktober 1946 im nordrheinwestfälischen Witten, aufgewachsen an der Nordsee.

„Diese ungewöhnliche Art zu singen, mit diesem o-ho, o-ho, o-ho, weißt du? Dieses u-hu, u-hu u-uhuu! Das war Elektrizität“, schwärmte Remmler später mal im „Spiegel“ von seiner ersten Schallplatte, Elvis’ „Heartbreak Hotel“. Er habe das ständig versucht, nachzusingen: „Rein phonetisch.“ Und galt bald als „Mick Jagger von der Unterweser“.

Der Erfolg kam später: 1982 mit dem Minimal-Schlager „Da Da Da ich lieb dich nicht du liebst mich nicht aha aha aha“; in den Hitparaden neben Nicoles „Ein bisschen Frieden“ und viel Neuer Deutscher Welle. Remmler war da schon Mitte 30. Die zugehörige LP war ein paar Monate vorher erschienen: weiß, bestempelt mit dem Bandnamen Trio nebst Adresse und Telefonnummer der Musiker-WG in Großenknethen. Der große Hit war da noch nicht drauf – er wurde erst in die dritte Auflage eingekoppelt.

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Die erste dokumentierte Aufführung erlebte der Song im legendären Hamburger „Onkel Pö“ – die Band erklärte ihn so: „Das ist Minimal-Art. Das ist so minimal, dass es schon wieder Art ist.“ Freunde fanden ihn gut: Weihnachten 1981, vor 35 Jahren, soll im Berliner „Kant Kino“ vereinbart worden sein, dass die Band Ideal bei der Plattenaufnahme hilft – Annette Humpe als Chor, Schlagzeuger Hans-Joachim Behrendt mit Kastagnetten. Die Aufnahmen fanden im Februar 1982 im Zürcher Studio der Band Yello statt, Klaus Voormann spielte einen sehr dezenten Bass ein – bis dahin ein Unikum in Trio-Songs, die auf Bässe verzichteten.

Trio war der erste Teil seiner Karriere

Remmlers schmeichelnd tiefes Timbre, ganz nah am Mikrofon aufgenommen und ins Ohr gewurmt, war offenbar Fantasieanreiz und Projektionsgelegenheit für viele: Manche Hörer empfanden das Stück als sexistisch. Remmler erzählte in den RBB-„Popsplits“ über den Text, dass er „einfach eine Beziehung in unserm Umfeld beobachtet habe“. Wie überhaupt seine Lieder „immer kleine Beobachtungen im Alltag, oft autobiografisch“ waren. Für Nicoles „Ich hab Dich doch lieb“ hat Trio nach einer verlorenen „Wetten dass...?“-Wette den Chor gegeben. 1986 war die Band schon Popgeschichte.

"Trio", 1983 - auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs: Stephan Remmler, Peter Behrens und Kralle Krawinkel.
"Trio", 1983 - auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs: Stephan Remmler, Peter Behrens und Kralle Krawinkel.

©  Horst Ossinger/dpa

Remmler raunte, hauchte, brummte, sinnierte solo weiter: „Keine Sterne in Athen“, „Vogel der Nacht“, „Einer ist immer der Loser“. Dabei blieb er beharrlich zwischen Ironie und Alltagsbeobachtung, meistens melancholisch und ex-verliebt, nebenbei gesellschaftskritisch, ab und an mal glücklich: „der Auerhahn weiß heut noch wies gewesen ist / als du mich erst aufs Auge dann aufs Ohr geküsst / Ist dasn Wunder dass ich mich so verliebt hab / als du mich so geliebt hast / oben aufm Berg“.

Selbst diagnostizierte „große Schwierigkeiten mit Pathos“ hielten ihn nicht von einer kompletten Freddy-Quinn-Cover-CD ab, noch hinderten sie ihn, immer wieder mal Blaskapellen, Spielmannszüge und veritable Shantychöre ins musikalische Bild zu schieben – was den ambivalenten Charme mancher Songs („Lass mich einmal noch / wieder bei dir sein / lass mich einmal noch / mit dir zufrieden sein / ich verspreche dir / es wird nicht lange sein / um der alten Zeiten willen / lass mich endlich rein ...“) durchaus verstärkte.

