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Panorama: Strandball

Direkt an der Seebrücke von Heringsdorf baut das ZDF seine Bühne für die Fußball-Europameisterschaft.

Die Möwen im Ostseebad Heringsdorf freuen sich offenbar über den neuen Landeplatz direkt am Strand. Nach einem mehr oder weniger majestätisch anmutenden Flug am Himmel steuern sie das Stahlgerippe an, um von dort aus Ausschau nach Urlaubern mit Brot in der Hand zu halten. Dann verlassen sie blitzschnell ihre Position und schnappen sich die Häppchen vorzugsweise im Flug. Die Urlauber auf der mehr als 500 Meter langen Seebrücke freuen sich über das Spektakel, das nie in einem Reiseführer als Empfehlung stehen wird. Denn der jetzt so ruhige Rastplatz der Möwen verwandelt sich ab 8. Juni in einen Ort voller Lärm, Musik, Gegröle, Jubelgesänge, Pfiffe und vielleicht auch Enttäuschungen und Kummer.

Das ZDF richtet hier für drei Wochen seine Zuschauerarena für die Fußball-EM in Polen und in der Ukraine ein. Bis zum 1. Juli werden nicht nur alle Spiele auf einer im Wasser stehenden Leinwand übertragen und von den Experten kommentiert. Auch andere Sendungen wie das Morgenmagazin, der Fernsehgarten, das Sportstudio, „Lafer! Lichter! Lecker!“, „Mona Lisa“ oder „Volle Kanne“ kommen direkt aus Heringsdorf.

„So eine Chance zur Werbung kommt so schnell nicht wieder“, sagt Heringsdorfs neuer Bürgermeister Lars Petersen. „Wenn wir den Zuschauern bei Sonne unseren herrlichen Strand zeigen können, haben wir für die nächsten Jahre ausgesorgt. Dann rennen uns die Urlauber noch nach Jahren die Insel ein.“

Der Mann aus Schleswig-Holstein, den die Arbeit bei der Bundespolizei nach Usedom verschlagen hatte, ist Feuer und Flamme für das ZDF-Projekt. „Wir haben einen 70 Meter breiten Strand mit schönstem Sand, hervorragende Hotels, eine einzigartige Bäderarchitektur und kein Wechselspiel zwischen Ebbe und Flut. Nur leider weiß das in Deutschland noch längst nicht jeder.“

Allerdings zählten allein die drei Kaiserbäder Ahlbeck, Heringsdorf und Bansin im Vorjahr rund 2,2 Millionen Übernachtungen. Doch immer wieder werden neue Hotels eröffnet. Seit einem Jahr wirbt beispielsweise das Steigenberger Grandhotel mit rund 200 Zimmern und Suiten um Gäste, während das Strandhotel nebenan gerade kräftig in einen Neubau investiert.

Immerhin setzte sich Usedom gegen zwei andere starke Bewerber durch, die sich ebenfalls über so eine Marketingoffensive gefreut hätten. „Zur weiteren Auswahl standen Frankfurt an der Oder und Görlitz“, sagt Matthias Hoffmann von der Berliner Event-Agentur Pehnert & Hoffmann, die den „Fußballsommer“ im Auftrag der Kommune Heringsdorf organisiert. „Das ZDF wollte einen Ort in der Nähe zu Polen, eine gute Infrastruktur und natürlich eine sichere Produktion.“ Deshalb sei die Wahl auf den Strand rund fünf Kilometer vor der Grenze zum polnischen Swinemünde gefallen.

Das Gesamtbudget soll bei etwa 800 000 Euro liegen, wobei die Rechnungen noch längst nicht abgeschlossen sind. Allein die Ausgaben für die Sicherheitsdienste rund um die Arena am Strand schwanken nach Angaben des Bürgermeisters noch zwischen 150 000 und 350 000 Euro.

Die Einnahmen für den Verkauf von Eintrittskarten halten sich jedenfalls in Grenzen. Wer die Spiele und die Kommentare von Katrin Müller-Hohenstein und Oliver Kahn live verfolgen will, zahlt zehn Euro Eintritt. Zur Verfügung stehen jeweils 1 000 Plätze. Die Deutschland-Spiele sind zwar schon bis auf einige Restkarten an den Tageskassen ausverkauft, aber für die anderen EM-Begegnungen gibt es noch Tickets. Große Sichtschutzwände um die Arena und auf der Seebrücke verhindern einen kostenlosen Blick auf das Geschehen. Das war auch schon 2006 zur WM im Sony Center am Potsdamer Platz oder zur EM 2008 in Bregenz der Fall.

Dennoch lohnt sich gerade für spontane Besucher aus Berlin der nur zweieinhalb Stunden dauernde Trip nach Usedom. Auf der Heringsdorfer Strandpromenade wird ein großer Markt mit Informationen, Präsentationen, Verkauf von Fan-Artikeln und natürlich regionalen Speisen aufgebaut. Je nach Andrang steigt auf bis zu drei Plätzen in Heringsdorf ein Publik Viewing.

Nach der Europameisterschaft wird die Bühne wieder abgebaut – sicher zum Leidwesen der Möwen. Eine weitere Verwendung der Plattform steht noch aus.

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