zum Hauptinhalt

Panorama: Streit um die Rechte der Ratten

Britische Tierschutz-Aktivisten greifen gern zu drastischen Mitteln – jetzt wehrt sich die Öffentlichkeit

Seit über zwei Jahren herrscht an der Baustelle des „Biomedizinischen Forschungszentrums“ an der South Parks Road in Oxford fast Kriegszustand. Dem Architekten wurden Farbe und Lösungsmittel übers Auto geschüttet. Bei den Wagen von Bauarbeitern wurden Reifen aufgeschlitzt und Autoschlösser verklebt. Mindestens 13 von ihnen wurden bei der Fahrt nach Hause verfolgt, obwohl sie vermummt zur Arbeit kommen und hinter einem vier Meter hohen Zaun arbeiten, um ihre Identität zu schützen. Auf Webseiten werden die Namen der Bauarbeiter veröffentlicht. Auch wurde angegeben, wie ihre Kinder heißen und wo sie zur Schule gehen.

Die Tierschützer von der „Animal Liberation Front“ und von ihr inspirierte Gruppen bezeichnen den 30 Millionen Euro teuren Bau in Oxford als „Institut für Tierfolterung“. Dutzende von ihnen stehen fast jeden Tag vor dem Bau, dessen Fertigstellung sie seit Jahren zu verhindern suchen. Mit allen Mitteln. „Auch Ratten haben Rechte“, steht auf ihren Schildern. In Oxford wurden die Arbeiten vor zwei Jahren schon einmal eingestellt. Eine Baufirma warf nach massiven Einschüchterungsversuchen das Handtuch. Seit im November wieder gebaut wird, haben schon wieder vier Firmen aufgegeben.

Großbritanniens Tierversuchsgegner machen seit Jahren mit ihren extremen Aktionen von sich reden. Sie sind gegen jede Art von Tierversuchen – und behaupten, man könne Arzneimittel genauso gut ohne solche Experimente entwickeln. Dem Druck der Tierschützer mussten sich auch die Meerschweinchenzüchter Chris und John Hall in Staffordshire beugen. Den Mut verloren sie, als die „Animal Rights Milita“ im Oktober 2004 die Leiche der Schwiegermutter von Chris, der 82-jährigen Gladys Hammond, aus ihrem Grab auf dem Friedhof in Yoxall ausgrub und verschleppte. Erst im Mai wurden die sterblichen Überreste der Frau in einem Wald gefunden. Die Täter erhielten zwölf Jahre Gefängnis. „Zur Abschreckung“, sagte der Richter.

Britische Tierfanatiker haben ihre Aktionen mit Erfolg in andere Länder exportiert – auch nach Deutschland. Doch die Briten wehren sich nun. Zuerst kam Laurie Pycroft. Der 16-Jährige aus Oxford, der keinerlei Verbindung zur Universität hat und nicht einmal mehr zur Schule geht, zog im Februar mit zwei Freunden und einem Plakat in die Oxforder Einkaufszone: „Unterstützt den Fortschritt. Baut das Oxforder Labor.“ Als Laurie die Demo vier Wochen später wiederholte, waren 800 Menschen dabei.

„Pro-Test“ heißt die neue Bewegung. Fast 20 000 haben eine „Volkspetition für Tierversuche unter den striktesten Bedingungen“ unterschrieben – auch Premier Tony Blair. Nach einer Umfrage des „Daily Telegraph“ war die Unterstützung für Tierversuche nie so stark wie jetzt. Drei Viertel der Befragten bezeichneten die Tierschutz-Lobbyisten unumwunden als „Terroristen“. Und immer wieder wurde in der Befragung die Schändung der Leiche von Gladys Hammonds erwähnt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false