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Gunter Sachs mit seiner Frau Mirja in ihrem Garten in St. Tropez.

© picture-alliance / dpa

Steuerflucht-Skandal: Gunter Sachs - Mathematiker des guten Lebens

Gunter Sachs hatte mehr Geld, als er ausgeben konnte. Warum schlug er sich mit schwierigen Steuersparmodellen herum? In der Schweiz wird wegen des Steuerflucht-Skandals noch nicht gegen ihn ermittelt.

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Reiche Playboys haben es schwer im Leben. Sie haben einen riesigen Haufen Geld geerbt, müssen nicht arbeiten, müssen nicht kämpfen, die süße Verlockung lädt ein, sich den Widrigkeiten und Herausforderungen der Welt zu entziehen und nur noch das Schöne im Leben zu genießen. Was muss es für ein Kraftakt sein, sich dieser verführerischen Aussicht zu entziehen und mit eiserner Disziplin eine schwere Aufgabe zu finden, die einen herausfordert und dem eigenen Leben einen Sinn gibt.

Gunter Sachs hat das getan. Der Millionenerbe, der zeitlebens das Image des leichtlebigen Playboys nicht loswurde – und wohl nie ganz loswerden wollte –, war ein harter Arbeiter. Das zumindest sagen alle, die ihn kannten und sich öffentlich äußern. Er war ein unermüdlicher Fotograf, ein begnadeter Künstler, ein Buchautor, Kunstsammler und Galerist. Als Unternehmer baute er eine Kette von Modeboutiquen auf. Was bei den Schilderungen dieses extrovertierten Lebens unterging, war die Tatsache, dass er Mathematiker war. Rechnen, tüfteln, Lösungen für besonders schwierige Fragen finden, die sonst keiner versteht – das kann für einen Menschen die höchste Anerkennung sein, die er für sich selber finden kann. Clever sein wollen, besser als andere, was kann einen mehr antreiben?

In dem jetzt bekannt gewordenen Steuerskandal, bei dem 130 000 Reiche aus 170 Ländern einen Teil ihres Vermögens in Offshore-Gesellschaften vor dem Finanzamt versteckten, wird auch sein Name genannt. Hatte er das nötig? Auf mehrere hundert Millionen wird sein Vermögen geschätzt, mehr, als er jemals hätte ausgeben können. Warum vertieft sich einer in eine derart schwierige Materie? Steuerrecht, Schlupflöcher, Verschachtelungen, komplizierte Berechnungen, Abwägungen, schwierige Verhandlungen, Geheimnistuerei. Wer tut sich das freiwillig an, wenn er weiß, dass er keinen Cent dessen, was er dadurch mehr im Sack hat, jemals wird ausgeben können? Der weiß, dass er mit seinen komplizierten Konstruktionen seiner Frau und seinen Kindern wahrscheinlich eine Bürde hinterlässt, die sie überfordert?

Vielleicht ist es schiere Hingabe, Hingabe an Zahlen, Hingabe an Arbeit, Hingabe an besonders widrige Schwierigkeiten. Diese Hingabe soll sein Leben selbst in jenen sechs bis zwölf Jahren geprägt haben, als alle Welt dachte, er kenne nichts anderes als Partys in St. Moritz und St. Tropez. Auch in dieser Zeit soll er immer bis tief in die Nacht gearbeitet haben. Aus dieser Zeit stammt auch sein Womanizer-Image. Fotos mit Brigitte Bardot und vielen anderen Frauen aus Film, Mode und Jetset prägten damals in den sechziger Jahren das Bild, das die Öffentlichkeit von ihm hatte. Die letzten vier Jahrzehnte vor seinem Freitod 2011 war er glücklich mit einer Frau verheiratet, dem ehemaligen schwedischen Model Mirja Larsson. Diese Frau bricht jetzt erstmals ihr Schweigen. „Mein Mann war in Planung, Kalkulieren, Taktik absolut der Allerallerbeste“, sagt sie in der ARD-Dokumentation „Der Gentleman-Playboy Gunter Sachs“, die am Montag um 21 Uhr ausgestrahlt werden soll.

Die Witwe weiß wahrscheinlich nicht, was noch auf sie zukommt

Vielleicht weiß die Witwe noch gar nicht, was auf sie zukommen wird, wenn sich herausstellen sollte, dass die Offshore-Aktivitäten des eingebürgerten Schweizers Gunter Sachs illegal waren. Bisher gibt es in der Schweiz noch keine Ermittlungen in dieser Sache. Yvonne von Kauffungen, Sprecherin der Steuerverwaltung des Kantons Bern, sagte: „Wir haben die Dokumente nicht vorliegen. Gegebenenfalls werden wir den Fall angehen und Untersuchungen einleiten.“

Nachdem Gunter Sachs in den 70er Jahren in Deutschland Ärger mit dem bayerischen Finanzamt bekommen hatte, ließ er sich in der Schweiz einbürgern. Damit hatte er eine Steueroase gefunden, warum suchte er eine neue? Es gibt viele offene Fragen. Ohne Einbürgerung hätte er in der Schweiz die Möglichkeit gehabt, individuell mit den Steuerbehörden einen noch vorteilhafteren Steuersatz auszuhandeln, als er als Schweizer bezahlen musste. Vielleicht hat das auch mit der Familiengeschichte zu tun. Wie sein Biograf Wilfried Rott enthüllte, war Gunters Vater Willy, Erbe des Fichtel-&-Sachs-Firmengründers Ernst Sachs, früh zu den Nazis gestoßen. Gunters Mutter Elinor von Opel trennte sich von ihm und ging mit den Kindern in die Schweiz. Es gelang dem Vater, Partei- und Staatsführung für die Entführung von Gunter und seinem Bruder nach Deutschland zu gewinnen. Sie misslang. Vielleicht ist auch das der Grund, warum Gunter Sachs später die schweizerische Staatsbürgerschaft annahm.

Nicht alles ist mit Geld zu erklären.

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