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Viele Grabsteine auf deutschen Friedhöfen kommen nicht mehr aus heimischen Steinbrüchen, sondern aus Indien oder China.

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Streit ums Grabmal: Ist dieser Grabstein auch Fair Trade?

Wie kann man nachweisen, ob ein Grabstein unter fairen Bedingungen produziert wurde? Diese Frage beschäftigt Steinmetze, Gerichte und Behörden. Viele Grabsteine werden in Indien oder China durch Kinderarbeit produziert.

Wer in diesen Tagen über einen herbstlichen Friedhof spaziert, der läuft dabei auch an einer Menge offener Fragen vorbei. Denn viele Grabsteine kommen nicht mehr aus heimischen Steinbrüchen, sondern aus Indien oder China. Woher genau aus diesen Ländern die Steine stammen, das lässt sich nicht in jedem Fall genau sagen, auch nicht, unter welchen Bedingungen sie aus dem Steinbruch gebrochen und bearbeitet wurden. Dabei gibt es Organisationen, die die Produktionsbedingungen prüfen. Das Problem: Welche Organisation glaubwürdig ist, darüber fehlt der Konsens. Wer entscheidet, ob ein Siegel vertrauenswürdig ist?

Angefangen hat alles mit etwas, das man eigentlich als Erfolg bezeichnen könnte: Denn in Baden-Württemberg gilt ein neues Bestattungsrecht. Städte und Kommunen können selbst entscheiden, ob sie eine Nachweispflicht über die Herkunft eines Grabsteins einführen. Stuttgart und Kehl gehören zu den Städten, die nur Grabmale erlauben wollten, die nachweislich ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt sind.

Aber sie wurden von Verwaltungsrichtern zurückgepfiffen. „Es kann einem einzelnen Steinmetz nicht zugemutet werden, für jede Grabanlage diesen dezidierten Nachweis zu erbringen“, sagt Hermann Rudolph vom Bundesverband Deutscher Steinmetze. So sahen es auch die Richter: Es fehle eine hinreichend gesicherte allgemeine Auffassung darüber, welche der vorhandenen Zertifikate für Steine als vertrauenswürdig gelten könnten, urteilte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim im Juni über die Praxis in Stuttgart.

Zertifizierungen für Grabsteine sind nicht leicht zu erhalten

Das klingt wie Hohn, findet man in Freiburg: „XertifiX“ heißt der Verein, der sich 2005 auf Initiative von Steinmetzen gründete, die nicht mehr mit der Ungewissheit leben wollten. „Das Verwaltungsgericht in Mannheim hat uns nicht mal angehört“, sagt Geschäftsführer Walter Schmidt. Mehr als 300 Betriebe und Steinbrüche hat der Verein eigenen Angaben zufolge mit Partnern in Indien insgesamt mehr als tausend Mal kontrolliert - allerdings gab es in den vergangenen Jahren keinen Auftrag, Grabsteine zu zertifizieren.

Ein Siegel erhalten Steine laut XertifiX nur dann, wenn bei unangekündigten Kontrollen keine Kinder angetroffen werden und auch die Arbeitsbedingungen für die Erwachsenen stimmen - dazu gehören etwa freier Zugang zu Gewerkschaften und das Verbot von Ausbeutung und Misshandlung. Ähnliche Kriterien gelten bei „Fairstone“, einer weiteren Zertifizierungsorganisation. Den Bundesverband Deutscher Steinmetze überzeugt dieses Vorgehen nicht. „Aus meiner Sicht ist es in Anbetracht der Größe des Landes Indien und der weit verzweigten Abbauregionen schwierig, in kurzen Zeitabständen flächendeckend zu kontrollieren“, sagt Hermann Rudolph.

Der Verband deutscher Natursteinverarbeiter (vdnv) hat ein eigenes Zertifizierungssystem, vergeben wird ein Siegel durch die Igep-Foundation - einer von Indien unterstützten Organisation zur Verbesserung der Handelsbeziehungen zwischen Indien und Deutschland. Mit unangekündigten Kontrollen wird nach eigenen Angaben sichergestellt, dass keine Kinder beschäftigt sind und Arbeitsnormen wie Ausschluss von Schuldknechtschaft und Beachtung der Arbeitszeiten eingehalten werden.

Zweifel sind eine Sache, Nachweise eine andere

Tobias Pehle, Sprecher des Verbands, erklärt: „Die deutschen Grabmalhersteller stellen seit Jahren durch seriöse Zertifizierung sicher, dass es keine Grabsteine aus Kinderarbeit auf unseren Friedhöfen gibt.“ „In den Steinbrüchen, in denen wir kontrolliert haben, haben wir in den vergangenen Jahren keine Kinderarbeit gefunden“, sagt auch Walter Schmidt von XertifiX.

Eine niederländische Studie hat in diesem Jahr von Kinderarbeit in indischen Steinbrüchen berichtet, aber nicht bei der Produktion von Grabsteinen. Anstatt sich nur auf die Kinderarbeit zu fokussieren, sollte in der Debatte um faire Grabsteine auch die Lage der erwachsenen Arbeiter in den Steinbrüchen mehr in den Blick genommen werden, verlangt Schmidt: „Was Erwachsene angeht, sind die Arbeitsbedingungen oft katastrophal, es fehlt vor allem am Arbeitsschutz.“ Der Münchener Verein earthlink, der über Kinderarbeit informieren will, hält nicht viel von der Igep-Zertifizierung: „Ein Wirtschaftsverband, der Sozialstandards zertifizieren will, erscheint uns grundsätzlich fragwürdig und widersprüchlich“, sagt Sprecherin Nikoletta Pagiati. Nur: Zweifel sind eine Sache, Nachweise eine andere.

Den Zertifizierer zertifizieren

Wie schwierig es ist, einen Zertifizierer zu zertifizieren, weiß man auch in Nordrhein-Westfalen: Dort hatte der Landtag ein am Vorbild Baden-Württembergs orientiertes Gesetz verabschiedet, nach den dortigen Erfahrungen wurde die Umsetzung allerdings gestoppt. Nun werden Kriterien erarbeitet, wie eine Zertifizierungsorganisation beschaffen sein muss. Sehr weit sei man aber noch nicht, wie eine Sprecherin im zuständigen Gesundheitsministerium einräumt: „Das jüngste Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim hat verdeutlicht, wie kompliziert es ist, das rechtssicher umzusetzen.“

Wichtig sei, dass die entsprechende Organisation unangekündigt kontrolliere, dieses dokumentiere und „weder mittelbar noch unmittelbar“ am Handel mit Steinen beteiligt sei. „Wir hoffen sehr, dass diese Vorgaben recht scharf formuliert sind. Und sollten wir sie nicht erfüllen, werden wir uns dahingehend weiterentwickeln, dass wir sie erfüllen“, sagt Walter Schmidt von XertifiX. Ganz sichergehen kann man zurzeit nur, wenn man einen Stein aus einem heimischen Steinbruch kauft. (epd)

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