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Strandkorb-Baby: Mutter von Findelkind verurteilt

Eine 34-Jährige Berlinerin ist in Jever zu 15 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Sie hatte ihr Neugeborenes auf einer Nordseeinsel in einem Strandkorb ausgesetzt.

Jever (20.07.2005, 15:45 Uhr) - Wegen der Aussetzung ihrer neugeborenen Tochter ist die Mutter von Findelkind Pauline zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt worden. Die Strafe werde für drei Jahre auf Bewährung ausgesetzt, sagte am Mittwoch der Vorsitzende Richter des Amtsgerichts im niedersächsischen Jever.

Mit dem Urteil folgte das Schöffengericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Verteidigung hatte auf ein Jahr Strafe mit zweijähriger Bewährungszeit plädiert. Die 34 Jahre alte Berlinerin hatte das Kind vor knapp zwei Jahren in einem Strandkorb auf der Nordseeinsel Wangerooge zurückgelassen.

Die Richter begründeten das Urteil mit der psychischen Notlage der Mutter. Sie sei nur vermindert schuldfähig. Zudem bestehe keine Wiederholungsgefahr, sagte der Richter. Auch habe das Geständnis der Frau zu einem milderen Urteil geführt. Dem Gesetz nach drohen bei Aussetzung eines Kindes ein bis zehn Jahre Gefängnis.

Vor Gericht beteuerte die Angeklagte, sie habe nicht damit gerechnet, dass das Kind im Urlaub zur Welt kommen würde. Eigentlich sollte das Mädchen im August - gut drei Wochen später - geboren werden. Die Wehen setzten jedoch durch Stress frühzeitig ein, sagte die Frau. Ihre Großmutter sei mit einem Verdacht auf Herzinfarkt in ein Krankenhaus geflogen worden. Dies habe sie überfordert. «Ich habe das Kind dann in der Wohnung meiner Oma geboren und dort fast drei Tage lang versorgt», sagte sie.

Am 26. Juli 2003 wollte die Frau mit ihren heute vier und neun Jahre alten Söhnen, ihrer elfjährigen Schwester und einem Bekannten abreisen. Keiner von ihnen habe etwas von der Geburt bemerkt. Sie habe ihre kleine Tochter gestillt, sie «warm eingewickelt» und gegen fünf Uhr morgens in den Strandkorb gelegt. Dann sei sie abgereist, schilderte die Mutter den Richtern. Fünf Stunden später entdeckten Touristen das Mädchen.

Ein Kinderarzt sagte als Sachverständiger: «Das Kind litt unter starkem Flüssigkeitsmangel und befand sich in einer lebensbedrohlichen Situation.» Die Nieren hätten versagt. Zudem habe das Mädchen ein Hirnödem gehabt. Das alles deutet nach Aussage des Arztes entgegen den Behauptungen der Mutter darauf hin, dass das Neugeborene schon länger nicht richtig versorgt war. «Das ist nicht nur in fünf Stunden geschehen. Einige Stunden keine Nahrung machen ein Kind nicht krank.»

Pauline, die ihren Namen ihrem Finder Paul verdankt, lebt heute unter anderem Namen bei einer Pflegefamilie im Landkreis Friesland. Die Mutter sagte dem Gericht, sie wolle das Kind nicht von der Familie trennen. Die ledige Frau lebt derzeit von rund 500 Euro Arbeitslosengeld II und muss damit sich und drei Kinder versorgen.

Die Polizei war der 34-Jährigen Ende 2003 durch einen anonymen Hinweis aus Berlin auf die Spur gekommen. Danach sollte sich die Frau zur Tatzeit auf Wangerooge aufgehalten haben. Eine DNA-Analyse und Untersuchungen in der Medizinischen Hochschule Hannover bestätigten dann die Mutterschaft der Frau. (tso)

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