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Straßburg: Klage von Metzler-Mörder Gäfgen auf Eis

Die Klage des Mörders von Bankierssohn Jakob von Metzler gegen die Bundesrepublik Deutschland liegt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorerst auf Eis.

Straßburg/Frankfurt/Main (12.07.2005, 12:52 Uhr) - «Es kann auf jeden Fall Monate dauern, bis sich das Gericht mit der Beschwerde befasst und sie auf Zulässigkeit prüft», sagte eine Gerichtssprecherin am Dienstag in Straßburg. Die durchschnittliche Verfahrensdauer bis zu einem Urteil der Kleinen Kammer betrage derzeit bis zu vier Jahre. Die Klage sei Mitte Juni eingereicht worden.

Anwalt Michael Heuchemer hatte am Montag bestätigt, dass der wegen Mordes verurteilte Magnus Gäfgen (30) vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Klage gegen Deutschland eingelegt hat. Nach Gerichtsangaben vom Dienstag wirft er in seiner gut 220- seitigen Beschwerde der Bundesrepublik Verstöße gegen das Folterverbot und das Menschenrecht auf ein faires Gerichtsverfahren vor. Gäfgen war im Dezember 2004 in Frankfurt zu lebenslanger Haft verurteilt worden.

Der damalige Frankfurter Polizeivizepräsident Wolfgang Daschner hatte Gäfgen im Verhör mit Schmerzen drohen lassen, falls dieser das Versteck des von ihm am 29. September 2002 entführten Millionärssohns nicht nenne. Wie sich erst später herausstellte, war der elfjährige Jakob zu diesem Zeitpunkt schon tot. Daschners Vorgehen löste eine bundesweite Diskussion über Folter aus. Der Beamte wurde straffrei wegen Nötigung verurteilt und auf einen anderen Posten versetzt.

Anwalt Heuchemer (29) sagte am Dienstag, Ziel der Klage sei es in erster Linie, eine «Leitentscheidung» gegen Geständniserpressung durch Folter zu erreichen, «die die Rechtsprechung und Strafverfolgungsrealität für Jahrzehnte prägen wird». Langfristig strebe Gäfgen auch eine Haftverkürzung an. Um eine finanzielle Entschädigung gehe es ihm in dem Straßburger Verfahren dagegen nicht.

Zur Auswirkung eines möglichen Urteils gegen Deutschland wollte sich die Gerichtssprecherin zunächst nicht äußern: «Der Fall ist noch nicht geprüft, momentan ist alles sehr spekulativ.»

Heuchemer sagte, derartige Verfahren seien sehr selten in Straßburg. Bislang sei die Bundesrepublik noch nie in einem ähnlichen Prozess verurteilt worden. Beim letzten größeren derartigen Fall habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Jahr 1999 Frankreich wegen «erniedrigender Behandlung» eines Mannes in Polizeihaft zu einer Entschädigung von 500 000 Franc (rund 76 000 Euro) verurteilt.

Nach Heuchemers Worten hatte Gäfgen nach seiner Verurteilung bereits vergeblich über seinen ersten Anwalt Hans Ulrich Endres Revision beim Bundesgerichtshof und Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt. Beide Gerichte hätten diese Rechtsmittel nicht angenommen. (tso)

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