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Panorama: Stinkende Socken als Geheimtip gegen Schnupfen

Museumsausstellung über die Kulturgeschichte des Naseputzens und des Taschentuchs VON BARBARA HOFFMANN Pfuhl.Im 16.

Museumsausstellung über die Kulturgeschichte des Naseputzens und des Taschentuchs VON BARBARA HOFFMANN

Pfuhl.Im 16.Jahrhundert soll es aus Italien gekommen sei, das "Fazzoletto", ein quadratisches Stück Stoff.Schnell wurde es zu einem koketten Accessoire der vornehmen Welt, ein Privileg des Adels und hohen Klerus.Die Tüchlein waren aus feinem Batist, aus kostbarer Seide, mit Spitzen und Stickereien.Vor allem in Frankreich wurde ein großer Luxus damit getrieben.Honoré de Balzac meinte, man könne den Charakter einer Frau am besten danach beurteilen, wie sie ihr Taschentuch handhabe. Das Heimatmuseum in Pfuhl, das ist ein ganz kleiner Ort bei Ulm, hat eine Ausstellung eröffnet mit dem Titel: "Von Rotznasen und Taschentüchern".Es ist eine kleine Kulturgeschichte über das Naseputzen und den Umgang mit Taschentüchern geworden. Über den Ursprung des Taschentuchs gibt es Streit.Während die großen italienischen Zeitungen ausführlich über diese Ausstellung berichten und ganz stolz darauf sind, angeblich die Erfinder und ersten Nutzer von Taschentüchern zu sein, gibt es auch andere Darstellungen.Während die Agenturen am Dienstag mit dieser Darstellung heißliefen, erklärte der Wormser Autor und Ethnologe Georg Dehn gegenüber dem Tagesspiegel, daß die erste kulturgeschichtliche Erwähnung des Taschentuchs den Wormser und Mainzer Rabbi Jacob Ben Moses Halewi Molin, genannt Abraham von Worms, als Erfinder und Nutzer des Taschentuchs beschreibt.Es war um die Wende vom 14.zum 15.Jahrhundert, als der Genannte in der Synagoge ein Taschentuch benutzte, um sich zu schneutzen.Das war damals völlig ungebräuchlich und die Menschen dachten, der Mann habe einen Spleen.Damals umgingen die Leute in der Synagoge das Verbot, mit der Hand zu schneutzen, indem sie den Ärmel benutzten. In frühen Zeiten schneuzten Bauern normalerweise mit Daumen und Zeigefinger.Nach der Französischen Revolution griff die Taschentuchmode vom Adel auf bürgerliche Kreise über.In Deutschland waren die Beamtenfamilien die ersten, die solche Tücher besaßen.Im Handbuch des guten Tones hieß es noch 1820: "Mit dem Hute oder Rock sich zu schneuzen ist bäurisch". Bis zu 80 Zentimeter Seitenlänge hat das Taschentuch in der Ära nach der französischen Revolution gemessen.Es war für seinen Träger vor allem ein Statussymbol, etwa vergleichbar mit der Luxuskarosse vor der Haustür heutzutage.Später wurde das Taschentuch immer kleiner.Um das Viereck ranken sich viele Geschichten: Und um Kobolde und Wichtelmänner gnädig zu stimmen, legte man ihnen in der Nacht ein Schnupftuch parat. Niesen war den Menschen etwas Unheimliches.Der Brauch, jemandem nach dem Niesen "Helf Gott" zu sagen, ist sehr alt.Im "Ulmischen Intelligenzblatt" von 1834, das hier nur als Sekundärquelle genannt werden kann, steht: "Im Jahre 1520 grassierte eine Seuche, die mit unaufhörlichem Niesen anfing und mit dem Tode endete.So sagte man einem Niesenden, als einem dem Tode bereits überantworteten, "Nun helfe dir Gott". Was waren das für rauhe Gebräuche, als man eine laufende Rotznase noch nicht mit einem Taschentuch putzen konnte.Als Geheimtip gegen Schnupfen galt damals das intensive Schnüffeln an einem stinkenden Socken.Grundbedingung: Der Strumpf mußte sieben Tage lang getragen worden sein.Um das lästige Übel in der Nase loszuwerden, schneuzte man auch schon einmal vestohlen in den Schuh eines Freundes.Damit, so ging die Mär, konnte man sich vom Schnupfen befreien.Als weiteres Hausmittel war das Einreiben der Fußsohlen mit Branntwein üblich. Auch der Brauch, jemandem mit dem Taschentuch hinterherzuwinken, hat weit zurückreichende Wurzeln.Zumindest in Bayern und Tirol war es früher üblich, Abreisenden alte Schuhe oder Pantoffel nachzuwerfen.Das sollte Glück bringen und eine gesunde Heimkehr.Wenn man die Pantoffel aber gern behalten wollte, tat es auch ein Strumpfband oder ein Handschuh.Später wurde halt ein Taschentuch zum Abschied geworfen.Und irgendwann begnügten sich die Menschen, nur noch damit zu winken.

BARBARA HOFFMANN

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