Volkstümliches - aber nicht zum Mitklatschen

Musiklehrer finden in Remmlers Schlagern Links und Bezüge zuhauf und alle Musikstile. Volkstümliche Elemente („Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“) provozierten den in Bierzelten und auf Schlagerpartys vielfach kultivierten Irrtum, seine Musik sei zum Mitklatschen und für allfällige Polonaisen gemacht – was Remmler verachtet. Funktioniert auch nicht lange bei seinen Kompositionen und Texten.

Das Lied „Schweinekopf“ und das Video dazu sind eine harte Sextourismus-Kritik – ein Rollenspiel mit Worten eines kleinen Mädchens an einen Freier, das an Eindeutigkeit und klarer Position des Autoren und Sängers Remmler nichts zu wünschen übrig lässt.

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Als Willy Brandt starb, weigerte er sich, in einer Talkshow „Bitte Bitte Barbarella“ zu singen – auch eine dieser Frauengeschichten, sehr albern, ein bisschen anzüglich.

Zum 60. Geburtstag 2006 gönnte sich Remmler ein Comeback: „Einer muss der Beste sein“ heißt die CD, die er mit seinem Sohn Cecil Carlos Remmler produzierte – Clubrhythmen der Nullerjahre inklusive, dabei waren Seeed, Deichkind, Thomas D., Heinz Strunk und Señor Coconut. Über „Frauen sind böse“ („... woll’n zerstör'n/ Woll’n viel reden, können nicht hör’n“) wurde wieder viel gestritten.

Statt Revival-Platte und Autobiografie: Ein Kinderbuch

Zum 70. am Dienstag wird es so was nicht geben. „Eine Solo-CD von Stephan Remmler wird es nicht mehr geben. Alles, was zu erzählen war, ist erzählt. Damit bin ich durch“, hat er dem „Blick“ gesagt. Auch eine Autobiografie hat Remmler abgelehnt: Ihm sei nichts peinlich, aber er müsse auch nicht alles Erlebte „skandalmäßig hochhalten“. „Und ich will vor allem nicht, dass meine Kinder das lesen.“ Stattdessen hat er ein Kinderbuch geschrieben mit den Geschichten, die er ihnen früher aus dem Stegreif erzählt hat: „Heinrich, Schweinrich und die fliegenden Krokodile“. 2017 ist er beim Vox- Tauschkonzert „Sing meinen Song“ dabei.

Seine beiden Trio-Kollegen Kalle Krawinkel und Peter Behrens sind inzwischen gestorben. Remmler lebt in Basel und auf Lanzarote, „bastelt“ da in seinen beiden Studios und führt seine Geschäfte. Dazu gehört immer wieder auch „Da Da Da“, zigfach gecovert, parodiert und neu formatiert: Das Lied „bezahlt mir bis heute die Miete, das Essen und die Ferien“ – auch als Werbeträger in den USA für Volkswagen, Microsoft und Pepsi Cola (interpretiert von Christina Aguilera), in Österreich für Supermärkte – und aktuell in der Schweiz für Carsharing, in Deutschland für den zu „American Express“ gehörenden Bonuspunktehändler und Datensammler Payback – mit einem zehn Jahre alten Plattenfirma-Promo-Foto. Minimal ambivalent eben: Er entschwindet langsam und ist voll da im Poprummel-Alltag, der längst keine Revolution mehr ist. Auch eine Ironie.

Im nahen Winter wird sich wieder mindestens eine Generation pop-sozialisierter nicht mehr ganz junger Deutscher wieder an Trios jeglicher Ironie oder Ideologie unverdächtigem Weihnachtsliedchen wärmen: Turaluraluralu – ich mach bubu, was machst Du? Gibt Schlimmeres. Auf seiner Homepage zeigt Remmler mit dem ihm eigenen Humor und Selbstbewusstsein – zwischen Popgenie und Untotem – einzig ein Bild von sich. Mit Elvis-Maske.

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Auf der Homepage http://www.stephan-remmler.de/ hat Matthias Klein in liebevoller Kleinarbeit alles zu Trio und Stephan Remmler gesammelt und sortiert.

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